Feiertagsvergütung - Zeitungszusteller - Höhe - Darlegungs- und Beweislast
Leitsatz
Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der ein Zeitungszusteller einerseits Zeitungsabonnenten täglich von Montag bis Samstag zu beliefern hat, andererseits Arbeitstage des Zustellers lediglich solche Tage sind, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, verstößt gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltzahlung an Feiertagen.
Gesetze: § 2 Abs 1 EntgFG, § 12 EntgFG, § 287 Abs 2 ZPO, § 10 Abs 1 Nr 8 ArbZG, § 9 ArbZG, § 138 ZPO
Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 11 Ca 3333/15 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 5 Sa 269/17 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Vergütung für gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen (Wochenfeiertage).
2Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1993 als Zeitungszusteller beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Verteilung von Druckerzeugnissen an Haushalte. Sie ist Zustellpartnerin der DDV Mediengruppe und Dienstleisterin des Logistikunternehmens Medialogistik.
3Am schlossen die Parteien einen (Änderungs-)Arbeitsvertrag. Dort heißt es ua.:
4Unter dem Datum unterzeichneten die Parteien eine „Anlage 1 - Vergütung für abonnierte Presseerzeugnisse -“, bei der es sich unstreitig um die im Arbeitsvertrag zu § 1 Nr. 1 und Nr. 3 bezeichnete, im Streitzeitraum maßgebliche Anlage 1 handelt (iF Anlage 1). Dort ist ua. geregelt:
5Als Anlage 1b zum Anstellungsvertrag schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung über die Zahlung einer weiteren Vergütung „für die Zustellung an Nichtleserhaushalte“ in den Bezirken mit den Nrn. 4743, 4745 und 4747.
6Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis im Jahr 2015 auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns für Zeitungszusteller von seinerzeit 6,38 Euro brutto je Zeitstunde ab. Für die Feiertage am (Karfreitag), am (Ostermontag), am (Tag der Arbeit), am (Christi Himmelfahrt) und am (Pfingstmontag), an denen der Kläger nicht arbeitete, zahlte sie keine Vergütung.
7Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit der vorliegenden Klage Vergütung für die vorbeizeichneten Feiertage verlangt. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei gesetzlich zur Entgeltzahlung verpflichtet. Der Arbeitsausfall an den betreffenden Tagen sei ausschließlich feiertagsbedingt. Die Regelung zu Nr. 3d Anlage 1 stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Sie sei in mehrerer Hinsicht unwirksam. Zur Berechnung der Vergütung sei hinsichtlich des Umfangs der ausgefallenen Arbeitszeit wegen ständiger Schwankungen der Stückzahlen der zuzustellenden Druckerzeugnisse und damit einhergehend der vergütungspflichtigen Wegezeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung geboten, wobei zur Vermeidung unsachgemäßer Ergebnisse auf den Bruttolohn der letzten drei, dem jeweiligen Feiertag vorausgehenden Abrechnungsmonate abzustellen sei.
8Der Kläger hat zuletzt erstinstanzlich - zusammengefasst - beantragt,
9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, der für den gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruch erforderliche monokausale Zusammenhang zwischen Feiertag und Arbeitsausfall sei nicht gegeben. Die Arbeit des Klägers sei nicht wegen des Feiertags, sondern deshalb unterblieben, weil im Zustellbezirk des Klägers keine Presseerzeugnisse erschienen seien, mit deren Zustellung sie im Allgemeinen beauftragt sei. Mit Blick auf solche Tage habe sie - insoweit auch feiertagsunabhängig - entschieden, ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht nachzugehen. Dem trügen die vertraglichen Vereinbarungen in zulässiger Weise Rechnung. Die Klage sei zudem in der Höhe unschlüssig. Eine Bemessung der Feiertagsvergütung anhand eines Referenzzeitraums lasse das Gesetz nicht zu.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben und dieses nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
11Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass der Kläger für zwei Feiertage im April 2015 und drei Feiertage im Mai 2015 Entgeltzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG verlangen kann. Bei der Berechnung der Anspruchshöhe hat es jedoch rechtsfehlerhaft auf einen Referenzzeitraum von drei Monaten abgestellt. An einer abschließenden Entscheidung ist der Senat gehindert, weil es an erforderlichen Feststellungen zu den maßgeblichen Berechnungstatsachen fehlt. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).
