BGH Beschluss v. - 4 StR 45/19

Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige: Vorsätzliches Handeln bei Abgabe an eine dritte Person als "Bote"; Berücksichtigung von Härten bei der Einziehungsanordnung

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 1 Alt 1 BtMG, § 42 StGB, § 73c Abs 2 StGB vom , § 459g Abs 5 StPO

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 10a KLs 10/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 19 Fällen, wegen Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

4a) Nach den Feststellungen „erwarb“ die Zeugin R.     vom Angeklagten für den 16 bzw. 17 Jahre alten    S.       an 15 im Einzelnen nicht mehr konkretisierbaren Tagen im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017 jeweils 1 Gramm Marihuana zum Preis von 10 EUR. Dabei übergab sie das von    S.       unmittelbar zuvor erhaltene Geld an den Angeklagten und erhielt dafür im Gegenzug das Rauschgift, das sie sodann dem Minderjährigen aushändigte. In zwei Fällen bestand zwischen dem Angeklagten und dem Minderjährigen, dessen Alter der Angeklagte kannte, ein „persönlicher Verkaufskontakt“.

5b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte vorsätzlich Betäubungsmittel an einen Minderjährigen abgegeben hat. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls damit rechnete, dass die der Zeugin R.     übergebenen Betäubungsmittel für den minderjährigen    S.       bestimmt waren und sie nur als „Botin“ tätig war (vgl. , NStZ-RR 2015, 218). Ein persönlicher Kontakt ist nur für zwei Fälle belegt, ohne dass sich den Feststellungen und Beweiserwägungen Näheres zum Zeitpunkt, zur Art und zum Ausmaß des Kontakts entnehmen ließe.

62. Darüber hinaus halten die Strafaussprüche in den Fällen II. 15 und 16 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7Das Landgericht hat die beiden Taten im Urteilstenor sowie in der rechtlichen Würdigung zutreffend als „Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige“ gewertet und ist, weil es gewerbsmäßiges Handeln nicht festzustellen vermochte, nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt hat. Gleichwohl hat das Landgericht – ersichtlich aufgrund eines Versehens – der Strafzumessung in diesen beiden Fällen den Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, der das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige umfasst, wenn es gewerbsmäßig erfolgt. Ungeachtet des Umstands, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG von einem minder schweren Fall ausgegangen ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafaussprüche auf diesem Rechtsfehler beruhen.

83. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie sich auf die von der Aufhebung umfassten Verurteilungen in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe bezieht. Die Einziehung ist daher aufzuheben, soweit sie einen Betrag in Höhe von 220 EUR übersteigt.

9Im Übrigen sieht der Senat im Hinblick auf die vom Landgericht bewilligte, jedoch nicht näher begründete Ratenzahlung Anlass zu folgendem Hinweis:

10Das Landgericht hat die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 370 EUR angeordnet und dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt. Hierfür fehlt es seit der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung durch das zum in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom (BGBl. I 2017, S. 872) an einer Rechtsgrundlage.

11§ 73c Abs. 2 StGB aF, der ausdrücklich auf § 42 StGB verwies und damit die Möglichkeit der Bewilligung von Zahlungserleichterungen im Erkenntnisverfahren eröffnete, ist ersatzlos weggefallen. Etwaige Härten sind nunmehr gemäß § 459g Abs. 5 StPO ausschließlich im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. ; Köhler, NStZ 2017, 497, 500). Für eine entsprechende Anwendung des § 42 StGB ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.

12Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Sollte im Vollstreckungsverfahren die Entreicherung des Angeklagten oder sonst festgestellt werden, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unverhältnismäßig ist, so hat die Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben (vgl. und vom – 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom – 3 StR 577/17, wistra 2018, 427).

13Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:280319B4STR45.19.0

Fundstelle(n):
SAAAH-27323