BAG Urteil v. - 7 AZR 629/15

WissZeitVG - Höchstbefristungsdauer - Anrechnung

Gesetze: § 2 Abs 1 S 1 WissZeitVG vom , § 1 Abs 1 S 1 WissZeitVG vom , § 2 Abs 3 S 3 WissZeitVG vom

Instanzenzug: Az: 5 Ca 1685/14 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 5 Sa 1119/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat.

2Der Kläger war bei der beklagten Universität in der Zeit vom bis zum aufgrund aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Noch während seines Studiums wurde er für die Zeit vom bis zum und vom bis zum als studentische Hilfskraft mit einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden befristet eingestellt. Im befristeten Arbeitsvertrag, den die Parteien für den Zeitraum vom bis vereinbarten, heißt es auszugsweise:

3Bei dem in § 1 Abs. 1 dieses Vertrags in Bezug genommenen „umseitigen“ Antrag handelt es sich um den von beiden Parteien unterzeichneten „Antrag auf Weiterbeschäftigung einer studentischen Hilfskraft“ vom , in dem ua. die persönlichen Daten des Klägers sowie die beabsichtigte Beschäftigungsdauer aufgeführt sind. Weiter heißt es in dem Weiterbeschäftigungsantrag vom auszugsweise:

4Während der Zeit seiner befristeten Beschäftigung als studentische Hilfskraft legte der Kläger am die Diplomprüfung im Studiengang Informatik und Mathematik ab. Vom 1. Juli bis zum war er als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17 Stunden und seit dem bis zum als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollzeit bei der Beklagten beschäftigt. Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom lautet auszugsweise:

5Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die im Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung sei unwirksam. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung könne nicht auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden WissZeitVG) gestützt werden. Das folge schon daraus, dass mit der letzten Befristung die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG vor der Promotion zulässige Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren überschritten worden sei. Die Zeit seiner Beschäftigung als studentische Hilfskraft sei nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG jedenfalls ab Studienabschluss am auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Zudem habe er im Rahmen der letzten Befristung nicht dem wissenschaftlichen Personal iSd. § 1 WissZeitVG angehört, da er nicht überwiegend wissenschaftlich tätig gewesen sei.

6Der Kläger hat beantragt,

7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, für den letzten Vertrag vom sei der personelle Geltungsbereich des WissZeitVG eröffnet. Die sechsjährige Höchstbefristungsdauer in der Promotionsphase nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG sei nicht überschritten, da die Zeit der Beschäftigung des Klägers als studentische Hilfskraft bis zum nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG nicht auf diese anzurechnen sei. Während der Beschäftigung als studentische Hilfskraft werde der vom Gesetz für die Anrechnung vorausgesetzten wissenschaftlichen Qualifizierung noch nicht nachgegangen. Der Kläger habe während seiner Tätigkeit als studentische Hilfskraft ausschließlich unselbständige Hilfstätigkeiten erbringen können. Zudem habe die Arbeitszeit des Klägers im Rahmen der Beschäftigung als studentische Hilfskraft nicht mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG betragen. Als regelmäßige Arbeitszeit sei nicht die Wochenarbeitszeit nach TV-L, sondern die nach Beamtenrecht regelmäßige Arbeitszeit von 41 Wochenstunden zu Grunde zu legen.

8Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

9Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

10I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit am geendet. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist unwirksam.

111. Die Befristung zum gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag zu 1. hat der Kläger rechtzeitig eine zulässige Befristungskontrollklage iSv. § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG in der bis zum geltenden Fassung (WissZeitVG) iVm. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG ( - Rn. 10 mwN, BAGE 155, 101; - 7 AZR 136/09 - Rn. 13 mwN, BAGE 134, 339).

122.  Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Befristung des Arbeitsvertrags nicht nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässig ist.

13a) Der zeitliche Geltungsbereich des WissZeitVG in der hier maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung ist eröffnet. Für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (vgl.  - Rn. 27, BAGE 153, 365; - 7 AZR 519/13 - Rn. 15; - 7 AZR 291/08 - Rn. 10, BAGE 132, 54). Das WissZeitVG ist mit dem „Gesetz zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft“ vom (BGBl. I S. 506) beschlossen worden und am in Kraft getreten. Die am vereinbarte Befristung unterfällt nicht einer der auf andere Rechtsgrundlagen verweisenden Übergangsregelungen nach § 6 WissZeitVG (vgl. hierzu  - Rn. 19, BAGE 139, 109; - 7 AZR 827/09 - Rn. 16 f., BAGE 138, 91).