12I. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Entgeltzahlung für die an den streitgegenständlichen Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit.
131. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Der Arbeitnehmer ist danach so zu stellen, als hätte er an dem gesetzlichen Feiertag im Umfang der für diesen Tag geschuldeten Arbeitszeit, dh. der für die Arbeit vorgesehenen oder festgelegten Zeitspanne (vgl. dazu - Rn. 16, BAGE 164, 57), gearbeitet. Er ist insbesondere nicht zur unentgeltlichen Vor- oder Nacharbeit der durch den Feiertag ausgefallenen Arbeitszeit verpflichtet ( - Rn. 22, BAGE 161, 132).
142. Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltzahlung an Feiertagen entsteht nur dann, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall ist (st. Rspr., zB - Rn. 15, BAGE 157, 97; - 10 AZR 495/14 - Rn. 30, BAGE 151, 331; zum Erfordernis der sog. Monokausalität siehe auch ErfK/Reinhard 19. Aufl. EFZG § 2 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. EZFG § 2 Rn. 11; Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 103 Rn. 2; jeweils mwN). Hätte der Arbeitnehmer an dem betreffenden Tag auch ohne den Feiertag nicht gearbeitet und keinen Lohn verdient, steht ihm keine Feiertagsvergütung zu. Dies gilt etwa, wenn der Feiertag in einen Zeitraum fällt, in dem das Arbeitsverhältnis ruht und deshalb die beiderseitigen Hauptpflichten suspendiert sind (vgl. - aaO). Auch eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers am Feiertag kann den Anspruch auf Feiertagsvergütung ausschließen. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Freistellung aus einem von der gesetzlichen Feiertagsruhe unabhängigen Schema ergibt (st. Rspr., zB - Rn. 17, BAGE 152, 378; - 6 AZR 621/12 - Rn. 17). Hängt demgegenüber die Arbeitsbefreiung von den Feiertagen ab, wäre also der Arbeitnehmer zur Arbeit herangezogen worden, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre, lässt die Freistellung den Entgeltzahlungsanspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG unberührt (so bereits - zu II 1 der Gründe, BAGE 84, 216; - 3 AZR 159/81 - BAGE 44, 160; jeweils zu § 1 Abs. 1 Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen, iF FeiertLohnzG).
153. Gemessen daran kann der Kläger von der Beklagten für die an den streitgegenständlichen Tagen ausgefallene Arbeit Entgeltzahlung verlangen.
16a) Nach § 1 Abs. 1 iVm. Abs. 2 des Gesetzes über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen vom (SächsSFG; SächsGVBl. S. 536) sind Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag gesetzliche Feiertage im Sinne bundesrechtlicher Vorschriften.
17b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitszeit des Klägers sei iSv. § 2 Abs. 1 EFZG infolge dieser Feiertage ausgefallen, ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
18aa) Die vom Kläger geschuldete Arbeit ist in § 1 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 des Arbeitsvertrags umschrieben. Danach übernimmt er die Belieferung von Abonnenten/Empfängern mit dort näher spezifizierten Presseerzeugnissen und ggf. Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt, wobei die Belieferung täglich von Montag bis einschließlich Samstag erfolgt. Die Beklagte stellt auch nicht in Abrede, dass Zeitungen im Zustellbezirk des Klägers angeliefert worden und von ihm zuzustellen gewesen wären, der Kläger also an den streitgegenständlichen Tagen gearbeitet hätte, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage gewesen wären.
