BGH Beschluss v. - 3 StR 261/19

Elternzeit als Verhinderunggrund bei der Unterzeichnung eines Urteils

Gesetze: § 275 Abs 1 S 2 StPO, § 275 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 2 KLs 57/18

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die auf § 338 Nr. 7 StPO i.V.m. § 275 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts ist ordnungsgemäß unterschrieben worden. Der innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO angebrachte Verhinderungsvermerk weist aus, dass Richter am Landgericht K.     wegen der am angetretenen Elternzeit an der Unterschrift gehindert war. Damit genügt der Vermerk den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insoweit gilt:
Wurde eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisionsgericht diese Entscheidung lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2016, 286 mwN). Gemessen hieran ist das Urteil des Landgerichts ordnungsgemäß unterschrieben worden.
Der Verhinderungsvermerk des Vorsitzenden benennt einen generell tragenden Verhinderungsgrund. Die Elternzeit ist geeignet, den mitwirkenden Richter an der Unterschrift zu hindern. Erwerbstätige Eltern, die ihr Kind selbst betreuen und erziehen, haben Anspruch auf Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (für niedersächsische Richterinnen und Richter vgl. § 2 Abs. 1 NRiG i.V.m. § 81 NBG i.V.m. § 6 MuSchEltZV). Dienstgeschäfte, zu denen auch die Unterzeichnung eines Strafurteils zählt (vgl. , NStZ 2011, 358; KK-Greger, StPO, 8. Aufl., § 275 Rn. 29), können dem Richter in der Elternzeit nicht abverlangt werden, denn ihre Inanspruchnahme hat eine Befreiung von der Dienst- bzw. Arbeitspflicht - ohne Fortzahlung der Bezüge - zur Folge (vgl. ErfK/Gallner, 19. Aufl., BEEG § 15 Rn. 10, 25). Die Elternzeit mit ihren intensiven Aufsichts- und Betreuungspflichten bei Kindern in den ersten Lebensjahren ist damit ein vorübergehender rechtlicher und tatsächlicher Hinderungsgrund und - ebenso wie genehmigter Erholungsurlaub (vgl. , StV 1998, 477, 478; MüKoStPO/Valerius, 1. Aufl., § 275 Rn. 30; BeckOK StPO/Peglau, § 275 Rn. 31) - generell geeignet, den Richter von der Unterschriftsleistung abzuhalten, zumal die Unterschrift regelmäßig das Lesen, unter Umständen das Überarbeiten und gegebenenfalls eine Fassungsberatung voraussetzt. Die theoretische Möglichkeit einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach § 15 Abs. 4 BEEG ändert daran nichts, zumal eine solche weder nach dem Vermerk des Vorsitzenden des Landgerichts ersichtlich ist, noch von der Revision behauptet wird.
Schäfer     
     Wimmer     
Hoch   
Richter am BundesgerichtshofDr. Anstötz befindet sichim Urlaub und ist deshalbgehindert zu unterschreiben.
Schäfer
Erbguth     

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:311019B3STR261.19.0

Fundstelle(n):
GAAAH-39189