BSG Beschluss v. - B 6 KA 74/15 B

Kassenärztliche Vereinigung - Notfalldienstplan - grundsätzliche Berücksichtigung eines Vertragsarztes mit Sitz im gültigen Bezirk

Gesetze: § 75 Abs 1 S 2 SGB 5 vom , § 75 Abs 1b S 1 SGB 5 vom

Instanzenzug: Az: S 33 KA 68/10 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 11 KA 7/14 Urteil

Gründe

1I. Im Streit steht noch die Feststellung, ob die Nichteinteilung des Klägers zum ärztlichen Notfalldienst im Zeitraum 1.7. bis rechtswidrig war.

2Der Kläger war seit 1993 in W. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Aufgrund des Beschlusses des Zulassungsausschusses (ZA) vom verlegte der Kläger seinen Vertragsarztsitz zum nach H. Bereits ab dem war er von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr zum Notfalldienst im Raum E. eingeteilt worden. Auf die Klage des Klägers hat das SG dessen auf Ersatz eines Vermögensschadens in Höhe von 54 134,16 Euro gerichtete Klagebegehren abgetrennt und an das Landgericht Düsseldorf verwiesen. Hinsichtlich des verbliebenen Streitgegenstandes - der Feststellung, dass die Nichteinteilung des Klägers zum ärztlichen Notdienst im Zeitraum bis rechtswidrig war - hat das SG in Bezug auf den Zeitraum bis antragsgemäß entschieden und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ).

3Das LSG hat ausgeführt, die Nichteinteilung des Klägers zum Notfalldienst in dem allein noch streitgegenständlichen Zeitraum 1.7. bis sei rechtmäßig; die Beklagte habe ihn in dieser Zeit weder im Bezirk E. noch im Bezirk H. zum Notfalldienst einteilen müssen. Im Bezirk E. habe der Kläger wegen der Praxisverlegung nicht mehr herangezogen werden dürfen, weil nach § 8 Abs 1 Gemeinsame Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (NDO) die Heranziehung für den Bezirk erfolge, in dem die Praxis liege. Ebenso wenig sei der Notfalldienstplan für den Bezirk H. rechtswidrig gewesen. Als dieser am erstellt worden sei, habe der Kläger in diesem Bezirk weder eine Praxis gehabt noch sei die Verlegung des Praxissitzes mangels Zustimmung des ZA absehbar gewesen; nach der Zustimmung des ZA bzw der tatsächlichen Praxisverlegung seien alle Dienste vergeben gewesen.

4Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

5II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist, weil ihre Begründung nicht in vollem Umfang den Darlegungsanforderungen genügt, ist sie jedenfalls unbegründet.

6Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss danach in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107= SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt.

7Die Revisionszulassung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f sowie BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Nichts anderes gilt, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der vom LSG dazu gegebenen Auslegung bestehen kann, weil sich die Beantwortung bereits ohne Weiteres aus der streitigen Norm selbst ergibt (vgl hierzu - Juris RdNr 4).

8Diese Anforderungen erfüllt die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nicht in vollem Umfang:

91. Dem Erfolg der Beschwerde steht bereits entgegen, dass grundsätzliche Bedeutung für eine Zulassung der Revision nur solchen Fragen zukommen kann, zu deren Klärung das Revisionsgericht berufen ist. Dies ist bei der Auslegung von Bestimmungen der NDO nicht der Fall. Regelungen der NDO stellen grundsätzlich kein im Sinne des § 162 SGG revisibles Recht dar (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 17). Es handelt sich vielmehr um Landesrecht, dessen Auslegung grundsätzlich den Gerichten des Landes vorbehalten und dem BSG nicht zugänglich ist.

11Diese Auslegung ist dem Senat grundsätzlich verwehrt. Dass ein Umstand vorliegt, der die Bindungswirkung ausnahmsweise entfallen lässt (s hierzu - RdNr 11 - Juris), hat der Kläger nicht dargelegt. Insbesondere ist vom Kläger nicht geltend gemacht worden, dass mit § 8 Abs 1 NDO identische Vorschriften in anderen Notdienstordnungen enthalten sind und diese Übereinstimmung auf einer bewussten Angleichung der Regelungen durch den jeweiligen Normgeber beruht. Die bloße Behauptung, § 8 NDO stelle revisibles Recht dar, genügt hierzu nicht.

