BAG Urteil v. - 7 AZR 452/17

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung

Leitsatz

Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.

Gesetze: § 14 Abs 2 TzBfG

Instanzenzug: ArbG Neumünster Az: 1 Ca 358 b/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 4 Sa 221/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.

2Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom bis zum ein Arbeitsverhältnis. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrags vom war die Klägerin als Aushilfsangestellte zur Vertretung beim Arbeitsamt N eingestellt. Ihr war laut Verfügung vom eine Tätigkeit als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld zugewiesen. Nach dem im Jahre 1993 ausgestellten Zeugnis gehörten zu den Aufgaben der Klägerin die entscheidungsreife Bearbeitung von Kindergeldanträgen, einfacher Schriftverkehr insbesondere durch die Verwendung von Formblättern sowie die Erteilung von telefonischen Auskünften in Kindergeldangelegenheiten.

3Mit Wirkung zum stellte die Beklagte die Klägerin erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom zunächst befristet bis zum ein. Durch Änderungsvereinbarung vom wurde das Arbeitsverhältnis bis zum verlängert. Die Klägerin übte eine Tätigkeit als Telefonserviceberaterin im Servicecenter aus.

4Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung zum geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen ihrer Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.

5Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe einer Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung ca. 22 Jahre zurückgelegen habe. Auch sei die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des ersten Arbeitsverhältnisses sowohl inhaltlich als auch ihrer Art nach anders gewesen als im Rahmen des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses. Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung sei daher im vorliegenden Fall unzumutbar.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet.

9I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist bei gebotener Auslegung hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

101. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Streitgegenstand so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Parteien nicht zweifelhaft ist ( - Rn. 13 mwN). Bei einer Befristungskontrollklage sollte zwar das Datum der Befristungsabrede neben dem streitbefangenen Beendigungstermin im Klageantrag bezeichnet werden, um die notwendige Bestimmtheit eindeutig zu gewährleisten (vgl. KR/Bader 12. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 11; ErfK/Müller-Glöge 19. Aufl. TzBfG § 17 Rn. 15). Es genügt aber, wenn sich der Vertrag, der die angegriffene Befristung enthält, im Wege der Auslegung aus dem weiteren Klagevorbringen ergibt (vgl.  - Rn. 9 mwN).

112. Dies ist hier der Fall. Zwar begehrt die Klägerin mit dem Klageantrag die Feststellung, „dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom  /  nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des geendet hat“. Damit ist im Klageantrag sowohl der als auch der als Datum der Befristungsabrede genannt. Die Klägerin hat jedoch bereits in der Klageschrift vom unter Beifügung der entsprechenden Vertragsunterlagen dargestellt, dass die Parteien zunächst unter dem einen zum befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hatten und diese Befristung mit der Änderungsvereinbarung vom bis zum verlängert wurde. Daraus ergibt sich mit der erforderlichen Klarheit, dass die Klägerin die letzte, am vereinbarte Befristung angreifen will.

12II. Die Klage ist unbegründet. Die Befristung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wirksam.

131. Die Befristung zum gilt allerdings nicht schon nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat rechtzeitig iSd. § 17 Satz 1 TzBfG Befristungskontrollklage erhoben. Die Klageschrift wurde der Beklagten am zugestellt. Eine Klageerhebung noch vor dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses wahrt die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG (st. Rspr. vgl. nur  - Rn. 11 mwN).

142. Die Befristung ist jedoch nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Vorliegen eines Sachgrundes zulässig.

15a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

16b) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Voraussetzungen wurden mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von ca. einem Jahr und neun Monaten sowie der einmaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Parteien hätten wegen der Vorbeschäftigung der Klägerin in der Zeit vom bis zum gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG keine sachgrundlose Befristung vereinbaren können. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erfasst das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht ausnahmslos jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. Der Anwendungsbereich des Verbots ist vielmehr in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift einzuschränken in Fällen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre. Dies ist hier der Fall. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

17aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen der vom Senat im Jahr 2011 vertretenen Auffassung nicht verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl.  - Rn. 23 ff., BAGE 139, 213; ähnlich - Rn. 27, BAGE 137, 275: „verfassungsorientierte Auslegung“). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überschreitet die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte (, 1 BvR 1375/14 - BVerfGE 149, 126).

