BGH Beschluss v. - 2 StR 342/19

Notwendige Feststellungen bei gesamtstrafenfähiger Vorverurteilung

Gesetze: § 55 Abs 1 S 1 StGB, § 55 Abs 1 S 2 StGB

Instanzenzug: LG Gießen Az: 304 Js 23785/18 - 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten des Betruges in 17 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn wegen der Taten eins bis neun der Urteilsgründe unter Auflösung der mit gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Siegen vom , aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom und aus dem Urteil des Amtsgerichts Siegen vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und wegen der Taten zehn bis 17 der Urteilsgründe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Gesamtstrafenaussprüche (einschließlich der aufrecht erhaltenen Maßregel- und Einziehungsentscheidung aus einbezogenen Vorverurteilungen) halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand und bedürfen insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

3a) Hinsichtlich der Gesamtstrafe von drei Jahren und fünf Monaten hat das Landgericht, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, nicht bedacht, dass der Einbeziehung der im Urteilstenor genannten Entscheidungen entgegensteht, dass die den dortigen Verurteilungen zugrunde liegenden Taten ganz oder zumindest teilweise vor früheren Verurteilungen des Angeklagten begangen und beendet worden waren. Von diesen früheren Vorverurteilungen des Angeklagten entfaltet - in Abhängigkeit von dem in den Urteilsgründen nicht mitgeteilten Vollstreckungsständen - wenigstens eine Zäsurwirkung (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, und vom - 3 StR 295/13; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1244 f.). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.

4b) Darüber hinaus lässt sich die vom Landgericht zeitlich zwischen den am und am begangenen Taten neun und zehn der Urteilsgründe verortete Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Siegen vom nicht nachvollziehen. Für die Frage, ob und wann früher eine Gesamtstrafenbildung möglich gewesen wäre, ist die letzte tatrichterliche Sachentscheidung zur Schuld- oder Straffrage maßgeblich (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 558/13, NStZ-RR 2014, 242, 243; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 1233). Dieser Zeitpunkt lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Wegen des sehr engen zeitlichen Abstands zwischen den hier abzuurteilenden Taten kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer auf einen falschen Zeitpunkt abgestellt hat und sich dies hier zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

52. Der Senat sieht davon ab, die Sache gemäß § 354 Abs. 1b StPO ins Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen. Der neue Tatrichter wird zu den für sich genommenen rechtsfehlerfreien Feststellungen, welche deswegen Bestand haben, ergänzende Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten treffen können, insbesondere zu deren Rechtskraft und den Vollstreckungsständen (vgl. ) sowie im erforderlichen Umfang zu den Strafzumessungserwägungen der Vorverurteilungen (vgl. , NStZ-RR 2009, 277). Er wird gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, einen sich bei der Bildung mehrerer Gesamtstrafen möglicherweise für den  Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels in den Blick zu nehmen (vgl. , NStZ-RR 2009, 367).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:161019B2STR342.19.0

Fundstelle(n):
DAAAH-39673