BGH Urteil v. - VII ZR 115/18

Anspruch auf Zahlung einer Pauschale bei Verzug des Schuldners: Nachprüfbarkeit des Vorliegens einer Entgeltforderung durch das Revisionsgericht; notwendige berufungsgerichtliche Feststellungen zu Entgeltforderungen aus Wartungsverträgen für Telekommunikationssysteme

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Pauschale im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB.

Gesetze: § 275 Abs 1 BGB, § 288 Abs 5 S 1 BGB, § 326 Abs 1 S 1 BGB, § 326 Abs 2 S 2 BGB, § 529 ZPO, § 559 ZPO, § 563 ZPO, Art 3 EURL 7/2011, Art 6 Abs 1 EURL 7/2011, Art 6 Abs 2 EURL 7/2011, Art 267 Abs 1 Buchst b AEUV, Art 267 Abs 2 AEUV

Instanzenzug: Az: 27 U 153/17vorgehend Az: 90a O 15/17nachgehend Az: 27 U 153/17 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung der Vergütung aus drei Instandhaltungsverträgen nebst außergerichtlicher Anwaltskosten und insgesamt 39 Pauschalen gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB nebst Zinsen.

2Die Parteien schlossen am drei einzelne Verträge über die Instandhaltung zweier Telekommunikationssysteme und eines Ortungssystems. Die einzelnen Verträge sehen eine Mindestvertragsdauer für das Jahr des Vertragsschlusses sowie die anschließenden zehn Kalenderjahre vor und enthalten jeweils folgende Regelung:

"Das Entgelt für die Instandhaltung der Anlage (...) beträgt monatlich netto € ... ."

3Die monatliche Bruttovergütung aus den drei Einzelverträgen belief sich zusammen auf 1.909,51 €. Seit März 2016 zahlte der Beklagte - gestützt auf die Auffassung, die Verträge seien unwirksam, jedenfalls aber aufgrund einer von ihm im Juni 2014 erklärten Kündigung aus wichtigem Grund beendet - keine Vergütung mehr.

4Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zur Zahlung rückständiger Vergütung aus den drei Verträgen für die 13 Monate von März 2016 bis März 2017 in Höhe von 24.823,63 € nebst außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.044 € sowie monatlicher Pauschalen von jeweils 40 € für die 9 Monate von Juli 2016 bis März 2017 - für die drei Verträge mithin insgesamt in Höhe von 1.080 € - auf.

5Mit der Klageerhebung hat die Klägerin ihre Forderung für den Zeitraum bis einschließlich Juli 2017 um die monatliche Vergütung aus den drei Instandhaltungsverträgen sowie monatliche Pauschalen von jeweils 40 € ergänzt und hinsichtlich der Pauschalen nunmehr die Zahlung von insgesamt 1.560 € (39 Pauschalen zu je 40 € für 13 Monate und je drei Verträge) nebst Zinsen verlangt.

6Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung nebst Zinsen sowie einer einzigen Pauschale in Höhe von 40 € verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

7Mit ihrer vom Berufungsgericht nur insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Zahlung weiterer 38 Pauschalen in Höhe von insgesamt 1.520 € nebst Zinsen weiter.

Gründe

8Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

10Der Klägerin stehe aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB nur eine Pauschale in Höhe von 40 € zu. Die Vorschrift sei in der seit geltenden Fassung gemäß Art. 229 § 34 Satz 2 EGBGB auf das vorliegende Dauerschuldverhältnis für die ab Juli 2016 geltend gemachten Zahlungsansprüche anwendbar. Ihre Anwendung auf periodisch wiederkehrende Leistungspflichten der hier in Rede stehenden Art sei umstritten. Im Falle unmittelbar aufeinander folgender Raten, die - wie hier - in ein und dieselbe Rechtsverfolgung einbezogen werden könnten, sei die Pauschale nur einmal geschuldet. Da in der vertraglichen Regelung der monatlichen Vergütungshöhe keine kalendarische Bestimmung des Leistungszeitpunkts im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege, sei Zahlungsverzug des Beklagten für die Monate Juli 2016 bis März 2017 erstmals aufgrund des anwaltlichen Mahnschreibens vom eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe keine zu kompensierende eigene Mühewaltung bei der Klägerin mehr entstehen können, da sie die Rechtsverfolgung bereits aus der Hand gegeben gehabt habe. Die Beträge hätten bei Verzugseintritt als ein Gesamtbetrag geltend gemacht werden und in dieselbe Rechtsverfolgung einbezogen werden können.

II.

11Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

121. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der Klägerin mehr als eine Pauschale gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zusteht.

13a) Nach dieser Vorschrift, die der Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr (im Folgenden: Zahlungsverzugsrichtlinie oder ZVRL, ABl. EU Nr. L 48, S. 1) dient, hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 €. Für den Anfall der Pauschale kommt es maßgeblich darauf an, ob es sich bei der geltend gemachten Hauptforderung um eine Entgeltforderung handelt. Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB sind - in Übereinstimmung mit der Zahlungsverzugsrichtlinie - Forderungen auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung (vgl. näher Rn. 73 m.w.N.; Urteil vom - VIII ZR 259/09 Rn. 10-12, NJW 2010, 3226; Urteil vom - XII ZR 10/08 Rn. 23, NJW 2010, 1872; siehe auch BT-Drucks. 18/1309, S. 19).