19bb) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, hiervon ausgehend liege der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Feiertag und Arbeitsausfall vor, steht nicht entgegen, dass die Beklagte als Unternehmen, das die Verteilung von Druckerzeugnissen betreibt, nicht ausnahmslos an die in § 9 ArbZG normierte Sonn- und Feiertagsruhe gebunden ist, sondern es ihr nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 ArbZG grundsätzlich erlaubt ist, Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen jedenfalls mit dem Austragen von Erzeugnissen der Tagespresse zu beschäftigten (zu diesem Erlaubnistatbestand vgl. BT-Drs. 12/6990 S. 13 f., 43; ausführlich zu dessen Voraussetzungen bspw. Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 10 Rn. 57 ff.; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 10 Rn. 24 ff.). Aus dieser Möglichkeit kann, anders als die Revision meint, nicht gefolgert werden, der Arbeitsausfall beim Kläger sei nicht feiertagsbedingt, sondern beruhe auf anderen Gründen, nämlich der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, den Kläger mangels Nachfrage nach ihren Dienstleistungen in dessen Zustellbezirk an Feiertagen nicht zu beschäftigen. Ein solches Verständnis widerspricht dem Zweck von § 2 Abs. 1 EFZG. Dieser besteht darin, den feiertagsbedingten Entgeltausfall des Arbeitnehmers zu kompensieren. Der Entgeltzahlungsanspruch hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber einer Branche angehört, in der die Beschäftigung von Arbeitnehmern arbeitszeitrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise eröffnet ist. Macht der Arbeitgeber von den Möglichkeiten des § 10 ArbZG keinen Gebrauch, weil es feiertagsbedingt an einem Arbeitskräftebedarf fehlt, schuldet er dem Arbeitnehmer nach allgemeinen Regeln Feiertagsvergütung. Entsprechend sind bei Zeitungszustellern die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 EFZG stets dann erfüllt, wenn wegen des Feiertags keine Zeitung hergestellt wird und deshalb durch den Zusteller an dem Feiertag keine Zeitung ausgetragen werden muss, während dies ohne den Feiertag geschehen wäre.
20cc) Der Einwand der Revision, die an den streitgegenständlichen Tagen ausgefallene Arbeit sei vom Kläger nicht nachzuholen gewesen, ist unbeachtlich. Die Beklagte übersieht, dass sie andernfalls sowohl für die am Feiertag ausgefallene als auch für die nachgeleistete Arbeit das übliche Entgelt zu zahlen gehabt hätte (vgl. - zu 2 c der Gründe, BAGE 83, 283).
21dd) Die zu Nr. 3d Anlage 1 getroffene Vereinbarung, wonach Arbeitstage des Zustellers alle Tage sind, an denen Zeitungen im Zustellgebiet des Klägers erscheinen, schließt den Entgeltzahlungsanspruch ebenso wenig aus. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt. Die Klausel verstößt, soweit sie gesetzliche Wochenfeiertage erfasst, gegen den in § 12 EFZG geregelten Grundsatz der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf Feiertagsvergütung und ist insoweit teilnichtig, § 139 BGB.
22(1) Gemäß § 12 EFZG kann abgesehen von § 4 Abs. 4 von den Vorschriften dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das schließt mit Blick auf § 2 EFZG die Bestimmung des Ursachenzusammenhangs zwischen Arbeitsausfall und Feiertag ein ( - Rn. 12).
23(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Regelung in Nr. 3d Anlage 1, bei der es sich nach seinen nicht angegriffenen Feststellungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB handelt, als Vereinbarung über den Umfang der vergütungspflichtigen Arbeitszeit verstanden. Diese Auslegung, die der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegt (vgl. dazu nur - Rn. 12 mwN), ist rechtsfehlerfrei. Die Parteien haben hinsichtlich der Dauer der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit weder unmittelbar im Arbeitsvertrag noch in der Anlage 1 einen bestimmten monatlichen oder wöchentlichen Umfang vereinbart. Die Arbeitszeit soll sich vielmehr, wie die Tabelle zur „Zusammensetzung“ der Vergütung und die im nachstehenden Satz enthaltenen Erläuterungen verdeutlichen, nach der mittels Geoinformationssystem ermittelten, in Spalte 4 der Tabelle dargestellten „Anzahl Zeitungen je Arbeitstag“ und einer in Spalte 5 ausgewiesenen „täglichen Soll-Arbeitszeit bei Anzahl Zeitungen gemäß Spalte 4 nach GIS“ richten. Dies in Verbindung mit der Vereinbarung, wonach die Anzahl zuzustellender Zeitungen aufgrund von Urlaubsabmeldungen, „Abo-Rückgängen“ etc. variieren kann und sich bei Änderung der zuzustellenden Exemplare (auch) die „Soll-Arbeitszeit“ ändert, macht aus der Perspektive eines verständigen und redlichen Erklärungsempfängers deutlich, dass sich der Umfang der Arbeitszeit und entsprechend die Vergütung nach den jeweiligen Bedürfnissen der vereinbarten Tätigkeit - sprich dem Arbeitsanfall - richten soll. Wenn in diesem Zusammenhang Nr. 3d Anlage 1 bestimmt, dass Arbeitstage (lediglich) solche Tage sind, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, kann dies nur bedeuten, dass an anderen Tagen weder eine Arbeitspflicht des Klägers noch eine Vergütungspflicht der Beklagten bestehen soll.
