Kindergeld | Kindergeldanspruch bei Studium nach Ausbildung und voller Erwerbstätigkeit (FG)
Für ein Kind, das nach seiner
Ausbildung ein Studium beginnt, kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn
Studium und Ausbildung in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang
stehen. Eine neben dem Studium bestehende Erwerbstätigkeit ist unschädlich
(, Rev.
).
Hintergrund: Kindergeld für Kinder in Berufsausbildung
Für ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Dies gilt nur, wenn das Kind nicht bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Auch ein Studium kann derart mit einer Berufsausbildung verwoben sein, dass von einer einheitlichen Erstausbildung auszugehen ist.
Der BFH hat seine Rechtsprechungsgrundsätze zur mehraktigen Ausbildung weiterentwickelt und grenzt nunmehr die mehraktige Ausbildung von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) ab. Dies betrifft in erster Linie die Fälle, in denen Auszubildende von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden und sich anschließend berufsbegleitend fortbilden oder nebenberuflich studieren. Weiterführende Informationen finden Sie bei Hillmoth im EStG Kommentar Online, Rn. 173.
Sachverhalt: Der am geborene Sohn S der Klägerin absolvierte von September 2011 bis zum eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Nach dem Ausbildungsabschluss beschäftigte ihn sein Arbeitgeber im Rahmen einer Vollzeittätigkeit weiter. Bereits während der Ausbildung wurden mehrere Gespräche mit dem Arbeitgeber über Studienmöglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung geführt. Eine interne Bewerbung für eine Stelle im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums reichte S gegen Ende seiner Ausbildung bei seinem Arbeitgeber ein.
Am (Unterschrift am ) schloss S mit seinem Arbeitgeber einen Studienvertrag zur Aufnahme eines Hochschulstudiums (FH). Seit dem ist S an der FH immatrikuliert und absolviert ein berufsbegleitendes Studium International Management with Engineering (Abschlussziel Bachelor of Arts). Dieses Studium ist kein Präsenzstudium, sondern ein Studium neben dem Beruf oder der Berufsausbildung mit Veranstaltungen an Samstagen. Der war der frühestmögliche Immatrikulationszeitpunkt für diesen Studiengang.
In 2017 beantragte die Klägerin Kindergeld für S bis zum . Die Beklagte lehnte den Antrag ab Februar 2015 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage.
Das FG gibt der Klage teilweise statt:
S befand sich für den Zeitraum September 2015 bis April 2018 in Berufsausbildung, weil das Studium ihm die erforderlichen Kenntnisse zur Erreichung des von ihm angestrebten Bachelorabschlusses vermittelt. Das Studium stellt somit eine Berufsausbildung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG dar.
Die Ausbildung und das anschließende Studium des S sind eine einheitliche Erstausbildung. Denn der Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung ist nicht zwingend bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss zu bejahen. Vielmehr kommt es auf das angestrebte Berufsziel des Kindes an (vgl. ; v. - und v. - ; ).
Für die einheitliche mehraktige Berufsausbildung kommt es darauf an, dass der erste Abschluss als integrativer Bestandteil des einheitlichen Ausbildungsgangs zu verstehen ist. Dies ist der Fall, wenn beide Ausbildungsabschnitte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
Im Streitfall stehen Ausbildung und Bachelorstudium in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, da das Studium inhaltlich auf der Ausbildung aufbaut und S sich frühestmöglich nach seiner Ausbildung für das Studium immatrikuliert hat. Dafür spricht auch, dass S bereits während der Ausbildung mehrere Gespräche mit seinem Arbeitgeber über Studienmöglichkeiten geführt hat.
Auf den Umfang der Erwerbstätigkeit kommt es aufgrund der einheitlichen Berufsausbildung nicht an.
Die (allein) praktische Tätigkeit von Mai bis September 2015 ist unschädlich, weil sie der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn des Studiums diente.
Für die Zeit vor Mai 2015 (also vor der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über das Studium) besteht kein Anspruch auf Kindergeld, weil S sich nicht in einer Berufsausbildung befand. Etwas anderes gilt für den Zeitraum von Mai bis August 2015, weil S seine Berufsausbildung aufgrund des Semesterbeginns im September nicht früher beginnen konnte (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG).
Im Ergebnis hat die Klägerin für den Zeitraum Februar bis April 2015 keinen Anspruch auf Kindergeld (Übergangszeit). Ab Mai 2015 besteht dann wieder ein Anspruch auf Kindergeld (Studium bzw. warten auf Studienplatz).
Hinweis:
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BHF III R 30/19).
Beim BFH sind derzeit mehrere Revisionsverfahren zu der Frage anhängig, ob eine während des zweiten Ausbildungsabschnitts parallel ausgeübte Erwerbstätigkeit eine schädliche Zäsur bildet, die eine Erstausbildung entfallen lässt.
Hinsichtlich der Frage, ob eine einheitliche mehraktige Berufsausbildung vorliegt, ergingen zuletzt auch beim FG Münster mehrere Entscheidungen, die aktuell beim BFH anhängig sind:
, Rev. (Industriekauffrau und Fachhochschulstudium Betriebswirtschaft),
, Rev. (Versicherungskaufmann und Fachhochschulstudium Betriebswirtschaft),
, Rev. (Industriemechaniker und Fachhochschulstudium Maschinenbau).
Sämtliche Urteile sind auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.
Quelle: (ImA)
Fundstelle(n):
DAAAH-36024