14b) Auch der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. Gemäß § 2 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 HG NRW (idF vom , gültig bis ) ist die Beklagte eine Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen.

15c) Die vereinbarte Befristung genügt auch dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Arbeitsvertrag vom nimmt in § 1 auf § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG Bezug.

16d) Es kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger im Rahmen des letzten befristeten Arbeitsvertrags zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zählte und die Befristung grundsätzlich auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG gestützt werden kann. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die im Arbeitsvertrag vom für die Zeit vom bis zum vereinbarte Befristung jedenfalls deshalb unwirksam ist, weil mit dieser die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zulässige Höchstbefristungsdauer in der Promotionsphase überschritten wurde. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit nicht promoviertem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Diese Voraussetzung erfüllt die im Arbeitsvertrag vom zum vereinbarte Befristung nicht. Der Kläger stand bis zum insgesamt sechs Jahre und 27 Tage in auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnenden Arbeitsverhältnissen.

17aa) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG sind auf die in § 2 Abs. 1 WissZeitVG geregelte zulässige Befristungsdauer alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung iSd. § 5 WissZeitVG abgeschlossen wurden, sowie entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit und Privatdienstverträge nach § 3 WissZeitVG anzurechnen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 WissZeitVG werden auch befristete Arbeitsverhältnisse angerechnet, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen werden. Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die vor dem Abschluss des Studiums liegen, sind jedoch nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer nicht anzurechnen.

18bb) Danach stand der Kläger in der Zeit vom bis zum und damit sechs Jahre und 27 Tage in Arbeitsverhältnissen, die auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen sind. Der Kläger war in der Zeit vom bis zum als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17 Stunden und in der Zeit vom bis zum als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollzeit bei der Beklagten beschäftigt. Dieser Zeitraum von sechs Jahren der Beschäftigung mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit ist unstreitig auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch der vorherige Zeitraum vom bis zum , in dem der Kläger nach Abschluss seines Studiums bereits in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als studentische Hilfskraft stand, nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt.

19(1) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger in der Zeit vom 4. Juni bis zum mit „mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit“ (§ 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG) in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand. Die Frage, ob die Anrechnungsbestimmung in § 2 Abs. 3 WissZeitVG unwirksam ist, soweit diese befristete Arbeitsverträge mit einer Arbeitszeitverpflichtung von bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit von der Anrechnung ausnimmt (vgl. dazu nur ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 14; Preis/Ulber WissZeitVG 2. Aufl. § 2 Rn. 139), bedarf deshalb keiner Entscheidung (offengelassen bereits von  - Rn. 23).

20(a) Die nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG maßgebliche regelmäßige Arbeitszeit bestimmt sich nach den zur Zeit des zu beurteilenden Arbeitsverhältnisses für Arbeitnehmer bzw. bei Anrechnung der Zeit eines Beamtenverhältnisses nach den für Beamte geltenden Regelungen zur Vollzeit (vgl. ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 14; APS/Schmidt 5. Aufl. WZVG § 2 Rn. 48). Da die Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 4. Juni bis zum im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgte, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf die bei der Beklagten im Juni 2008 für Angestellte des öffentlichen Dienstes anwendbaren Regelungen des TV-L abzustellen. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Angestellten des öffentlichen Dienstes betrug nach den Regelungen des TV-L im Juni 2008 für das Bundesland Nordrhein-Westfalen 39 Stunden und 50 Minuten. Die mit dem Kläger in diesem Zeitraum vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden beläuft sich auf mehr als ein Viertel hiervon.

21(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist im vorliegenden Fall für die Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht auf die für Beamte geltenden Regelungen abzuheben. Der Kläger stand nicht in einem Beamtenverhältnis. Die Zugrundelegung der regelmäßigen Arbeitszeit der Beamten käme allenfalls in Betracht, wenn für die Beschäftigtengruppe der studentischen Hilfskräfte eine Anwendung der entsprechenden beamtenrechtlichen Regelungen vorgegeben wäre. Das ist nicht zu erkennen und wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Das Landesarbeitsgericht war mithin - anders als die Revision meint - auch nicht gehalten, eine anderweitige „betriebsübliche“ Arbeitszeit unter Einbeziehung der Arbeitszeit der Beamten zu ermitteln.