24(3) Entgegen der Auffassung der Revision liegt damit indes keine Freistellung vor, die einem feiertagsunabhängigen Schema folgt. Die umstrittene Klausel soll vielmehr bewirken, dass sich unter der Voraussetzung einer fehlenden Belieferung mit Zeitschriften die vom Kläger im Arbeitsverhältnis geschuldete „Soll-Arbeitszeit“ um diejenige Zeit verkürzt, die ohne die vertragliche Regelung auf den Feiertag entfiele. Dabei erfasst die Klausel nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten typischerweise Wochentage, an denen, sofern es sich nicht um Feiertage handelt, üblicherweise eine Arbeitspflicht des Klägers besteht. Einer solchen Vereinbarung steht jedoch die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruchs entgegen. Der Arbeitgeber kann der Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EFZG nicht dadurch entgehen, dass er für den Feiertag von vornherein keine Arbeit einplant (zu § 1 FeiertLohnzG vgl. - zu I 1 der Gründe; seither st. Rspr.). Dass die Beklagte an solchen Tagen, soweit Presseunternehmen sie nicht mit Druckerzeugnissen beliefern, kein Interesse an der Arbeitsleistung des Klägers hat, ist ohne rechtliche Relevanz.
25(4) Das Ergebnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen in § 2 Abs. 1, § 12 EFZG dienen der Verwirklichung und Durchsetzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und damit verfassungsrechtlich legitimierten Belangen ( - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 112).
26(5) Da die Klausel bereits aus den genannten Gründen dem Entgeltzahlungsanspruch nicht entgegensteht, kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht behandelte Frage, ob die Regelung zu Nr. 3d Anlage 1 den Kläger iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, soweit sie einen Anspruch aus § 615 Abs. 1 BGB ausschließt, nicht mehr entscheidungserheblich an. Ebenso kann offenbleiben, ob der Auffassung des Klägers zu folgen ist, die Klausel sei auch deshalb unwirksam, weil sie angesichts der im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelung, wonach die Belieferung der Abonnenten täglich von Montag bis Samstag erfolgt, iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht klar und verständlich sei.
27II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klageforderung sei auch in der Höhe begründet, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.
281. Für die Höhe des Feiertagsentgelts gilt nach § 2 Abs. 1 EFZG das Entgeltausfallprinzip. Hiernach berechnet sich der Anspruch nach dem Umfang der Arbeitszeit, die beim Arbeitnehmer an dem Feiertag ausgefallen ist (Zeitfaktor) und des für diese Arbeitszeit zu leistenden Arbeitsentgelts (Geldfaktor). Die Feiertagsvergütung ergibt sich dann aus der Multiplikation beider Faktoren. Das gilt auch im Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes. Dieses begründet für Zeiten ohne Arbeitsleistung keine unmittelbaren Ansprüche ( - Rn. 19, BAGE 155, 202; seither st. Rspr.). Allerdings verlangt § 2 Abs. 1 EFZG, den Mindestlohn nach dem MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltzahlungsanspruchs für Feiertage einzustellen, soweit nicht aus anderen Gründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht (zum Ganzen - Rn. 38 mwN, BAGE 165, 205).
292. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls sei die Feiertagsvergütung nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsprinzips „unter Berücksichtigung eines Referenzzeitraums“ von drei Monaten zu berechnen. Diese Besonderheiten hat es darin gesehen, dass die Menge der zuzustellenden Druckerzeugnisse, nach der sich sowohl die Soll-Arbeitszeit als auch die dem Kläger geschuldete Stückvergütung bestimmt, fast täglich schwanke, und der Kläger auch nicht über ein Geoinformationssystem verfüge, mittels dessen sich die Wege-, Rüst- und Steckzeiten bestimmen, die nach Nr. 3 Anlage 1 in die Arbeitszeit einfließen.
