SteuerStud Nr. 4 vom Seite 233

Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung

Karin Hückel | Redaktion | steuerstud-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen. Der BFH stellte in einer aktuellen Entscheidung nun klar, dass zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden können, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt ( , NWB FAAAH-43737, veröffentlicht am ).

Der zugrunde liegende Streitfall: In dem Fall war Kläger der Vater eines 1992 geborenen Sohnes (S), der nach dem Abitur eine Banklehre bei einer Volksbank absolvierte und im Anschluss daran dort auch in Vollzeit tätig war. Bereits vor Abschluss der Banklehre nahm S an einer Info-Veranstaltung über ein Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt teil. Da sich der Beginn dieses Studiums jedoch auf unbestimmte Zeit verzögerte, nahm S nach Erreichen des ersten Abschlusses einen Onlinestudiengang BWL auf. Der Kläger beantragte unter Hinweis auf dieses Studium (erneut) Kindergeld. Die Familienkasse und später auch das FG sahen in der Banklehre und dem Online-BWL-Studium jedoch keine einheitliche Berufsausbildung. Die Umorientierung von dem zunächst beabsichtigten Bankkolleg-Studium auf das wesentlich breiter ausgelegte BWL-Studium bilde eine Zäsur, die die beiden Ausbildungsabschnitte voneinander trenne.

Dem trat der BFH nun in seiner aktuellen Entscheidung entgegen. Mehrere Ausbildungsabschnitte können eine einheitliche Erstausbildung bilden, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Entscheidend ist also, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

Umstritten war hier, ob der erforderliche enge sachliche Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem BWL-Studium vorlag oder die Umorientierung (BWL-Studium statt Bankkolleg) zu einer mehraktigen Ausbildung geführt hat. Der BFH präzisierte insoweit die Abgrenzung des Falls der Erstausbildung mit daneben (im Hintergrund) ausgeübter Erwerbstätigkeit einerseits vom Fall der im Vordergrund stehenden Berufstätigkeit mit berufsbegleitend (als Nebensache) durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung). Demnach ist anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse im Einzelfall zu entscheiden, ob die Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen. Für diese Entscheidung kommt es u. a. auf Art und Umfang der Berufstätigkeit sowie das Verhältnis zur Ausbildungsmaßnahme an. Soweit sich aus der BFH-Rspr. (, BStBl 2015 II S. 152, NWB YAAAE-78513, und v.  - III R 27/15, BStBl 2017 II S. 278, NWB BAAAF-89052) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht weiter festgehalten. Hiervon ausgehend verwies der BFH die Sache an das FG zurück.

Alle guten Wünsche und herzliche Grüße

Ihre

Karin Hückel

Fundstelle(n):
SteuerStud 4/2020 Seite 233
NWB JAAAH-40947