Online-Nachricht - Dienstag, 01.10.2019

Körperschaftsteuer | Keine voraussetzungslose "Organschaft über die Grenze" (FG)

Die Verrechnung von sog. finalen Verlusten einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft mit Gewinnen der im Inland ansässigen Muttergesellschaft ("Organschaft über die Grenze") setzt eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaften voraus, die jedenfalls eine Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft für den Fall der Verlustentstehung der Tochtergesellschaft beinhalten muss (; Revision anhängig, BFH-Az. I R 26/19).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob in Frankreich entstandene Verluste einer französischen Tochtergesellschaft der Klägerin bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin für Zwecke der Körperschaft- und der Gewerbesteuer zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Berücksichtigung der Verluste der französischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft sei europarechtlich geboten.

Wie sich aus einer Reihe von EuGH-Entscheidungen ergebe, sei die Berücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft - auch um dem Gesichtspunkt einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen - immer dann geboten, wenn - wie hier - feststehe, dass die Tochtergesellschaft die von ihr erwirtschafteten Verluste weder in der Vergangenheit habe steuerlich nutzen können, noch in der Zukunft dazu in der Lage sein werde, die Verluste also in diesem Sinne "final" seien. Die §§ 14 ff. KStG seien daher in der Weise 6 geltungserhaltend zu reduzieren, dass auf den normierten doppelten Inlandsbezug und auf das GAV-Erfordernis vollständig verzichtet werde. Ausreichend sei es, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft eine "Organschaft auf faktischer Grundlage gelebt" hätten. Das FG folgte dem nicht.

Hierzu führten die Richter u.a. weiter aus:

  • Der EuGH-Rechtsprechung lässt sich keineswegs ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, quasi übergeordnetes allgemeines Gebot zur Ermöglichung EU-grenzüberschreitender Verlustverrechnungen entnehmen (so auch ).

  • Die Anerkennung einer grenzüberschreitenden Verrechnung (finaler) Verluste kann, muss aber nicht das Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion nationaler Bestimmungen zur interpersonalen Ergebnisverrechnung sein, die die Niederlassungsfreiheit beschränken.

  • Ausgehend davon kommt die seitens der Klägerin begehrte Verlustverrechnung im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

  • Aus dem Umstand, dass der GAV über eine essentielle Bedeutung für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses verfügt, folgt, dass an dem GAV-Erfordernis auch im Rahmen einer geltungserhaltenden Reduktion der §§ 14 ff. KStG so weit als möglich festzuhalten ist.

  • Denn ein vollständiges Absehen von diesem Erfordernis entzieht der Organschaft einen Kernbestandteil. Als Mindestvoraussetzung auch für einen Verlustabzug "über die Grenze" ist daher eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den beteiligten Tochter- und Muttergesellschaften zu fordern, die jedenfalls die Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft, beinhalten muss.

  • Anders als der Abschluss eines formalen GAV ist der Abschluss einer solchen schuldrechtlichen Vereinbarung auch der Klägerin und ihrer Tochter möglich gewesen. Da sie das nicht getan haben, kommt eine Verlustverrechnung nicht in Betracht.

Hinweis:

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt, das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. I R 26/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter III/2019 (il)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-31596