303. An die dieser Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen ist der Senat zwar nach § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Beklagte hat diesbezüglich zulässige Verfahrensrügen nicht erhoben. Soweit sie darauf verweist, dem Kläger hätten Mittel und Wege zur Verfügung gestanden, die notwendigen Informationen zu erlangen, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil das Vorbringen nicht erkennen lässt, um welche Instrumente es sich dabei handeln soll. Abgesehen davon stellt die Beklagte die regelmäßigen Schwankungen der Anzahl der zuzustellenden Presseerzeugnisse nicht in Abrede. Dass vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung der vertraglichen Vergütungsregelungen die Darlegung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts sowohl nach dem Zeit- als auch dem Geldfaktor erhebliche Schwierigkeiten bereitet, liegt auf der Hand.
314. Die Forderungsberechnung durch das Landesarbeitsgericht kann gleichwohl - aus Rechtsgründen - nicht überzeugen.
32a) Tatsächliche Hindernisse bei der Ermittlung der Höhe des Entgeltzahlungsanspruchs bei variabler Vergütung rechtfertigen keine Abkehr von der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 EFZG zugunsten des Referenzprinzips in dem Sinne, dass der Arbeitgeber ohne Weiteres zur Zahlung einer Durchschnittsvergütung verpflichtet wäre ( - zu I 2 a der Gründe; dem folgend bspw. ErfK/Reinhard 19. Aufl. EFZG § 2 Rn. 15). Vielmehr erfordern unregelmäßige Schwankungen bezüglich der Arbeitszeit und einer fortzuzahlenden Stückvergütung eine hypothetische Betrachtung, die die Eigenarten der geschuldeten Tätigkeit und spezifische Abrechnungsmethoden in den Blick nimmt. Dabei ist eine Methode zu wählen, die dem Entgeltausfallprinzip am besten gerecht wird und insbesondere sicherstellt, dass der Arbeitnehmer weder besser noch schlechter steht, als er ohne den Feiertag gestanden hätte. Ggf. ist nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO eine Schätzung auf der Grundlage eines in der Vergangenheit liegenden Bezugszeitraums vorzunehmen, soweit dieser ein sachgerechtes Ergebnis gewährleistet (vgl. - zu II 2 der Gründe; - 3 AZR 100/81 - zu II 1 der Gründe, BAGE 42, 324 [jeweils zu § 1 FeiertLohnzG]; ErfK/Reinhard aaO; Müller in Feichtinger/Malkmus 2. Aufl. EFZR § 2 EFZG Rn. 43; Kunz/Wedde 2. Aufl. EFZR § 2 EFZG Rn. 103). Das entspricht im Ausgangspunkt auch der Berechnung des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Entgelts bei leistungsabhängiger Vergütung (vgl. - zu I 1 c der Gründe) und der Berechnung in anderen Fällen einer zu leistenden Fortzahlung der Vergütung, die sich gemäß gesetzlicher Bestimmungen nach dem Entgeltausfallprinzip richtet, wie etwa nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Vergütung eines von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreiten Mitglieds des Betriebsrats (dazu bspw. - Rn. 13 ff.).
33b) Demgegenüber kommt eine - ggf. analoge - Heranziehung der Regelungen in § 12 Abs. 4 und Abs. 5 TzBfG, die bei Arbeit auf Abruf im Krankheitsfall bzw. an Feiertagen eine Berechnung der Entgeltfortzahlung ausgehend von der durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder des Feiertags als Referenzzeitraum vorschreiben, nicht in Betracht. Die Bestimmungen wurden erst mit Wirkung vom durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts - Einführung einer Brückenteilzeit vom - in § 12 TzBfG eingefügt. Mit ihnen und weiteren Neuregelungen soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeit auf Abruf leisten, mehr Sicherheit in Bezug auf ihre Planung und ihr Einkommen erzielt werden (BT-Drs. 19/3452 S. 19 f.). Allerdings heißt es in der Gesetzesbegründung weiter (nur): „Für Arbeit auf Abruf legt Absatz 4 Satz 1 nunmehr fest, dass zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung über einen Referenzzeitraum vorzunehmen ist“. Von welcher bisherigen Rechtslage der Gesetzgeber in Bezug auf die Berechnung der Vergütung im Krankheitsfall und an Feiertagen für Beschäftigte in Arbeit auf Abruf ausgegangen ist, wird weder in der Gesetzesbegründung noch in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drs. 19/5097 S. 3) verdeutlicht. Die Formulierung „nunmehr“ lässt jedoch vermuten, dass „vorher“ eine vergangenheitsbezogene Entgeltberechnung nicht statthaft war.
