Pflichten eines Prozessbevollmächtigten bei einem unvollständigen Eingang eines Telefaxes
Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 174 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 S 2 ZPO, § 416 ZPO
Instanzenzug: Az: 3 S 490/18vorgehend Az: 106 C 3824/18
Gründe
I.
1Die Parteien streiten um die Zahlung restlicher 1.600 € nebst Zinsen aus einem Zahlungsplan mit abstraktem Schuldanerkenntnis. Das Amtsgericht Leipzig hat die Beklagte im Urkundenprozess durch Vorbehaltsurteil vom antragsgemäß verurteilt und der Beklagten die Ausführungen ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Die Zustellung dieses Vorbehaltsurteils hat der Beklagtenvertreter mit zwei Empfangsbekenntnissen, die auf den 27. bzw. datieren, bestätigt.
2Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Amtsgerichts mit Schriftsatz vom , der am beim Berufungsgericht per Telefax eingegangen ist, Berufung eingelegt. Am ist die erste, undatierte Seite einer per Telefax übermittelten Berufungsbegründung der Beklagten zur Gerichtsakte gelangt. Daraufhin hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts mit Verfügung vom selben Tage angeordnet, dem Beklagtenvertreter mitzuteilen, dass das von diesem übersandte Telefax unvollständig sei. Auf diese, von der Geschäftsstelle am ausgeführte Verfügung hat der Beklagtenvertreter noch am selben Tage mitgeteilt, ihm liege ein Sendebericht vor, wonach das Telefax am vollständig mit 23 Seiten beim Berufungsgericht eingegangen sei. Dieser Sendebericht trägt das Datum , zeigt die Uhrzeit 11.23 Uhr und gibt als Dauer der Übertragung 44 Minuten und 33 Sekunden an. Außerdem enthält er die Angaben "Seite: 023" und "Ergebnis OK".
3Am ist beim Berufungsgericht die vollständige, insgesamt 23 Seiten umfassende Berufungsbegründung der Beklagten auf dem Postweg eingegangen. Diese trägt auf den Seiten 2 bis 23 in der Fußzeile jeweils das Datum .
4Das von der Poststelle des Berufungsgerichts zur Gerichtsakte gereichte Faxjournal für den enthält in der Spalte "Empfängeradresse" für die Zeitangabe 11.21 Uhr die Telefaxnummer des Beklagtenvertreters mit der Seitenzahl 20 und dem Ergebnis "NG 40‘22". Mit Verfügung vom hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts eine dienstliche Stellungnahme des Anwenderbetreuers beim Landgericht Leipzig eingeholt. Daraus ergibt sich, dass am nicht nur die erste Seite der Berufungsbegründung per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen ist, sondern dass drei Übertragungsvorgänge stattgefunden haben und beim dritten Versuch die Seiten 21 bis 23 der Berufungsbegründung erfolgreich übertragen wurden. Da diese Seiten kein Aktenzeichen getragen hätten, habe die Poststelle die Ausdrucke nicht zuordnen können; dieser Vorgang sei nachträglich rekonstruiert worden. Dem Aktenvermerk sind Ausdrucke der per Telefax übermittelten Seiten 21 bis 23 der Berufungsbegründung beigefügt, die in den vom Empfangsgerät angebrachten Kopfzeilen das Datum und die Uhrzeit 12.11 Uhr bzw. 12.12 Uhr tragen. Des Weiteren hat der Anwenderbetreuer in seiner dienstlichen Stellungnahme mitgeteilt, dass alle der Technikabteilung des Berufungsgerichts gemeldeten Störungen, welche Übertragungsfehler wie z.B. den Status "NG" beinhaltet hätten, zu dem Ergebnis geführt hätten, dass die jeweilige Gegenstelle den vom Berufungsgericht eingehaltenen Faxstandard "T.38" nicht erfüllt habe. Eine grundsätzliche Störung der Telefaxtechnik des Berufungsgerichts liege nicht vor. Auch eine Abfrage bei "T-Systems" habe keinen Fehler auf Seiten des Gerichts ergeben.
