IWB Nr. 23 vom Seite 1

Rechtsstaat, Umsetzungsfristen und Meldepflichten

Prof. Dr. Adrian Cloer | Mitglied des IWB-Fachbeirates

„Deutschland ist ein Rechtsstaat“ liest der [i]Die Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen kommt spät, aber mit Macht geneigte Steuerpflichtige auf vielen Plakaten, wenn er durch das Land zieht. Man mag sich in den letzten Wochen fragen, ob dies auch uneingeschränkt im Steuerrecht im Hinblick auf die Umsetzung von Richtlinien gilt. Sowohl bei ATAD 1 als auch bei der Streitbeilegungs-Richtlinie sind die Fristen bereits verstrichen ( bzw. ). Bei wohlwollender Betrachtung ließe sich der Standpunkt einnehmen, ATAD 1 sei bereits weitreichend umgesetzt und bei der Streitbeilegungs-Richtlinie stehe die Verkündung bevor. Zufriedenstellend ist dies nicht, wie das Beispiel der sog. DAC6 (Richtlinie (EU) 2018/822) zeigt. Selbst wenn die Umsetzungsfrist bis zum Jahresende noch eingehalten wird, bedarf es sorgfältiger Vorbereitung sowohl auf Ebene der Steuerpflichtigen als auch ihrer Berater. Denn auch Letzterer wird als sog. Intermediär erfasst. Die bloße Analyse der Richtlinie ist zwar hilfreich, gibt aber nur bedingt über die konkrete Umsetzung in innerstaatliches Recht Auskunft, denn ob das Gesetz sich eng am Wortlaut orientiert oder überschießend umgesetzt wird, klärt sich erst auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens.

Die Mitteilungspflicht von Steuergestaltungen führt zwar bei einigen Beratern zu neuen Tätigkeitsfeldern durch die Implementierung von Überwachungssystemen, ist aber im Allgemeinen unbeliebt: Denn fachliche Expertise wird nun gezielt mit der Finanzverwaltung geteilt. Ob sich hierdurch nun wirklich etwas tut, bleibt abzuwarten, aber in der breiten Öffentlichkeit entsteht zumindest der entsprechende Eindruck.

[i]Abschreckendes Bußgeld für jeden einzelnen VerstoßDie Missachtung der Meldepflicht kann zu einem Bußgeld von bis zu 25.000 € führen. Dies kann im Einzelfall eine spürbare Sanktion sein. Ob es allerdings auch „abschreckend“ wirkt – so wie es die Richtlinie verlangt – ist zumindest fraglich. Polen setzt beispielsweise ein Bußgeld von bis zu umgerechnet ca. 4,6 Mio. € an. Berücksichtigt man die rückwirkende Erstreckung auf Steuergestaltungen, die nach dem umgesetzt wurden, mit einer Nachmeldepflicht zum erkennt man die Tragweite dieses Gesetzes.

[i]Sehr grundsätzliche Fragen bleiben zu klären – auch zum Europäischen SteuerrechtRechtsstaatlichkeit beinhaltet im Kern auch, die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes überprüfen zu können. Verfassungs- und europarechtliche Zweifel sind im Schrifttum an verschiedener Stelle geäußert worden, und mögliche Gerichtsverfahren eröffnen den Weg, die Vereinbarkeit mit EU-Primärrecht (Rechtsgrundlage, Grundfreiheiten und Grundrechte) durch Anstrengung eines Vorlageverfahrens überprüfen zu lassen. Es ist die Aufgabe des Steuerberaters als Organ der Steuerrechtspflege, auch hier seinen Beitrag zu leisten, damit der Rechtsstaat seine Strahlkraft behält.

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Adrian Cloer

Fundstelle(n):
IWB 23 / 2019 Seite 1
FAAAH-37312