34c) Die Richtlinie (EU) 2019/1152, nach deren Art. 11 der Missbrauch von Abrufarbeitsverträgen und ähnlichen Arbeitsverträgen, etwa durch die Einführung einer widerlegbaren Vermutung, dass ein Arbeitsvertrag mit einer Mindeststundenzahl ausgehend von den durchschnittlich gearbeiteten Zeiten abgeschlossen ist, zu unterbinden ist, spielt im Streitfall keine Rolle. Die Richtlinie ist erst am in Kraft getreten.
35d) Danach durfte das Landesarbeitsgericht zur Bemessung des fortzuzahlenden Entgelts nicht ohne Weiteres auf den vom Kläger angeführten Referenzzeitraum von drei Monaten abstellen. Es hätte vielmehr prüfen müssen, welche Indizwirkung dem benannten Zeitraum und den die Vergütung in dieser Zeit bestimmenden Umständen für den Umfang der ausgefallenen Arbeitsleistung des Klägers an den streitgegenständlichen Feiertagen und damit letztlich für die Höhe des Entgeltzahlungsanspruchs in tatsächlicher Hinsicht zukommt. Daran fehlt es. Die vom Landesarbeitsgericht angestellten Erwägungen lassen nicht erkennen, dass es den ihm unterbreiteten Sachverhalt insoweit - auch unter Beachtung der Grundsätze des § 287 ZPO - beurteilt hat.
36III. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann die gebotene hypothetische Betrachtung nicht selbst vornehmen. Diese obliegt, wie jede andere tatsächliche Feststellung, dem Gericht der Tatsacheninstanz, dem insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt. Sie ist deshalb nachzuholen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat lediglich auf Folgendes hin:
371. Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen, die den Anspruch auf Feiertagsvergütung begründen ( - zu I 2 b der Gründe). Das schließt die Darlegung des Umfangs der ausgefallenen Arbeit ein. Er muss deshalb auch die Anknüpfungspunkte für eine ggf. nach § 287 Abs. 2 ZPO erforderliche Schätzung vortragen.
382. Etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen ( - zu I 2 b der Gründe). Hat der Arbeitnehmer einen Bezugszeitraum gewählt, der nach den aufgezeigten Kriterien als repräsentativ angesehen werden kann, ist es Sache des Arbeitgebers, sich hierauf konkret zu erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO). Der Arbeitgeber muss dann Umstände vortragen, die gegen die Maßgeblichkeit der vom Arbeitnehmer benannten Tatsachen sprechen sollen.
393. Dieser abgestuften Darlegungslast wird das bisherige Parteivorbringen nicht gerecht.
40a) Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen schlicht auf die Heranziehung eines „Referenzzeitraums“ von drei Monaten als maßgeblich berufen, ohne darzulegen, warum die sich daraus berechnende tägliche Arbeitsvergütung für die streitgegenständlichen Feiertage repräsentativ sein soll. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich. Im Streitfall hängen, wie gezeigt, die der Berechnung zugrunde zu legende „Soll-Arbeitszeit“ und die Höhe der geschuldeten Stückvergütung von der Anzahl der zuzustellenden Druckerzeugnisse ab. Darüber hinaus ist für die in die Arbeitszeit einzubeziehende Wegezeit eine „optimale Gangfolge“ nach dem von der Beklagten genutzten Geoinformationssystem maßgeblich. Nach Nr. 3 Anlage 1 kann die Anzahl zuzustellender Zeitungen ua. durch Abmeldungen seitens der Abonnenten variieren. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser Umstand insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit Feiertagen Bedeutung gewinnt. Danach liegt es nahe, als repräsentativ für die Bemessung der Feiertagsvergütung von Zeitungszustellern einen Zeitraum zu wählen, der nahe an dem jeweiligen Feiertag liegt (vgl. ErfK/Reinhard 19. Aufl. EFZG § 2 Rn. 15).