22(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Zeit nach Abschluss des Studiums des Klägers auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer anzurechnen ist. Einer Anrechnung dieser Zeit ab dem steht § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG nicht entgegen.

23(a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger mit dem Erreichen des Diplomgrades am sein Studium abgeschlossen hat. Die Diplomprüfung stellt nach der einschlägigen Diplomprüfungsordnung der Beklagten den berufsqualifizierenden Abschluss des Diplomstudiums dar.

24(b) Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG sind nur Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die vor dem Abschluss des Studiums liegen, nicht auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer anzurechnen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung können auch Beschäftigungszeiten, die im Rahmen eines während des Studiums begründeten befristeten Arbeitsverhältnisses als studentische Hilfskraft erbracht werden, ab dem Zeitpunkt des Studienabschlusses der Anrechnung auf die Höchstbefristungsdauer unterliegen. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Nichtanrechnungsbestimmung in § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG. Mit dem erst im Gesetzgebungsverfahren in § 2 Abs. 3 WissZeitVG integrierten Satz 3 wurde der Sondertatbestand des § 57e HRG idF des Fünften HRG-Änderungsgesetzes ersetzt. Diese Bestimmung sah die Nichtanrechnung von Zeiten der Beschäftigung als studentische Hilfskraft vor und begrenzte die Befristung entsprechender Arbeitsverhältnisse zugleich auf eine Dauer von vier Jahren. Nachdem der Begriff der studentischen Hilfskraft während des Gesetzgebungsverfahrens zum WissZeitVG dem einheitlichen Begriff des „wissenschaftlichen Personals“ in § 1 Abs. 1 WissZeitVG zugeordnet wurde (vgl. BT-Drs. 16/4043 S. 9) und die eigenständige Befristungshöchstgrenze für studentische Hilfskräfte entfiel, schuf der Gesetzgeber die Nichtanrechnungsvorschrift in Satz 3, um die Anrechnung von während des Studiums erbrachten Beschäftigungszeiten auf die Höchstbefristungsdauer in der Promotionsphase zu verhindern (vgl. Preis WissZeitVG 1. Aufl. [2008] § 2 Rn. 106; Krause in Geis Hochschulrecht in Bund und Ländern Stand September 2017 WissZeitVG § 2 Rn. 94). Während § 57e Satz 2 HRG aF noch vorsah, dass die Beschäftigung als studentische Hilfskraft nicht auf die zulässige Befristungsdauer anzurechnen ist, bleiben nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG Zeiten eines Arbeitsverhältnisses vor Studienabschluss für die Anrechnung außer Betracht. Das macht andererseits deutlich, dass nach Studienabschluss liegende Zeiten eines Arbeitsverhältnisses als studentische Hilfskraft anzurechnen sein können.

25(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG auch nicht dahin auszulegen, dass nach Studienabschluss liegende Beschäftigungszeiten, die im Rahmen eines vor Studienabschluss begründeten befristeten Arbeitsverhältnisses erbracht wurden, von der Anrechnung auf die Höchstbefristungsdauer des § 2 Abs. 1 WissZeitVG auszunehmen sind.

26(aa) Einem solchen Verständnis steht der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG entgegen. Danach sind „Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses“, die vor dem Studienabschluss liegen, nicht auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Die Regelung unterscheidet zwischen nicht anzurechnenden Zeiten vor und anzurechnenden Zeiten nach Studienabschluss im Rahmen eines (ggf. auch bereits begründeten) befristeten Arbeitsverhältnisses.

