Verfassungsgemäße und europarechtskonforme Besteuerung der inländischen Einkünfte eines im Grenzgebiet in Frankreich wohnenden,
im Beamtenverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg stehenden, an einer öffentlichen Schule in Deutschland arbeitenden Lehrers
Anwendungsvorrang des Art. 14 Abs. 1 DBA-FRA gegenüber Art. 13 Abs. 5 DBA FRA
„Dienstleistung in der Verwaltung” im Sinne von Art. 14 Abs.1 DBA-FRA
Maßgeblichkeit der zusammengerechneten Einkünfte beider Ehegatten bei einem Antrag auf Zusammenveranlagung nach § 1a Abs.
1 Nr. 2 EStG
Leitsatz
1. Ein im Grenzgebiet in Frankreich wohnender deutscher, im Beamtenverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg an einer öffentlichen
Schule in Deutschland arbeitender Lehrer ist mit seinen inländischen Einkünften aus seiner Tätigkeit als Lehrer im Beamtenverhältnis
gem. § 1 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, b EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig und kann auf
eigenen Antrag gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (sog. fiktive unbeschränkte Steuerpflicht);
die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG liegen dagegen nicht vor (vgl. ).
2. Nach Art. 14 Abs. 1 DBA-FRA in der Fassung des Zusatzabkommens vom steht Deutschland das Besteuerungsrecht für
die inländischen Lehrereinkünfte zu. Art. 14 DBA-FRA geht als speziellere Vorschrift dem Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA vor und das
deutsche Besteuerungsrecht wird auch nicht durch die Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-FRA ausgeschlossen.
3. Die Voraussetzung der „Dienstleistungen in der Verwaltung” im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA-FRA ist weit auzulegen. Eine
Abgrenzung danach, ob mit den Dienstleistungen unmittelbar öffentliche Aufgaben verwirklicht werden, ist nicht vorzunehmen.
Vielmehr können auch Dienstleistungen, die z.B. im Bereich der Vermögensverwaltung oder auf privatrechtlicher Grundlage erbracht
werden unter Art. 14 Abs. 1 DBA-FRA fallen. Dies gilt auch für Kinder erziehende und unterrichtende Tätigkeiten, wie sie ein
Lehrer oder eine Erzieherin im Kindergarten ausübt. Diese Auslegung des Merkmals „in der Verwaltung” ist auch dann verfassungsrechtlich
und europarechtlich unbedenklich, wenn der Kläger aufgrund der Anwendung des Kassenstaatsprinzips höher besteuert wird, als
wenn er in Deutschland ansässig wäre und auch steuerlich schlechter gestellt wird, als ein in Frankreich lebender Kollege
in einem französischen Dienstverhältnis oder ein in Frankreich lebender Lehrer, der in Deutschland an einer privaten Schule
angestellt ist.
4. Erzielt die französische Ehefrau des Lehrers als Lehrerin an einer öffentlichen Schule in Frankreich ebenfalls Einkünfte
aus nichtselbständiger Tätigkeit und erzielen beide Ehegatten als Miteigentümer einer in Frankreich belegenen, vermieteten
Wohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, so ist bei einem Antrag auf Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz
1 EStG und bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG (relative und absolute Wesentlichkeitsgrenze) auf die Einkünfte beider
Ehegatten abzustellen und ist die jeweilige Betragsgrenze in § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG (im Veranlagungszeitraum 2001: 12.000
DM; 2002 bis 2006: 6136 EUR; ab 2007: jeweiliger Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) zu verdoppeln.
5. Eine Zusammenveranlagung mit dem in Deutschland nicht ansässigen Ehegatten setzt damit voraus, dass entweder die zusammengerechneten
Einkünfte beider Ehegatten im jeweiligen Streitjahr zu mehr als 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze)
oder ihre zusammengerechneten nicht in Deutschland zu besteuernden Einkünfte in der Summe im Veranlagungszeitraum (VZ) 2001
nicht mehr als 24.000 DM, in den VZ 2002 bis 2006 nicht mehr als 12.272 EUR und ab den VZ 2007 nicht mehr als den jeweils
doppelten Grundfreibetrag betragen. Einer eigenständigen Vorabprüfung der Einkunftsgrenzen jeweils bezogen nur auf den einzelnen
Ehegatten bedarf es nicht.
6. Diese Besteuerung des Lehrers (siehe 1., 2., 4., 5.) ist verfassungsgemäß sowie europarechtskonform und verstößt insbesondere
nicht gegen den verfasungsrechtlichen Gleichheitssatz, das allgemeine Diskriminierungsverbot, die EMRK oder gegen die unionsrechtlichen
Grundfreiheiten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2020 S. 582 Nr. 8 EStB 2020 S. 278 Nr. 7 IStR 2020 S. 349 Nr. 9 IWB-Kurznachricht Nr. 10/2020 S. 370 ZAAAH-40061
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FG Baden-Württemberg, Urteil v. 02.07.2019 - 6 K 337/16
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