BGH Beschluss v. - 2 StR 447/23

Instanzenzug: Az: 103 KLs 21/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls und Bandendiebstahls in Tateinheit mit Urkundenunterdrückung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe von 52.431,05 € gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet. Den Nichtrevidenten N.    hat es wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe, den Nichtrevidenten L.  wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen Bandendiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Urkundenunterdrückung zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen N.   hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 42.431,95 €, gegen L.   in Höhe von 10.000 € angeordnet.

2Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist insoweit auf die Nichtrevidenten zu erstrecken (§ 357 StPO), im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in Fall 8 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

4a) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden der Angeklagte und die Nichtrevidenten von den anderweitig Verfolgten H.   und M.    angeworben, sich mit ihnen und weiteren zur fortgesetzten Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammenzuschließen, worin alle drei einwilligten, um sich hierdurch eine erhebliche Einkaufsquelle zu verschaffen. Ziel war es, Metalle zur Veräußerung zu erlangen, aber auch Paletten, Werkzeuge und andere veräußerbare Gegenstände. In der Nacht vom 26. auf den (Fall 8 der Urteilsgründe) fuhren der Angeklagte und der Nichtrevident L.   in einem und der Nichtrevident N.    in einem anderen Fahrzeug zu einem aus einem vorangegangenen Diebstahl bekannten Firmengelände in E.   , um dort erneut Kabel zu entwenden und den damit erzielten Erlös unter sich aufzuteilen. M.    hatte keine Kenntnis von dem Plan. Da N.    eine Entdeckung fürchtete, fuhr er zurück nach K.  . Der Angeklagte und der Nichtrevident L.   sahen sich hingegen in der näheren Umgebung um und beschlossen, in Büroräume einer anderen dort ansässigen Firma einzudringen, wozu sie ein Fenster aufhebelten. Sie entwendeten einen unverschlossenen Tresor, in dem sich Software im Wert von rund 2.000 € befand, die allerdings als für sie wertlos und unverkäuflich erachtet und sodann samt Tresor an einem Parkplatz in E.    zurückgelassen wurde.

5b) Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme eines schweren Bandendiebstahls.

6Zwar steht der Annahme einer Bandentat nicht grundsätzlich entgegen, dass der anderweitig Verfolgte M.    nicht in die Tatplanung und der Nichtrevident N.   nicht in die Tatbegehung eingebunden waren. Denn auch Straftaten, die in wechselnder Beteiligung ohne vorherige Tatplanung spontan aus der Situation heraus begangen werden, können einer Bandenabrede zugrunde liegen (vgl. ‒ 2 StR 372/07, NStZ 2009, 33, 36). Auch kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Tat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein oder auch nur Kenntnis von der Tatbegehung haben (vgl. ‒ 2 StR 93/11 Rn. 16). Die Annahme eines Bandendiebstahls setzt aber neben einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen Bandenabrede zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt, die Einzeltat also Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt wird (vgl. ‒ 2 StR 93/11 Rn. 16; Beschluss vom – 6 StR 68/22, NJW 2023, 307, 308; BeckOK-StGB/Wittig, 59. Ed., § 244 Rn. 18 mwN). Dies lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen, die nahelegen, dass der Angeklagte und der Nichtrevident L.   – nunmehr ohne den weiteren Nichtrevidenten – den Einbruch in die Büroräume ausschließlich im eigenen Interesse unternahmen.

7c) Schon dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte im Fall 8 der Urteilsgründe verurteilt ist. Dies entzieht zugleich dem Gesamtstrafenauspruch in Bezug auf den Angeklagten die Grundlage. Da nicht auszuschließen ist, dass noch Feststellungen getroffen werden, die eine Verurteilung wegen eines vollendeten Bandendelikts tragen, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

8Das neue Tatgericht wird zugleich Gelegenheit haben, genügsame Feststellungen zur Absicht rechtswidriger Zueignung an den im Bürogebäude aufgefundenen Gegenständen zu treffen. Der Täter eines Diebstahls muss bei der Wegnahme beabsichtigen, sich oder einem Dritten zumindest vorübergehend eine eigentümerähnliche Verfügungsgewalt über die Sache anzumaßen. Daran kann es hinsichtlich eines Behältnisses (hier etwa des geöffneten Tresors) fehlen, wenn sich der Täter nicht das Behältnis, sondern in der Hoffnung auf möglichst große Beute allein dessen vermuteten Inhalt aneignen will (vgl. ‒ 4 StR 538/17). Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich – nachdem er dies festgestellt hat – deswegen des Behältnisses sowie des gegebenenfalls darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden (vgl. , NJW 2019, 2868). An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auch auf Änderung des Bestandes seines Vermögens gerichtet sein muss, fehlt es zudem in Fällen, in denen er eine fremde Sache nur wegnimmt, um sie wegzuwerfen oder beiseitezuschaffen (vgl. − 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344, 345 mwN).