27(bb) Eine Beschränkung der Anrechnung auf Beschäftigungszeiten in Arbeitsverhältnissen, die nach Studienabschluss begründet wurden, ist auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht geboten. Die Nichtanrechnung von Zeiten vor Studienabschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass Zeiten während des Studiums regelmäßig nicht in gleicher Intensität für die wissenschaftliche Qualifikation genutzt werden können wie Zeiten nach dem Ende des Studiums (vgl. Krause in Geis Hochschulrecht in Bund und Ländern Stand September 2017 WissZeitVG § 2 Rn. 94; APS/Schmidt 4. Aufl. [2012] § 2 WZVG Rn. 41). Die Eignung von Beschäftigungszeiten für die wissenschaftliche Qualifikation ist aber vom Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses unabhängig. Auch in einem bereits vor Studienabschluss begründeten Arbeitsverhältnis ist der Zeitraum nach erfolgreichem Studienabschluss der wissenschaftlichen Qualifizierung förderlicher als der davor liegende Zeitraum. Nach Studienabschluss kann unmittelbar mit der Promotion oder diese vorbereitenden Tätigkeiten wie etwa der Themenfindung begonnen werden.

28(3) Die vom Kläger in der Zeit seiner Beschäftigung als studentische Hilfskraft (auch nach Studienabschluss) geschuldete Tätigkeit konnte zur wissenschaftlichen Qualifikation genutzt werden. Sie erfüllt damit die Anforderungen, die an den Tätigkeitsinhalt für die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG zu stellen sind.

29(a) Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 WissZeitVG sind zwar Zeiten der in § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG genannten befristeten Beschäftigungsverhältnisse unabhängig davon auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen, ob und in welchem Ausmaß sie wissenschaftlichen Zuschnitt haben oder nicht. Die Regelung erfasst nach ihrem Wortsinn alle Beschäftigungszeiten nach Studienabschluss mit mehr als einem Viertel der Arbeitszeit unabhängig von dem Gegenstand der Tätigkeit.

30(b) Die Anwendung der Anrechnungsnorm in § 2 Abs. 3 WissZeitVG ist jedoch im Wege einer teleologischen Reduktion auf Zeiten solcher befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu beschränken, die zur wissenschaftlichen Qualifikation genutzt werden können. Andere Beschäftigungen an Hochschulen wie etwa reine Verwaltungstätigkeiten unterliegen deshalb nicht der Anrechnung (vgl. APS/Schmidt 5. Aufl. WZVG § 2 Rn. 48; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 13b; Krause in Geis Hochschulrecht in Bund und Ländern Stand September 2017 WissZeitVG § 2 Rn. 88; Preis/Ulber WissZeitVG 2. Aufl. § 2 Rn. 129; KR/Treber 11. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 62).

31(aa) Die teleologische Reduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die nach ihrem Wortlaut anzuwendende Vorschrift hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für gleichwohl unanwendbar hält, weil Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Zusammenhang der einschlägigen Regelung gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (vgl.  - Rn. 34, BAGE 153, 102; - 6 AZR 190/12 - Rn. 33, BAGE 147, 60). Sie setzt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, das heißt der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (vgl.  - Rn. 20; - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212).

32(bb) Nur durch eine teleologische Reduktion wird die ihrem Wortlaut nach zu weitgehende Anrechnungsbestimmung des § 2 Abs. 3 WissZeitVG ihrem Sinn und Zweck gerecht. Dieser besteht darin, eine funktionswidrige Verwendung des Sonderbefristungsrechts des WissZeitVG im Interesse der Innovationsfähigkeit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer vor einer durch das Ziel der wissenschaftlichen Qualifizierung nicht mehr getragenen Befristung zu vermeiden ( - Rn. 32, BAGE 154, 375). Die Anrechnungsregelung zielt einerseits darauf ab, die Qualifikationsphase zeitlich zu begrenzen, um das Ziel einer zügigen wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Qualifizierung zu sichern (vgl. BT-Drs. 16/3438 S. 15). Andererseits sollen durch die Anrechnungsregelung nicht sonstige Beschäftigungen an der Hochschule oder Forschungseinrichtung erfasst werden, die nicht zur wissenschaftlichen Qualifikation genutzt werden können (vgl. Krause in Geis Hochschulrecht in Bund und Ländern Stand September 2017 WissZeitVG § 2 Rn. 88). Diesem Gesetzeszweck entspricht es auch, dass Arbeitsverhältnisse von bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit von der Anrechnung auf die Höchstbefristungsdauer ausgenommen wurden, weil diese realistischerweise nicht zur wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung genutzt werden können (BT-Drs. 14/6853 S. 30). Derartige Tätigkeiten können daher nicht die Möglichkeit des Arbeitnehmers beschränken, die jeweilige Qualifikationsphase in vollem Umfang auszunutzen.