18bb) Allerdings verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 62 f., BVerfGE 149, 126).

19(1) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese Beeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und auch eine Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 53, BVerfGE 149, 126). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte der Arbeitsplatzsuchenden und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 55, aaO).

20(2) Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 62, BVerfGE 149, 126). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 63, aaO). So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu  - Rn. 2, BAGE 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 63 mwN, aaO).

21cc) Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor - wie hier - ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl.  - zu B der Gründe, BVerfGE 42, 258; - 2 BvR 1018/74 - zu B I 3 der Gründe, BVerfGE 40, 88;  - Rn. 22 mwN). Dementsprechend hat der Senat seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 zur zeitlichen Einschränkung des Verbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG inzwischen aufgegeben ( - Rn. 18; - 7 AZR 13/17 - Rn. 15; - 7 AZR 161/15 - Rn. 14; vgl. auch  - Rn. 24).

22dd) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall vor. Die Anwendung des Verbots wäre für die Parteien unzumutbar.

23(1) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, die Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, auszuschließen, sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls ( - Rn. 22 mwN; - 7 AZR 733/16 - Rn. 24 mwN).

24(2) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht zumutbar. Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung der Klägerin lag ihre Vorbeschäftigung fast 22 Jahre zurück. Nach einer solchen Zeitspanne ist es in der Regel geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt es zwar nicht, dass die Vorbeschäftigung lang zurückliegt, sie muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das ist jedoch bei einem Zeitraum von mehr als 22 Jahren regelmäßig anzunehmen, sofern nicht besondere Umstände dennoch eine Anwendung des Verbots erfordern. Bei einer solchen Zeitspanne besteht keine Gefahr der Kettenbefristung. Auch der vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten (vgl. , 1 BvR 1375/14 - Rn. 49, BVerfGE 149, 126;  - Rn. 26), ist nicht gefährdet.

25Bei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist zu beachten, dass die sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist ( - Rn. 26). Das bleibt gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach 22 Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen können. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung ca. 40 Jahre umfasst (vgl.  - Rn. 27, BAGE 147, 279), ist bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers mehr als ein halbes Berufsleben vergangen. Eine nochmalige - dritte - Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mit einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag nach Ablauf weiterer 22 Jahre kommt typischerweise nicht in Betracht, da der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat. Damit bleibt die sachgrundlose Befristung die Ausnahme. Dafür, dass ein Zeitraum von 22 Jahren als sehr lang im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen ist, spricht auch die ebenfalls den Bestandsschutz betreffende Regelung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB, nach der die längste Kündigungsfrist nach einer Dauer von 20 Jahren eingreift.

26Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall dennoch eine Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

27(3) Der Senat kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen Befristung entgegensteht. Zwar hat das - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - BVerfGE 149, 126) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen Befristung aufgestellt als der Senat in seinen im Jahr 2011 getroffenen Entscheidungen. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese Bewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der Senat diese Bewertung allerdings auch selbst vornehmen. Die Klägerin hat mit ihren Schriftsätzen vom und vom zu den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts Stellung genommen, die Beklagte mit Schriftsatz vom . Weiterer Tatsachenvortrag war daher nicht zu erwarten. Insbesondere bedurfte es keiner weiteren Feststellungen in Bezug auf das legitime Interesse der Klägerin an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das legitime Flexibilisierungsinteresse der Beklagten. Diese typischerweise bestehenden Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind nach dem Bundesverfassungsgericht der Anlass für die Prüfung der Unzumutbarkeit des Verbots (vgl. , 1 BvR 1375/14 - Rn. 62, aaO) und müssen nicht im Einzelfall gesondert festgestellt werden (teilw. aA wohl Lembke/Tegel NZA 2019, 1029, 1034). Einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedurfte es daher nicht.

28III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:210819.U.7AZR452.17.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 179 Nr. 4
BB 2020 S. 381 Nr. 7
BB 2020 S. 439 Nr. 8
DB 2019 S. 16 Nr. 35
DB 2020 S. 6 Nr. 3
DStR 2019 S. 10 Nr. 35
NJW 2020 S. 10 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2019 S. 2623
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2019 S. 804
ZIP 2019 S. 67 Nr. 35
ZIP 2020 S. 87 Nr. 2
HAAAH-38584