Berufungseinlegungs- bzw. Berufungsbegründungsschriftsatz: Unterschrift des Prozessbevollmächtigten mit dem Zusatz "i.V." und eine weitere Unterschrift einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsfachangestellten ebenfalls mit dem Zusatz "i.V."
Leitsatz
Befindet sich unter einer Berufungsschrift oder einer Berufungsbegründungsschrift neben der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten mit dem Zusatz "i.V." eine weitere Unterschrift einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsfachangestellten ebenfalls mit dem Zusatz "i.V.", ist dies nicht dahin zu verstehen, der "i.V." zeichnende Rechtsanwalt habe entgegen § 84 Satz 2 ZPO gesetzwidrig als Gesamtvertreter mit der Rechtsanwaltsfachangestellten Berufung für die Partei einlegen oder diese Berufung begründen wollen (Fortführung von , juris Rn. 5).
Gesetze: § 84 S 2 ZPO, § 130 Nr 6 ZPO, § 519 Abs 4 ZPO, § 520 Abs 5 ZPO
Instanzenzug: Az: I-14 U 104/16vorgehend Az: 10 O 286/15
Tatbestand
1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um die Rechtsfolgen des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
2Die Parteien schlossen im März 2008 einen Darlehensvertrag über 249.000 € mit einem bis zum festen Nominalzinssatz von 4,15% p.a. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht.
3Im Mai 2011 trafen die Parteien eine "vorzeitige Konditionenneuvereinbarung mit Vertragsänderung", in der sie die Zinsbindung bis zum verlängerten und den Nominalzinssatz mit 3,93% p.a. festlegten. Unter dem widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
4Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Beklagten aus dem Darlehensvertrag nicht mehr als 179.537,14 € schuldeten, hilfsweise festzustellen, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen, hat das Landgericht den Hauptantrag betreffend als unbegründet abgewiesen. Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift haben ein Rechtsanwalt und eine Rechtsanwaltsfachangestellte jeweils mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet. Die Kläger haben in zweiter Instanz ihr Begehren (zuletzt) insoweit weiterverfolgt, als sie beantragt haben festzustellen, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag nicht mehr als 146.547,57 € zustünden, und die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag über einen Betrag von 164.934,48 € hinaus keine weiteren Ansprüche gegen die Kläger zustünden, und die Beklagte zur Freistellung der Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 € verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat auf die Verurteilung zur Freistellung beschränkt zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Zurückweisung der Berufung der Kläger auch insoweit begehrt. Mit ihrer Anschlussrevision wollen die Kläger festgestellt wissen, dass sie der Beklagten nur noch 146.547,57 € und nicht wie ausgeurteilt 164.934,48 € schulden.
Gründe
A. Revision der Beklagten
5Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
7Die Berufung der Kläger sei zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Zusatz "i.V." bei den Unterschriften unter der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift ändere daran nichts, weil hinreichend zum Ausdruck komme, dass der "i.V." unterzeichnende Rechtsanwalt die Alleinverantwortung für beide Schriftsätze habe übernehmen wollen. Die Klage sei auch sonst überwiegend begründet. Die Beklagte schulde den Klägern Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in tenorierter Höhe. Die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Verbraucherdarlehensvertrags sei eine Rechtspflicht, die die Beklagte mit der Folge ihrer Haftung verletzt habe. Das Verschulden der Beklagten werde insoweit vermutet.
II.
8Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
91. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Berufung der Kläger ausgegangen. Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift genügten den gesetzlichen Formvorgaben. Anders als der Zusatz "i.A." (dazu Senatsurteil vom - XI ZR 452/16, NJW 2018, 1689 Rn. 15 ff.) bringt der hier verwandte Zusatz "i.V." vor der Unterschrift eines postulationsfähigen Rechtsanwalts zum Ausdruck, der Rechtsanwalt wolle die Verantwortung für den von ihm unterzeichneten Schriftsatz übernehmen. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und nicht lediglich - wie bei der Hinzufügung des Zusatzes "i.A." - als Erklärungsbote tätig zu werden (Senatsbeschluss vom - XI ZB 3/17, juris Rn. 10 mwN). Da § 84 Satz 2 ZPO für die Prozessvollmacht eine nach außen wirksame Anordnung der Gesamtvertretung ausschließt (, juris Rn. 5; vgl. auch , NJW 2019, 2397 Rn. 20) und der "i.V." zeichnende Rechtsanwalt erkennbar als Prozessbevollmächtigter handelt, ist das Hinzufügen einer weiteren Unterschrift einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit dem Zusatz "i.V." unter einer Berufungsschrift und einer Berufungsbegründungsschrift nicht so zu verstehen, der postulationsfähige Rechtsanwalt habe gesetzwidrig als Gesamtvertreter mit der Rechtsanwaltsfachangestellten Berufung für die Kläger einlegen und diese Berufung begründen wollen.
102. Rechtsfehlerhaft ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei den Klägern nach Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen zur Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten verpflichtet. Ein solcher Anspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. , WM 2017, 906 Rn. 23 ff., 34 f., vom - XI ZR 523/15, juris Rn. 22, vom - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 27, vom - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 19, vom - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 16, vom - XI ZR 174/17, juris Rn. 18 und vom - XI ZR 119/18, juris Rn. 12). Gründe, die dem Senat Anlass geben könnten, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.
III.
11Im Umfang des Angriffs der Revision unterliegt das Berufungsurteil, das auch nicht aus anderen Gründen richtig ist (§ 561 ZPO), der Aufhebung (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst erkennen (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung der Kläger insoweit zurückweisen.
B. Anschlussrevision der Kläger
12Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 480/16, juris Rn. 20) Anschlussrevision der Kläger hat dagegen keinen Erfolg; sie ist zurückzuweisen.
I.
13Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision der Kläger von Bedeutung - ausgeführt:
14Die Kläger schuldeten auch für den auf die Widerrufserklärung folgenden Zeitraum bis zur endgültigen Rückführung des Darlehens die Leistung einer Nutzungsentschädigung.
II.
15Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
16Zutreffend hat das Berufungsgericht der Beklagten dem Grunde nach Wertersatz für Gebrauchsvorteile nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Widerrufs zugesprochen. Für die Gebrauchsvorteile, die der Darlehensgeber für den jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der vor dem Wirksamwerden des Widerrufs gewährten Darlehensvaluta beanspruchen kann, folgt der Anspruch auch für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden des Widerrufs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung in Verbindung mit § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB und nicht aus Bereicherungsrecht (Senatsurteil vom - XI ZR 9/17, WM 2019, 917 Rn. 18; Senatsbeschluss vom - XI ZR 362/17, WM 2019, 538 Rn. 6). Insoweit gilt im Ergebnis nichts anderes, als § 357a Abs. 3 BGB im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen für das geltende Recht bestimmt. Dass das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten der Höhe nach falsch berechnet habe, macht die Anschlussrevision nicht geltend.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240919UXIZR451.17.0
Fundstelle(n):
DB 2020 S. 726 Nr. 14
NJW 2020 S. 10 Nr. 3
NJW 2020 S. 618 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2020 S. 295
WM 2020 S. 124 Nr. 3
KAAAH-38933