SteuerStud Nr. 2 vom Seite 81

Verachtet mir die Zinsfüß' nicht!

Prof. Dr. Franz Jürgen Marx | Herausgeber | steuerstud-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

das ist der Titel eines eindrucksvollen Vortrags, den Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Rose anlässlich des Fachkongresses der Steuerberater 1973 in Köln gehalten hat. Es wird die Vielfalt der Konstellationen aufgezeigt, in denen Zinsen und Zinsfüße für die Besteuerung von Bedeutung sind (vgl. StbJb 1973/74, S. 301 ff.). Trotz andauernder Niedrigzinsphase und Negativzinsen (Verwahrentgelte) ist das Thema auch heute von brennender steuerrechtlicher Aktualität. Finanzmathematische Kenntnisse sind im Steuerrecht vonnöten, um Barwerte, Endwerte, Renten und Effektivzinsen zu berechnen.

Zinsen spielen im Steuerrecht als (Betriebs-)Einnahmen, (Betriebs-)Ausgaben, Diskontierungsfaktoren und als steuerliche Nebenleistungen eine gewichtige Rolle. Auch bei der Bewertung sind Zinsen zu berücksichtigen. Im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens legt § 203 Abs. 1 BewG einen Satz von 13,75 fest, der auf einem Zinssatz von 7,27 % beruht. Eine gewisse Flexibilisierung sieht § 203 Abs. 2 BewG vor, denn hier wird das BMF ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Kapitalisierungsfaktor an die Entwicklung der Zinsstrukturdaten anzupassen. Andere Steuerrechtsnormen sehen bislang starre, realitätsferne Zinssätze vor. Doch jetzt kommt über die Rechtsprechung Bewegung in die Materie:

Mit Beschluss v.  hat das FG Köln dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Diskontierung nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als zur Ermittlung der Pensionsrückstellung ein Rechnungszinsfuß von 6 % anzusetzen ist (vgl. , NWB NAAAG-67956). Der aktuelle Rechnungszinsfuß nach HGB liegt demgegenüber bei 2,71 %. Im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen zudem nach Ansicht des FG Hamburg ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Streitjahre ab 2013 (, NWB GAAAH-07725). Ebenfalls in einem AdV-Verfahren äußert der IX. Senat des BFH ernstliche Zweifel an der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelte Höhe von Nachzahlungszinsen von 0,5 % für jeden vollen Monat für Verzinsungszeiträume ab 2015 (, BStBl 2018 II S. 415, NWB RAAAG-83530).

Schließlich spielen Zinsen auch i. R. der Steuerplanung bei der Bestimmung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsvorhaben eine maßgebende Rolle. Dabei kommt i. R. dynamischer Verfahren ein Kalkulationszinsfuß zum Ansatz, der sich aus einem risikolosen Zins und einer Marktrisikoprämie zusammensetzt. Die derzeitigen und wohl auf lange Sicht sehr niedrigen Anlagezinsen und Negativzinsen dürfen nicht dazu verleiten, den Kalkulationszinsfuß zu niedrig festzulegen. Gleiches gilt für die Verzinsung von Bildungsinvestitionen: Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen (Benjamin Franklin, 1706?1790).

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre mit vielen Anregungen für Studium, Prüfungsvorbereitung und Beruf!

Herzliche Grüße

Ihr

Franz Jürgen Marx

Fundstelle(n):
SteuerStud 2/2020 Seite 81
HAAAH-36147