9d) Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft in gleicher Weise den Nichtrevidenten L.  , so dass die Aufhebung des angefochtenen Urteils auf ihn zu erstrecken ist (§ 357 StPO). Dies zieht die Aufhebung der gegen diesen verhängten Einheitsjugendstrafe und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang nach sich.

102. Auch der Einzelstrafausspruch im Fall 9 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrundeliegende Strafzumessung ist lückenhaft.

11a) Die Strafkammer hat in der alle Fälle in den Blick nehmenden Strafzumessung ausgeführt, dass sie die polizeiliche Überwachung nicht zugunsten des Angeklagten werte, weil dieser keinen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten (zur Verhinderung der Taten) habe. Damit hat die Strafkammer im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass allein eine polizeiliche Überwachung keinen Strafmilderungsgrund darstellt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Straftat hätte verhindert werden können; ein Straftäter hat keinen Anspruch darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2022, 140, 141 mwN). Es kann indes einen über die Sicherstellung – hier der Tatbeute – hinausgehenden Strafmilderungsgrund darstellen, wenn die polizeiliche Überwachung der Tat mit dem Wegfall einer Gefahr für Rechtsgüter des Tatopfers verbunden ist (vgl. ‒ 2 StR 493/15 Rn. 58; zu überwachten Betäubungsmittelgeschäften z.B. ‒ 5 StR 173/04, NStZ 2004, 694). Dieses Gewicht resultiert aus dem Gewinn an Sicherheit, den eine derartige Überwachung schon während der Tatbegehung bewirkt, indem sie bereits von Beginn an die Möglichkeit für eine spätere Sicherstellung schafft und so eine tatsächliche Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter ausschließt; insoweit reduziert sie das Handlungsunrecht zusätzlich gegenüber Fällen, in denen eine Sicherstellung trotz fehlender Überwachung letztlich gelingt (vgl. für überwachten Betäubungshandel Rn. 14).

12b) Dies hat die Strafkammer bei der Strafzumessung zu Fall 9 der Urteilsgründe nicht erkennbar in den Blick genommen, obgleich nach den zu diesem Fall getroffenen Feststellungen – im Gegensatz zu den vorangehenden Fällen – die Tat derart engmaschig überwacht war, dass ein Zugriff auf den Angeklagten und weitere Mittäter durch eine „Spezialeinheit der Polizei“ erfolgen konnte, noch während diese im Begriff waren, die Tatbeute abzutransportieren.

13c) Dieser Rechtsfehler, auf dem die Einzelstrafbemessung im Fall 9 der Urteilsgründe beruht, betrifft und beschwert ausweislich der Urteilsgründe in gleicher Weise den Nichtrevidenten N.   (hinsichtlich des zur Tatzeit heranwachsenden Nichtrevidenten L.   hat die Strafkammer in allen Fällen die polizeiliche Überwachung mildernd berücksichtigt), so dass die diesbezügliche Urteilsaufhebung auf diesen zu erstrecken ist.

143. Die Einziehungsentscheidung, soweit sie sich auf Fall 3 der Urteilsgründe bezieht, kann mangels Grundlage in den Urteilsgründen keinen Bestand haben.

15a) Die Strafkammer hat den Wert des in diesem Fall entwendeten Quadbikes des Geschädigten K.   , das dieser ein Jahr zuvor für 13.399 € erworben und mit weiterem Zubehör im Wert von 600 € versehen hatte und für dessen Diebstahl die Versicherung einen Betrag von 7.000 € erstattete, auf 10.000 € geschätzt. Zwar können bei der Anordnung von Wertersatzverfall Umfang und Wert des Erlangten geschätzt werden (§ 73d Abs. 2 StGB). Allerdings darf das Gericht in einem solchen Fall nicht willkürlich und ohne ein Mindestmaß an zureichenden Anhaltspunkten vorgehen; die notwendigen Einzelheiten müssen vielmehr soweit geklärt sein, dass eine hinreichend sichere Schätzungsgrundlage gegeben ist (vgl. ‒ 2 StR 586/06). Den Urteilsgründen müssen deshalb die Schätzungsgrundlagen nachvollziehbar zu entnehmen sein (vgl. Rn. 16 mwN). Dem wird die von der Strafkammer gegebene Begründung, zur Wertbestimmung sei ein Abschlag auf den Neupreis geboten, wobei die Höhe des von der Versicherung vorgenommenen Abschlags nicht nachvollziehbar sei, nicht gerecht.

16b) Der Rechtsfehler, der in gleicher Weise den Nichtrevidenten L.  betrifft, führt zur Aufhebung der diesen betreffenden Einziehungsentscheidungen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211123B2STR447.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-58357