41b) Vor diesem Hintergrund wird es in Fällen wie dem Vorliegenden zur Erfüllung der dem Arbeitnehmer auf der ersten Stufe obliegenden Darlegungslast regelmäßig genügen, wenn er für den Monat, in den der Feiertag fällt, die an anderen Arbeitstagen erzielte Durchschnittsvergütung errechnet und behauptet, er hätte eine Vergütung in entsprechender Höhe erzielt, wenn er an dem Feiertag gearbeitet hätte. Es ist dann typischerweise Sache des Arbeitgebers, die Indizwirkung der betreffenden Durchschnittsvergütung zu entkräften.
424. Hiervon ausgehend wird den Parteien Gelegenheit zu geben sein, zur Anspruchshöhe weiter vorzutragen. Dabei und bei den nachfolgend vom Landesarbeitsgericht zu treffenden Feststellungen wird zu berücksichtigen sein, dass zur Höhe der nach § 2 Abs. 1 EFZG geschuldeten Vergütung alle Leistungen des Arbeitgebers gehören, denen Entgeltcharakter zukommt. Nicht einzubeziehen sind demgegenüber Leistungen für Aufwendungen des Klägers. Diese zählen - auch wenn § 2 Abs. 1 EFZG keinen dem § 4 Abs. 1a EFZG vergleichbaren Ausschluss enthält - dann nicht zu den bei der Bemessung der Feiertagsvergütung zu berücksichtigenden Leistungen, wenn ihre Gewährung davon abhängig ist, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen, die abgegolten werden sollen, tatsächlich entstanden sind, und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen während des gesetzlichen Feiertags nicht entstehen (vgl. nur Kunz/Wedde 2. Aufl. EFZR § 2 EFZG Rn. 100; Schmitt/Küfner-Schmitt EFZG 8. Aufl. § 2 EFZG Rn. 99; jeweils mwN). Das dürfte - vorbehaltlich einer abschließenden Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht - auf das dem Kläger nach Nr. 6 Anlage 1 zu zahlende Kilometergeld zutreffen. Damit werden Kosten abgegolten, die ihm bei der Nutzung seines privaten Fahrzeugs im Rahmen der Zustelltätigkeit für die Beklagte entstehen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte das in den Lohnabrechnungen ausgewiesene Fahrgeld von 0,27 Euro je abgerechnetem Kilometer unabhängig vom Entstehen entsprechender Aufwendungen gezahlt hat.
435. Der Kläger war im Streitzeitraum nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien Zeitungszusteller iSv. § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG (idF vom , gültig bis ). Anhaltspunkte, die dieser Rechtsbehauptung entgegenstünden, liegen nicht vor. Der Kläger hatte demnach gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 MiLoG aF ab dem mindestens Anspruch auf ein Mindestentgelt iHv. 75 % des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG (zur Vereinbarkeit der Regelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG vgl. - Rn. 20 ff., BAGE 162, 340), der - wie dargestellt - als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltzahlungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 EFZG einzustellen ist. Für die Frage, welche Leistungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind, gilt nichts anderes als im sonstigen Anwendungsbereich des Gesetzes (Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 18. Aufl. § 66 Rn. 20; zur Mindestlohnwirksamkeit aller im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme solcher Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung erbringt oder die, wie bspw. Nachtzuschläge gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG, auf einer besonderen Zweckbestimmung beruhen, vgl. - Rn. 28, aaO).
446. Bei der neuen Entscheidung ist auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:161019.U.5AZR352.18.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 2612 Nr. 44
BB 2020 S. 371 Nr. 7
DB 2019 S. 16 Nr. 43
DB 2020 S. 6 Nr. 6
DStR 2019 S. 12 Nr. 44
DStR 2020 S. 12 Nr. 12
BAAAH-41054