BFH Beschluss v. - II B 55/18

Ungleichbehandlung von Grundstückskäufen und Anteilskäufen bei der Grunderwerbsteuer

Leitsatz

NV: Die Besteuerung des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von weniger als 95 % verstößt im Verhältnis zum nicht steuerbaren Erwerb eines entsprechenden Anteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3

Instanzenzug: (EFG 2018, 1578),

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Es bestehen bereits Zweifel, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Gründe für die Zulassung der Revision den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend hinreichend dargelegt hat.

3 a) Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung (z.B. , BFH/NV 2017, 609, Rz 6).

4 b) Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat zwar die Rechtsprechung des BVerfG umfangreich zitiert. Er hat sich jedoch nicht im Einzelnen mit deren Auswirkung auf die Regelungen des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) oder mit den Besonderheiten des Verkehrsteuerrechts auseinandergesetzt und auch keinen konkreten Verfassungsverstoß aufgezeigt. Dem Vorbringen ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger die Besteuerung des Erwerbs von Miteigentumsanteilen unter 95 % für gleichheitswidrig und damit für verfassungswidrig hält, weil der entsprechende Erwerb von Anteilen in gleicher Höhe an grundbesitzenden Gesellschaften nicht der Besteuerung unterliege. Der Kläger setzt sich jedoch nicht im Einzelnen mit den rechtlichen Unterschieden beider Erwerbsvorgänge auseinander. Der Erwerb von Miteigentumsanteilen wird in vielen Fällen noch nicht einmal wirtschaftlich dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen an grundbesitzenden Gesellschaften gleichkommen. Erst recht bestehen erhebliche rechtliche Unterschiede, die es nicht nur rechtfertigen, sondern sogar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gebieten, die unterschiedlichen Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Dies hat das Finanzgericht (FG) im Einzelnen in der Urteilsbegründung ausgeführt. Der Kläger setzt sich in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend damit auseinander.

5 2. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt. Die Beschwerde ist nämlich in jedem Fall unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

6 a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

7 aa) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2019, 44, Rz 10).

8 Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. , BFH/NV 2016, 1575, Rz 13).

9 bb) Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine verfassungswidrige Benachteiligung vorliegt, wenn bei einem Grundstückskauf weniger als 95 % einer Immobilie erworben werden und dafür Grunderwerbsteuer zu zahlen ist, während bei einem Anteilskauf von weniger als 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft keine Grunderwerbsteuer zu zahlen ist. Ein Verfassungsverstoß lässt sich jedoch anhand der Regelungen des Grunderwerbsteuerrechts und der Rechtsprechung des BVerfG verneinen.

10 cc) Wie das FG in seiner Urteilsbegründung bereits unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, gebietet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom   2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, und vom   2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom   1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, und vom   1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, BStBl II 2009, 1035).

11 dd) Im Bereich des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164, und in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleichhoch zu besteuern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164, und in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192). Anders als bei der Einkommensteuer kommt dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz für die Verbrauch- und Verkehrsteuern jedoch keine prägende Bedeutung zu (vgl. , BFH/NV 2008, 1526).

12 ee) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, den Erwerb eines Miteigentumsanteils von weniger als 95 % anders zu besteuern als den Erwerb von weniger als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft.

13 Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unterscheidet sich sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht grundlegend von dem Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft. Während beim Erwerb des Miteigentumsanteils das Eigentum an dem Grundstück (anteilig) auf den Erwerber übergeht, erlangt der Erwerber des Gesellschaftsanteils nicht unmittelbar Eigentum an den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken. Die Erwerbstatbestände des Grunderwerbsteuergesetzes besteuern Rechtsträgerwechsel an Grundstücken. Bei dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen findet jedoch kein Rechtsträgerwechsel statt. Es bedarf einer gesetzlichen Fiktion, den Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem Rechtsträgerwechsel an den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken grunderwerbsteuerrechtlich gleichzusetzen. Insoweit ist es sachgerecht, nicht jeden Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem anteiligen Grundstückserwerb gleichzusetzen, sondern nur solche, die einem Rechtsträgerwechsel nahekommen. Dabei kann im Streitfall dahinstehen, ab welchem Anteilserwerb die Annahme eines fiktiven Rechtsträgerwechsels im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch gerechtfertigt ist. Der Erwerb eines Anteils in Höhe von 3/14 —wie im Streitfall— ist einem (anteiligen) Rechtsträgerwechsel jedenfalls nicht gleichzusetzen.

14 b) Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.

15 aa) Die Zulassung der Revision aus diesem Grund setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 28/15, BFH/NV 2015, 1668, Rz 9, und vom III B 157/16, BFH/NV 2017, 1318, Rz 13). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1668, Rz 9).

16 bb) Nach Auffassung des Klägers ist das FG von der Entscheidung des BVerfG zur Einheitsbewertung des Grundvermögens (, BVerfGE 148, 147) insoweit abgewichen, als es genügen lasse, dass eine Steuer auf dem Papier gleichmäßig wirke, während das BVerfG verlange, dass eine Steuer auch in der Realität gleichmäßig belasten müsse.

17 Tatsächlich ist das FG jedoch nicht von der Rechtsprechung des BVerfG abgewichen. Es hat lediglich seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Gestaltungsanfälligkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG keine Verfassungswidrigkeit begründe. Insoweit beruht das Urteil auf der Rechtsprechung des BFH, der bereits entschieden hat, dass § 1 Abs. 3 GrEStG trotz der im Hinblick auf die durch das Gesetz selbst eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten nicht verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Besteuerungstatbestände so auszugestalten, dass ihre Erfüllung nicht vermieden werden könne (, juris, unter 1.). Im Übrigen will § 1 Abs. 3 GrEStG gerade durch die Fiktion eines Rechtsträgerwechsels auch solche Gestaltungen erfassen, die einem Grundstückserwerb gleichkommen, ohne dass ein Grundstück oder ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück übertragen wird. Die Vorschrift dient damit gerade der gleichmäßigen Erfassung von grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgängen.

18 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

19 4. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:B.150519.IIB55.18.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2019 S. 927 Nr. 9
UVR 2019 S. 302 Nr. 10
TAAAH-24025