5Mit Schriftsatz vom , per Telefax beim Berufungsgericht am eingegangen, hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und gleichzeitig die Berufungsbegründung erneut eingereicht. Der Beklagtenvertreter hat geltend gemacht, dass die Berufungsbegründung ausweislich des vorgelegten Sendeberichts am vollständig beim Berufungsgericht eingegangen sei. Eine Nachfrage beim Dienstleister des Beklagtenvertreters habe ergeben, dass eine fehlerhafte Konfiguration des Systems des Beklagtenvertreters auszuschließen sei. Nach Versendung des Telefaxes habe die Rechtsanwaltsfachangestellte F. bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts angerufen, um sich vom vollständigen Eingang des Schriftsatzes zu überzeugen. Dort habe man erklärt, dass der Geschäftsstelle mehr als 100 Telefaxe vorlägen, weshalb nicht mitgeteilt werden könne, ob das Telefax vollständig eingegangen sei. Weiter hat der Beklagtenvertreter geltend gemacht, das Vorbehaltsurteil sei zweimal zugestellt worden, was beim Amtsgericht Leipzig häufiger vorkomme. Er habe in beiden Fällen das Empfangsbekenntnis nach Kenntnisnahme unterschrieben. Am sei dem Beklagtenvertreter von der Rechtsanwaltsfachangestellten F. einvorausgefülltes Empfangsbekenntnis vorgelegt worden, das er ohne Änderungen am selben Tag unterschrieben habe, wobei er übersehen habe, dass Frau F. als Datum irrtümlich den 27. und nicht den eingetragen gehabt habe. Diese Eintragung sei entgegen einer tags zuvor auf Anweisung erfolgten endgültigen Fristeneintragung erfolgt, weshalb das Empfangsbekenntnis inhaltlich falsch sei. Tatsächlich sei das Vorbehaltsurteil dem Beklagtenvertreter schon am zugegangen. Da die Berufungsbegründungsfrist damit am abgelaufen sei, könne dem Beklagtenvertreter nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er nach der gerichtlichen Mitteilung über die unvollständige Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift nicht versucht habe, dem Berufungsgericht diesen Schriftsatz am auf anderem Wege zu übermitteln.
6Das Berufungsgericht hat durch Beschluss vom die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei nicht innerhalb der am um 24.00 Uhr abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist begründet worden. Auszugehen sei dabei von dem durch den Beklagtenvertreter unterzeichneten Empfangsbekenntnis, das auf den datiere. Nach dem Vortrag der Beklagten habe ihr Prozessbevollmächtigter zwar am von dem Vorbehaltsurteil Kenntnis erlangt, das Empfangsbekenntnis jedoch erst am unterzeichnet. Da die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses Voraussetzung für dessen Wirksamkeit sei, sei die wirksame Zustellung des Vorbehaltsurteils bei der Beklagten erst am erfolgt.
7Die Berufungsbegründung sei nicht rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Per Telefax eingegangen seien lediglich die Seiten 1 sowie 21 bis 23 der Berufungsbegründungsschrift. Das Fehlen der weiteren Seiten führe dazu, dass eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genügende, vollständige Berufungsbegründung nicht fristgemäß zu den Akten gelangt sei, da jedwede nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils fehle. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt worden sei. Die Beklagte habe nach ihrem eigenen Vortrag die gerichtliche Mitteilung, dass das Telefax am nicht vollständig eingegangen sei, am erhalten. Statt noch am die Berufungsbegründung vollständig einzureichen, habe sie an diesem Tag nur mitgeteilt, dass ein Sendebericht über den vollständigen Eingang vorliege. Dies habe anwaltlicher Sorgfalt nicht entsprochen. Zum einen habe der Tag der Zustellung richtig notiert werden müssen, was der Beklagtenvertreter spätestens am nochmals habe überprüfen müssen. Zum anderen sei es der von einem Rechtsanwalt stets zu wählende, sichere Weg gewesen, noch am die vollständige Berufungsbegründung auf einem sicheren Übertragungsweg einzureichen. Die Berufungsbegründungsfrist sei daher nicht ohne ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes anwaltliches Verschulden versäumt worden.
8Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
91. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer form- und fristgerechten Begründung der Berufung fehle, verletzt die Beklagte in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
10a) Das Berufungsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Berufungsbegründung noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist per Telefax eingegangen ist.
11aa) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Bei mehrfachen Zustellungen an denselben Adressaten ist für den Beginn und Ablauf einer Rechtsmittelfrist die erste wirksame Zustellung maßgebend (, juris Rn. 4).
12Demnach kommt es vorliegend ausschließlich auf diejenige Zustellung an, die der Beklagtenvertreter mit seinem ersten, auf den datierten Empfangsbekenntnis bestätigt hat und deren Wirksamkeit nicht in Zweifel steht. Hingegen ist es für die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist unerheblich, ob diese Zustellung tatsächlich bereits einen Tag früher, am , erfolgt ist. Denn unabhängig davon, ob die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf des 26. oder des endete, wäre diese Frist bei einer unvollständigen Übertragung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax in jedem Fall versäumt worden, da der Eingang einer den inhaltlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genügenden Berufungsbegründung nach den in diesem Punkt zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts erst am auf dem Postweg erfolgt ist.
13bb) Allerdings durfte das Berufungsgericht mit der von ihm gegebenen Begründung nicht davon ausgehen, die Übertragung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax sei am nicht vollständig erfolgt. Denn das Berufungsgericht ist zu diesem Schluss gelangt, ohne zuvor die gebotenen Maßnahmen zur Aufklärung der einer Kenntnis der Beklagten nicht zugänglichen gerichtsinternen Vorgänge ergriffen zu haben.
14(1) Die Zulässigkeit der Berufung ist von Amts wegen zu prüfen (, NJW 2017, 2285 Rn. 19 und vom - XI ZR 452/16, NJW 2018, 1689 Rn. 14). Dabei hat der Berufungsführer den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründungsschrift zu beweisen (vgl. , WM 1995, 341, 342 und Beschluss vom - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 10). Besonderheiten gelten allerdings in Bezug auf gerichtsinterne Vorgänge, in die Außenstehende in der Regel keinen Einblick und damit auch keine Anhaltspunkte für etwaige Fehlerquellen haben. Es ist daher zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (, NJW 2000, 1872, 1873 sowie vom , aaO Rn. 20 und Beschluss vom , aaO Rn. 14).
15(2) Zwar hat die Beklagte durch die Vorlage des mit einem "OK"-Vermerk versehenen Sendeberichts vom keinen Nachweis für den ordnungsgemäßen Zugang der Berufungsbegründungsschrift per Telefax erbracht. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die durch einen "OK"-Vermerk belegte ordnungsgemäße Absendung eines Schreibens per Telefax nicht den Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang beim Empfänger. Der "OK"-Vermerk belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (, WM 1995, 341, 343 f.; Beschlüsse vom - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11 und vom - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 12).
16Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, ist das Berufungsgericht aber seiner Pflicht zur Aufklärung eventueller gerichtsinterner Fehlerquellen nicht in dem hier gebotenen Maße nachgekommen. Ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Anwenderbetreuers soll das Telefaxgerät des Beklagtenvertreters drei Anwahlvorgänge durchgeführt haben, von denen nur der erste und der dritte erfolgreich waren. Im Faxjournal der Poststelle des Landgerichts Leipzig wurden diese beiden Anwahlvorgänge jedoch nicht dokumentiert. Die Telefaxnummer des Beklagtenvertreters wird dort nur einmal mit der Zeitangabe 11.21 Uhr aufgeführt, wobei dieser Vorgang 20 Seiten betroffen haben soll. Ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Anwenderbetreuers handelt es sich bei dem vermerkten Ergebnis "NG" um eine Fehlermeldung. Auch diese Angabe betrifft jedoch weder den ersten noch den dritten Anwahlvorgang, die beide zu einer zumindest teilweisen Übertragung des Telefaxes geführt haben. Dies weckt Zweifel sowohl an der Zuverlässigkeit des Faxjournals als auch an den hierauf aufbauenden Schlussfolgerungen in der Stellungnahme des Anwenderbetreuers. Ebenfalls ungeklärt ist, wie es zur "Auffindung" der Seiten 21 bis 23 der Berufungsbegründungsschrift gekommen ist und warum diese in den vom Empfangsgerät angebrachten Kopfzeilen die Angaben 021/023, 022/023 und 023/023 tragen, obwohl beim dritten Anwahlversuch nur die Seiten 21 bis 23 übertragen worden sein sollen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es für die Fristwahrung maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12 und vom - XI ZB 4/11, juris Rn. 19). Ob dies geschehen ist, lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.
17b) Außerdem ist das Berufungsgericht im Rahmen seiner Prüfung, ob der Beklagten auf ihren fristgemäß gestellten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Antrag hin Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren war, ohne ausreichende Berücksichtigung des Beklagtenvortrags davon ausgegangen, dass das Vorbehaltsurteil dem Beklagtenvertreter erst am zugestellt worden sei.
18aa) Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (, NJW 2006, 1206 Rn. 8 und Beschluss vom - IX ZB 303/11, WM 2012, 1210 Rn. 6). Eine wirksame Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO erfordert daher regelmäßig, dass der Zustellungsempfänger seinen Willen zur Entgegennahme der Zustellung durch die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses bekundet und dieses, versehen mit dem Datum des Eingangs des Schriftstücks, an das Gericht zurückreicht (, BGHZ 191, 59 Rn. 16). Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist es weder von Bedeutung, wann die Empfangsbestätigung ausgestellt worden ist und welches Datum sie trägt, noch in welcher Form dies geschieht (, BGHZ 35, 236, 239; Senatsbeschluss vom - XI ZB 2/17, WM 2017, 2196 Rn. 12). Das Empfangsbekenntnis selbst kann später ausgestellt werden. Das Gesetz verlangt nicht, dass es bei Empfang des Schriftstücks ausgestellt wird. Das Empfangsbekenntnis wirkt, wenn es später ausgestellt wird, auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Aussteller das Schriftstück als zugestellt entgegengenommen hat (, aaO).
19Ein Empfangsbekenntnis erbringt als Privaturkunde im Sinne von § 416 ZPO grundsätzlich den Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für die Zustellung (, NJW 2006, 1206 Rn. 8; Beschlüsse vom - IX ZB 303/11, WM 2012, 1210 Rn. 6 und vom - XI ZB 6/17, juris Rn. 6). Allerdings ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig. Dieser setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können. Hingegen ist dieser Gegenbeweis nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 303/11, aaO und vom - XI ZB 6/17, aaO).
20bb) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht zu Unrecht allein aus dem Umstand, dass der Beklagtenvertreter nach seinem eigenen Vortrag das Empfangsbekenntnis erst am unterzeichnet hat, darauf geschlossen, dass eine wirksame Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils erst an diesem Tage erfolgt sei. Vielmehr hätte es ausgehend von dem in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Datum , welches nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters mit dem Unterzeichnungsdatum übereinstimmt, den zum Gegenbeweis der Unrichtigkeit dieser Datumsangabe angebotenen Beweismitteln nachgehen müssen.
21Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, hat der Beklagtenvertreter in seinem Schriftsatz vom vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er das Vorbehaltsurteil schon am Nachmittag des bei einem Auswärtstermin in H. gelesen habe, nachdem es ihm kanzleiintern digital ab 13.42 Uhr zur Verfügung gestanden habe. Zwischen 15.00 Uhr und 15.45 Uhr habe er seiner Mitarbeiterin Frau F. von H. aus die Anweisung erteilt, die Berufungsbegründungsfrist entsprechend dem Kanzleieingangsstempel ("26. SEP. 2018") auf der Ausfertigung des amtsgerichtlichen Urteils auf den zu notieren, was auch so geschehen sei. Ebenfalls noch am habe der Beklagtenvertreter mit dem Sohn der Beklagten, dem zuliebe er das Mandat angenommen habe, gesprochen. Am habe der Beklagtenvertreter das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und dabei übersehen, dass Frau F. als Datum irrtümlich den voreingetragen habe. Diese Voreintragung stehe im Widerspruch zu der tags zuvor erfolgten Anweisung zur Fristeneintragung und zu der allgemeinen Weisung des Beklagtenvertreters, dass die Datumsvoreintragung im Empfangsbekenntnis stets den Tag auszuweisen habe, an dem das Urteil tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde und dementsprechend auch die Fristeneintragung in Handakte und Fristenbuch erfolgt sei. Darüber hinaus hat der Beklagtenvertreter zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl in der Berufungsschrift als auch in der Berufungsbegründungsschrift von einer Zustellung des Vorbehaltsurteils am die Rede ist, und erläutert, warum seine Ausführungen im Schriftsatz vom von denen im Schriftsatz vom abweichen.
22Da die Argumentation des Berufungsgerichts zu dem von ihm bejahten Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) des Beklagtenvertreters - ihre Richtigkeit unterstellt - davon abhängig ist, ob die Berufungsbegründungsfrist tatsächlich erst am abgelaufen ist, hätte das Berufungsgericht den Beweisantritten des Beklagtenvertreters nachgehen müssen. Wurde das Vorbehaltsurteil nämlich bereits am zugestellt und ist infolgedessen die Berufungsbegründungsfrist schon am abgelaufen, kann dem Beklagtenvertreter weder eine fehlerhafte Notierung des Zustellungsdatums auf den noch der Umstand zum Vorwurf gemacht werden, dass er auf den gerichtlichen Hinweis vom nicht unmittelbar eine erneute Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift veranlasst hat.
232. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Entgegen der Anregung der Rechtsbeschwerde erscheint es im Hinblick auf die größere Orts- und Sachnähe angebracht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen selbst trifft (vgl. , NJW 2017, 2285 Rn. 30 mwN). Das Berufungsgericht wird zunächst aufzuklären haben, ob die Berufungsbegründung vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vollständig per Telefax eingegangen ist, denn über den Wiedereinsetzungsantrag ist erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht feststeht, dass die Beklagte die Berufungsbegründungfrist gewahrt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460 und vom - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457 Rn. 12). Sollte sich dies nicht erweisen, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht dann mit dem Vortrag des Beklagtenvertreters zum genauen Zeitpunkt der Zustellung des Vorbehaltsurteils zu befassen haben.
24Falls die Berufungsbegründungsfrist tatsächlich bereits am geendet haben sollte, dürfte ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden des Beklagtenvertreters im Hinblick auf den "OK"-Vermerk auf dem von ihm vorgelegten Sendebericht und im Hinblick auf die zusätzliche telefonische Nachfrage der Rechtsanwaltsfachangestellten F. bei dem Landgericht Leipzig hier ausscheiden (vgl. , WM 2016, 1850 Rn. 18 mwN). Sollte die Frist hingegen erst am abgelaufen sein, könnte es dem in Leipzig ansässigen Beklagtenvertreter zuzumuten gewesen sein, nach dem Hinweis des Gerichts auf den unvollständigen Eingang des Telefaxes die Berufungsbegründung erneut und eventuell auf einem anderen Weg zu übermitteln (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 218/10, juris Rn. 4 und vom - IX ZB 81/16, FamRZ 2017, 1946 Rn. 8).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240919BXIZB9.19.0
Fundstelle(n):
RAAAH-42881