122. Im Übrigen wären die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nicht klärungsbedürftig.

13Soweit der Kläger die Frage nach dem für die Einteilung zum Notfalldienst maßgeblichen Zeitpunkt aufwirft, ist diese Frage nicht klärungsbedürftig. Es liegt auf der Hand, dass bei der Aufstellung der Dienstpläne nur diejenigen Ärzte berücksichtigt werden dürfen, die zur Teilnahme am Notfalldienst im konkreten Notfalldienstbezirk verpflichtet sind. Dies sind nach § 8 Abs 1 NDO diejenigen Ärzte, deren Praxis in dem "Notfalldienstbezirk" liegt. Diese Belegenheit muss - im Grundsatz - sowohl zum Zeitpunkt der Einteilung zum Notfalldienst als auch zum Zeitpunkt der Ableistung des Dienstes gegeben sein. Es können zudem nur solche Vertragsärzte bei der Einteilung Berücksichtigung finden, die zur Ableistung des Notfalldienstes in der Lage sind. Da dieser grundsätzlich von der Praxis aus wahrzunehmen ist (§ 8 Abs 2 Satz 1 NDO), setzt dies regelmäßig schon rein tatsächlich voraus, dass diese zum Zeitpunkt der Ableistung des Notfalldienstes (noch) im Notfalldienstbezirk belegen ist.

14Weiter ist zu berücksichtigen, dass es Sinn und Zweck einer derartigen Planung ist, entsprechende Dienstpläne für einen zukünftigen Zeitraum aufzustellen. Zwar ist der Planung grundsätzlich die Situation zum Zeitpunkt der Erstellung des Notfalldienstplans zugrunde zu legen; somit sind - grundsätzlich - diejenigen Ärzte zum Notfalldienst einzuteilen, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung ihren Praxissitz im Notfalldienstbezirk haben. Jedoch sind alle zum Zeitpunkt der Planaufstellung bekannten Änderungen, die zu dem zukünftigen Zeitpunkt - dem Planungszeitraum - eingetreten sein werden oder deren Eintritt zumindest als wahrscheinlich in Betracht kommt, zu berücksichtigen. Dies gilt auch für noch nicht beschiedene Verlegungsanträge: Es wäre mit der Verlässlichkeit der Notfalldienstplanung nicht vereinbar, den Umstand außer Betracht zu lassen, dass ein notdienstverpflichteter Vertragsarzt im Planungszeitraum in einen anderen Notfalldienstbezirks gewechselt haben wird oder zumindest die gute Möglichkeit besteht, dass dies der Fall sein wird. Steht weder fest, dass der Vertragsarzt im Planungszeitraum seinen Praxissitz noch im bisherigen Notfalldienstbezirk haben wird noch, dass es dann bereits zu einer Sitzverlegung in einen anderen Notfalldienstbezirk gekommen sein wird, besteht - solange dies in der Schwebe ist - jedenfalls keine Verpflichtung der für die Aufstellung des Notfalldienstplans zuständigen Institution, ihn bei der Einteilung zum Notfalldienst (noch) im bisherigen oder (schon) im neuen Notfalldienstbezirk zu berücksichtigen. Etwas anderes mag bei rechtsmissbräuchlicher Stellung von Verlegungsanträgen gelten, die allein dem Zweck dienen, eine Einteilung zum Notfalldienst zu unterlaufen.

15Damit ist die Frage, ob ein Vertragsarzt, der zum Zeitpunkt der Erstellung des Notfalldienstplanes noch in dem für den Notfalldienstplan gültigen Bezirk den Sitz seiner Praxis hat, grundsätzlich berücksichtigt werden muss, dahingehend zu beantworten, dass dies zwar grundsätzlich, aber eben nicht immer der Fall ist. Auch die Frage, ob ein Vertragsarzt, der schon zum Zeitpunkt der Erstellung der Notfalldienstpläne einen Antrag auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes in diesen Notfalldienstbezirk gestellt hat, für die Einteilung noch zu berücksichtigen ist, ist damit - im Sinne einer Verneinung - beantwortet.

16Einer Beantwortung der Rechtsfrage, ob "die Belegenheit der Praxis in einem Notfallbezirk bei einem Verlegungsantrag des berechtigten/verpflichteten Vertragsarztes mit der Beschlussfassung des Zulassungsausschusses über die Verlegung aufgehoben wird oder aber erst mit der tatsächlichen Verlegung des Sitzes", in einem Revisionsverfahren bedarf es nicht. Da vorliegend allein die Zeit ab dem im Streit steht, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob für den Sitz der Praxis im Sinne des § 8 Abs 1 NDO der Beschluss des ZA vom oder die tatsächliche Verlegung des Praxissitzes zum maßgeblich ist.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

18Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom , die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2016:040516BB6KA7415B0

Fundstelle(n):
JAAAH-26367