SteuerStud Nr. 12 vom Seite 757

Steuerpolitische Halbzeit-Bilanz der Großen Koalition

Prof. Dr. Johanna Hey | Herausgeberin | steuerstud-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

ob die Große Koalition bis zum Ende dieser Legislaturperiode durchhalten wird, entscheidet sich nicht im Steuerrecht. Würde man sie aber am Erfolg ihrer steuerpolitischen Vorhaben und Aufgaben messen, ergäbe sich ein disparates Bild:

Handlungsfähigkeit hat man in Sachen Grundsteuerreform bewiesen. Die von der CSU zur Bedingung der Zustimmung im Bundesrat gemachte Öffnungsklausel wurde qua Grundgesetzänderung in Art. 72 Abs. 3 GG verankert. Zukünftig können die Länder autonom über die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer entscheiden. Die Öffnungsklausel hat den Druck aus der Entscheidung zwischen wert- und flächenorientierter Grundsteuer genommen. Zur Einigungsbereitschaft beigetragen haben dürfte die vom BVerfG gesetzte Frist zum .

Der Druck der Straße hat zum Klimapaket geführt, was sich im Steuerrecht in allerlei kleinteiligen Maßnahmen niederschlägt: halber Umsatzsteuersteuersatz auf Bahnfahrkarten, Anhebung der Luftverkehrsteuer, steuerliche Förderung der energetischen Sanierung, aber paradoxerweise auch eine Erhöhung der Entfernungspauschale (BT-Drucks. 19/14338 und 19/14339). Von einem konsequenten Ansatz oder gar einem „großen Wurf“ ist das weit entfernt; vielmehr gewinnt man hier den Eindruck, es habe Handlungsfähigkeit simuliert werden sollen.

Eher kleines Karo ist mit einem Förderhöchstbetrag von 500.000 € p. a. auch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Auf mehr konnte man sich nicht einigen, und selbst so ist es nach wie vor eine Hängepartie.

Wo externer Druck fehlt, herrscht Stillstand. Das muss wie im Fall der Grunderwerbsteuer nicht von Schaden sein, weil damit manche nicht durchdachte Maßnahme unterbleibt. Die Verschärfung der Ersatztatbestände (BT-Drucks. 19/13437) ist einerseits ungeeignet RETT-Blockergestaltungen von Immobilienkonzernen wirksam zu verhindern, hätte aber andererseits, insbesondere durch die Erstreckung auf Kapitalgesellschaften, in großem Stil nicht missbräuchliche Fälle miterfasst.

Vielleicht ist es daher auch gut, dass die zur Umsetzung der Anti Tax Avoidance-Richtlinie seit dem überfällige Reform des Außensteuergesetzes bisher keine Konturen annimmt. Hier bedarf es einer grundlegenden Reform, zu der aktuell keine Bereitschaft besteht.

Besorgniserregend ist dagegen, dass die Große Koalition bei der notwendigen Reaktion auf den internationalen Steuerwettbewerb und der Frage nach einer Senkung der Steuerlast auf Unternehmensgewinne komplett festgefahren ist. Mit Aussitzen lässt sich dieses Problem nicht lösen.

Ein taugliches Konzept fehlt ferner für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, obwohl auch hier die Zeit drängt, denn der Zuschlag wächst spätestens 2020 in die Verfassungswidrigkeit hinein.

Zum Jahresende kann man sich daher nur wünschen, dass in 2020 so mancher steuerpolitische Knoten doch noch platzt. Ihnen wünsche ich frohe Weihnachten und alles Gute für das Jahr 2020!

Herzliche Grüße
Ihre

Johanna Hey

Fundstelle(n):
SteuerStud 12/2019 Seite 757
NWB AAAAH-31288