BGH Beschluss v. - 1 StR 223/19

Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Anforderungen an das Vorliegen einer Bande

Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 30a Abs 1 BtMG

Instanzenzug: LG Ellwangen Az: 16 Js 15309/12 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellung, dass der Angeklagte bei den Taten als Mitglied einer Bande handelte, in den Urteilsgründen nicht tragfähig mit Tatsachen belegt wird.

3a) Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (vgl. , BGHSt 46, 321, 325 ff.; Urteile vom - 3 StR 28/04 Rn. 6; vom - 2 StR 426/11 Rn. 11 und vom - 1 StR 145/14 Rn. 20 mwN). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus (vgl. Rn. 21). Mitglied einer Bande kann dabei auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. , BGHSt 47, 214, 216). Auch ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren (vgl. Rn. 21).

4b) Gemessen an diesen Maßstäben ist hier nicht belegt, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande handelte, die sich durch Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Ziel fortgesetzten Betäubungsmittelhandels gebildet hatte.

5Das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbständiger, eigene Interessen verfolgender Geschäftspartner begründet beim Betäubungsmittelhandel auch dann keine Bande, wenn die Beteiligten in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung tätig werden (vgl. Rn. 5 mwN). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung (vgl. Rn. 7 und vom - 2 StR 426/11; Beschlüsse vom - 4 StR 612/06 Rn. 4; vom - 2 StR 436/07 Rn. 3; vom - 3 StR 129/11 Rn. 8 mwN und vom - 5 StR 315/12 Rn. 3, jeweils mwN).

6aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts betätigte sich der Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2010 innerhalb eines international operierenden Drogenkartells mit mehreren, zumeist aus Schwarzafrika stammenden Personen, deren Identität nicht geklärt ist, im internationalen Drogenschmuggel (UA S. 4). Er warb auf der Plattform „Facebook“ Kuriere, sog. bodypacker, an und nutzte diese Plattform auch für die Erteilung von Transportaufträgen an die Kuriere und die Organisation der einzelnen Transporte. Dabei verwendete er unter einem Synonym ein Facebook-Benutzerkonto zur Kommunikation mit seinen jeweils nicht näher bekannten Tatgenossen, welche die einzelnen Drogentransporte in Auftrag gaben (UA S. 4). Durch diese Verbindung wirkten der Angeklagte und seine Tatgenossen zusammen, um bei sich ergebenden Gelegenheiten immer wieder Drogengeschäfte mit Gewinnerzielungsabsicht durchzuführen und dabei die Organisationsstrukturen zur effektiveren und risikoloseren Tatbegehung zu nutzen.

7bb) Diese Feststellungen des Landgerichts zur bandenmäßigen Begehung werden jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung zum Erfordernis einer Bandenabrede nicht tragfähig mit konkreten Tatsachen belegt. Für die Annahme einer Bandenabrede genügt es weder, dass der Angeklagte bei beiden Taten „mit anderen Personen zusammen gehandelt“ (UA S. 18) hat, noch, dass sich aus seinen Chataktivitäten ergab, dass er mit mehreren anderen Personen „in laufender Geschäftsbeziehung“ stand (UA S. 18). Dasselbe gilt für die vom Landgericht angeführten Umstände, dass die Chatpartner des Angeklagten „aus dem Kreis der Auftraggeber sehr vertraut miteinander und auch in der Sache selbst waren“ (UA S. 21) und dass der Angeklagte Auftraggeber hatte, für die er die Kuriere besorgte, als auch Abnehmer hatte, die ihm mitteilten, wieviel er mit den Kurieren mitschicken sollte (UA S. 20). Hierdurch wird lediglich belegt, dass der Angeklagte in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem tätig wurde. Ob er aber in die Absatzorganisation der Verkäuferseite als verlängerter Arm eingebunden war oder auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüberstand, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob die Empfänger der vom Angeklagten organisierten Lieferungen in die Absatzorganisation eingebunden waren oder als Abnehmer eigene Interessen verfolgten. Zur Risikoverteilung zwischen den Beteiligten innerhalb der Geschäftsbeziehung hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.

82. Die Sache bedarf neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung zum Vorliegen einer Bandenabrede. Da nicht auszuschließen ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine bandenmäßige Begehung belegen, entzieht dies dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Die durch rechtsfehlerfrei getroffene Feststellungen belegte Strafbarkeit des Angeklagten wegen zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 BtMG) kann nicht isoliert aufrechterhalten werden.

93. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die zur Bande getroffenen Feststellungen insgesamt auf. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen im Übrigen bedarf es nicht, da sie von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigt, nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

104. Ergänzend bemerkt der Senat für die neue Hauptverhandlung:

11Im Falle einer Verurteilung des Angeklagten hat der neue Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Anrechnungsmaßstab für die von dem Angeklagten in dieser Sache im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. Rn. 7 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:050619B1STR223.19.0

Fundstelle(n):
HAAAH-41775