BGH Beschluss v. - 3 StR 530/18

Wohnungseinbruchsdiebstahl: Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung bei Wegwerfen einer erbeuteten Schmuckschatulle mit Modeschmuck

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 242 Abs 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB

Instanzenzug: LG Kleve Az: 120 KLs 18/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung mehrerer zuvor verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und wegen zweier weiterer Wohnungseinbruchdiebstähle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchdiebstahls hält der materiellrechtlichen Überprüfung nicht stand.

3a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:

4Der Angeklagte brach mit einem gesondert abgeurteilten Mittäter in ein freistehendes Einfamilienhaus ein. Dort nahmen sie "tatplanmäßig" eine Schatulle mit Modeschmuck mit, um sie für sich zu behalten. Als sie nach Verlassen des Anwesens feststellten, dass es sich "wider Erwarten" um nahezu wertlosen Modeschmuck handelte, warfen sie die Schatulle nebst dem Schmuck weg.

5b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die Verurteilung wegen vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 StGB aF keinen Bestand haben; denn sie tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte und sein Mittäter bezüglich des Schmuckkoffers samt Modeschmuck die nach § 242 Abs. 1 StGB erforderliche Zueignungsabsicht hatten.

6Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich - nachdem er dies festgestellt hat - deswegen des Behältnisses sowie des ggf. darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 173/16, juris Rn. 5; vom - 4 StR 564/99, NStZ 2000, 531; vom - 3 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 309; jeweils mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 162).

7So liegt es möglicherweise hier. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht widerspruchsfrei, dass sich die konkrete Zueignungsabsicht des Angeklagten und seines Mittäters bei der Wegnahme auf den Schmuckkoffer an sich oder jegliche darin befindlichen Sachen bezog und somit ein vollendeter Diebstahl vorlag. Nach diesen nahmen die beiden Täter zwar einerseits die Schatulle mit dem Modeschmuck entsprechend ihrem Tatplan mit, was darauf hindeutet, dass sie sich diese ungeachtet ihres Inhalts zueignen wollten. Andererseits spricht aber die weitere Feststellung des Landgerichts, dass die beiden sich der Schatulle nebst dem Schmuck entledigten, als sie erkannten, dass es sich bei dem Inhalt des Koffers "wider Erwarten" um nahezu wertlosen Modeschmuck handelte, dafür, dass sie den Schmuckkoffer wegwarfen, weil sich hierin nicht die nach ihren Vorstellungen bei der Tatbegehung erhoffte wertvolle Beute befand.

8Das Urteil ist insoweit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

92. Die Aufhebung des Schuldspruches in diesem Fall hat den Wegfall der hierfür bemessenen Einzelstrafe und damit die Aufhebung der - unter Einbeziehung weiterer Strafen aus vorangegangenen Entscheidungen gebildeten - Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Folge. Diese Gesamtstrafe hat aber auch - ebenso wie die zweite verhängte Gesamtstrafe von zwei Jahren - aus anderen Gründen keinen Bestand.

10Dem Landgericht ist, wie bereits der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bei der Bildung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe aus der für die Tat vom verhängten Einzelstrafe und den nicht vollstreckten Strafen aus Urteilen vom , , und ein Rechtsfehler unterlaufen. Jedenfalls die am ausgesprochene Strafe für eine am begangene Tat hätte nicht einbezogen werden dürfen, weil diese Tat nicht vor den Vorverurteilungen vom 20. November und begangen wurde. Darüber hinaus entzieht sich auch die Einbeziehung der übrigen genannten Strafen der revisionsgerichtlichen Überprüfung, weil hinsichtlich dieser Strafen weder das Datum der den Verurteilungen zugrundeliegenden Taten mitgeteilt wird noch ob und seit wann die Aburteilungen rechtskräftig sind.

11Der Senat hebt beide verhängten Gesamtfreiheitsstrafen auf, weil wegen der oben erörterten mangelhaften Darlegung der für die Beurteilung der Gesamtstrafenbildung wesentlichen Daten hinsichtlich der früher verhängten Strafen nicht ausgeschlossen werden kann, dass insgesamt eine oder mehrere andere Gesamtstrafen hätten gebildet werden müssen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:030419B3STR530.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 10 Nr. 35
NJW 2019 S. 2868 Nr. 39
ZAAAH-30649