14b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin die von ihr geschuldeten Wartungsleistungen erbracht hat.

15aa) Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe das Berufungsgericht insoweit lediglich Bezug genommen hat, hat ausgeführt, der Beklagte könne die Zahlung auf die nach Auffassung des Landgerichts nicht wirksam gekündigten Verträge nicht mit dem Hinweis darauf verweigern, die Klägerin habe keine Leistungen erbracht. Der Anspruch der Klägerin sei insoweit nicht gemäß § 326 BGB ausgeschlossen. Der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte lege nicht dar, dass die Klägerin nicht leistungsbereit gewesen sei oder er ohne Erfolg Leistungen der Klägerin abgerufen habe.

16bb) Diese Feststellungen sind nicht ausreichend, um die zuerkannten Hauptforderungen als Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zu qualifizieren.

17Das Berufungsgericht hat danach nicht festgestellt, dass die Klägerin die von ihr geschuldeten Wartungsleistungen erbracht hat.

18Den in Bezug genommenen Ausführungen des Landgerichts kann aber auch nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnommen werden, dass es von der Nichterbringung dieser Leistungen ausgegangen ist. Das Landgericht gibt den "Hinweis" des Beklagten, die Klägerin habe keine Leistungen erbracht, im Konjunktiv wieder. Dies kann einerseits die Wiedergabe unstreitigen Sachvortrags in indirekter Rede darstellen. Es kann aber andererseits auch bedeuten, dass es sich um streitigen Parteivortrag handelt, den das Landgericht aus den von ihm weiter angeführten Gründen nicht als erheblich betrachtet hat.

192. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob es sich bei den der Klägerin zuerkannten Forderungen um Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB handelt. Das Berufungsurteil kann danach in dem mit der Revision angegriffenen Umfang keinen Bestand haben und ist insoweit aufzuheben.

III.

20Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die nötigen Feststellungen zu treffen, ob es sich bei den der Klägerin zuerkannten Forderungen um Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB handelt.

21Sofern das Berufungsgericht danach feststellt, dass die von der Klägerin geschuldeten Wartungsleistungen erbracht worden sind und es sich damit bei den zuerkannten Hauptforderungen um Entgeltforderungen in diesem Sinne handelt, wird es zu entscheiden haben, ob bei einer Mehrzahl von Entgeltforderungen aus gleichartigen Vertragsverhältnissen ein Anspruch auf Zahlung nur einer einzigen Pauschale oder mehrerer Pauschalen gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB besteht und inwieweit dieses Ergebnis mit der Zahlungsverzugsrichtlinie, insbesondere mit Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 3 ZVRL, vereinbar ist. Es wird weiter zu entscheiden haben, ob bei periodisch entstehenden Entgeltforderungen aus einem einzigen Vertragsverhältnis ein Anspruch auf Zahlung nur einer einzigen Pauschale oder mehrerer Pauschalen gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB besteht und inwieweit dieses Ergebnis mit der Zahlungsverzugsrichtlinie, insbesondere mit Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 3 ZVRL, vereinbar ist (vgl. zum Streitstand: MünchKommBGB/Ernst, 8. Aufl., § 288 Rn. 34; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 288 Rn. 15; BeckOGK/Dornis, BGB, Stand: , § 288 Rn. 72). Dabei wird es gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob die vom Beklagten geschuldete Vergütung gemäß § 271 BGB monatlich fällig und ob der Verzug gemäß § 286 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits zu einem früheren als dem vom Berufungsgericht angenommenen Zeitpunkt eingetreten war. Das Berufungsgericht wird insoweit auch erwägen müssen, ob es gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einholt.

22Für den Fall, dass das Berufungsgericht zu der Annahme gelangt, dass die Klägerin ihre Wartungsleistungen nicht erbracht hat, kommt in Betracht, dass diese laufend geschuldeten Leistungen mit Ablauf des jeweiligen Monats unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB geworden sind (Fixgeschäft), so dass grundsätzlich nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch auf die Vergütung entfallen wäre. Der Anspruch auf die Vergütung bleibt aber unter der Einschränkung des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, soweit der Beklagte für den die Unmöglichkeit begründenden Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich oder er im Verzug der Annahme ist. Beides lässt sich auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht bejahen.

23Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin Zahlungsansprüche nach § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehen, wird es sich mit der weiteren Frage zu befassen haben, ob solche Forderungen Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB darstellen und dieses Ergebnis mit der Zahlungsverzugsrichtlinie, insbesondere mit Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 3 ZVRL, vereinbar ist. Auch insoweit wird es dann zu erwägen haben, ob es gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einholt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:220819UVIIZR115.18.0

Fundstelle(n):
WM 2020 S. 192 Nr. 4
AAAAH-30533