33(c) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, dass die Tätigkeit des Klägers als studentische Hilfskraft der Anrechnung der Zeit vom 4. Juni bis zum auf die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG nicht entgegensteht, weil er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zur wissenschaftlichen Qualifikation nutzen konnte.

34(aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe bereits im Rahmen seiner Beschäftigung als studentische Hilfskraft mit dem System OPEDo gearbeitet, das Gegenstand seines Promotionsvorhabens und seiner späteren Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft gewesen sei. Das ergebe sich auch aus dem E-Mail-Verkehr zwischen ihm und Mitarbeitern der Beklagten aus Mai 2008. Bei dem OPEDo-Tool handele es sich um eine am Lehrstuhl entwickelte Software. Es sei notwendig gewesen, sich in die Software und seine Architektur zunächst einzuarbeiten, um diese später zu bearbeiten oder zu erweitern. Gegen diese für den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen hat die Beklagte keinen begründeten Revisionsangriff erhoben. Soweit sie ausführt, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, liegt darin keine zulässige Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

35(bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei dem Vortrag des Klägers, er habe bereits im Rahmen seiner Beschäftigung als studentische Hilfskraft mit dem System OPEDo gearbeitet, nicht hinreichend entgegengetreten. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Entgegen der Auffassung der Beklagten oblag es nicht dem Kläger, die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Zeit vom 4. Juni bis zum auf die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG darzulegen und zu beweisen. Für die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung ist vielmehr der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig (vgl.  - Rn. 42). Zu diesen Voraussetzungen zählt auch die Einhaltung der Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG und damit die Frage, ob eine frühere Beschäftigung zur wissenschaftlichen Qualifizierung genutzt werden konnte und daher auf diese anzurechnen ist. Diesen Anforderungen genügt das pauschale Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe lediglich Messungen vorgenommen, die Daten für Vorlesungen liefern sollten, nicht, weil sie auf den konkreten Vortrag des Klägers zu seinen tatsächlichen Tätigkeiten nicht ausreichend eingeht.

36(cc) Es lässt keine Rechtsfehler erkennen, dass das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage dieser Feststellungen zu der Würdigung gelangt ist, die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom bis zum habe zu seiner wissenschaftlichen Qualifizierung genutzt werden können. Dafür spricht bereits, dass das System OPEDo dem Promotionsvorhaben des Klägers und seiner späteren Tätigkeit zu Grunde lag. Die notwendige Einarbeitung in diese Software war somit der wissenschaftlichen Qualifizierung des Klägers dienlich. Der Kläger war nicht lediglich mit Verwaltungstätigkeiten befasst. Zudem konnte die Beklagte eine wissenschaftliche Qualifizierung des Klägers in der Zeit bis zum bereits aufgrund des Arbeitsvertrags von ihm erwarten. In dem beiderseits unterzeichneten Weiterbeschäftigungsantrag vom gehen beide Parteien davon aus, dass die Tätigkeiten des Klägers „der Weiterbildung als wissenschaftlicher Nachwuchs dienen“ und die vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten eine „wissenschaftliche Dienstleistung“ darstellen. Dieser Weiterbeschäftigungsantrag ist in § 1 Abs. 1 des der Beschäftigung des Klägers als studentische Hilfskraft vom bis zum zu Grunde liegenden Arbeitsvertrags in Bezug genommen worden. Nach den vom Kläger arbeitsvertraglich zu erwartenden Aufgaben bestand mithin die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Qualifizierung.

373. Die Befristung im Arbeitsvertrag vom kann nicht mit Erfolg auf § 14 TzBfG gestützt werden. Bei Abschluss dieses Vertrags war die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung festgelegte zweijährige Höchstbefristungsdauer überschritten. Aufgrund des Vortrags der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass die Befristung durch einen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt sein könnte.

38II. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an. Dieser Antrag ist auf vorläufige Weiterbeschäftigung „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens“ gestellt. Die Entscheidung des Senats über die Befristungskontrollklage wird mit der Verkündung rechtskräftig.

39III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:270917.U.7AZR629.15.0

Fundstelle(n):
BB 2018 S. 307 Nr. 6
MAAAG-70151