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LSG Thüringen Urteil v. - L 7 AS 692/15

Streitig ist nach einem Teilanerkenntnis der Beklagten die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. März 2012. Zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten ließ der (LK) durch A. & K. ( ) ein Untersuchungskonzept "Mietwerterhebung zur Ermittlung von KdU-Kosten im " erstellen. Diese Konzept (aus dem Januar 2011) ging bei der Ermittlung der Unterkunftskosten im Wesentlichen wie folgt vor: "Der 1. Arbeitsschritt, die Clusteranalysen, habe zum Ziel, unterschiedliche Wohnungsmarkttypen innerhalb des zu identifizieren und abzugrenzen. Diese Vorgehensweise sei notwendig, um den regionalen Besonderheiten des LK bezüglich der Mietpreisbildung gerecht zu werden. Der bestehe aus unterschiedlichen Gemeinden, die zum Teil städtisch (verdichtete Siedlungsgebiete), zum Teil aber auch ländlich strukturiert (geringer verdichtet) seien. Diese Strukturen hätten zusammen mit anderen Faktoren einen Einfluss auf die Miethöhe. Für die regionalen Wohnungsmärkte bedeute dies, dass die Mieten in städtisch geprägten Gebieten in der Regel höher seien als in ländlichen Gebieten. Um einerseits Fehlleistungen zu vermeiden, andererseits aber auch der gesetzlichen Aufgabenstellung gerecht zu werden, die Leistungsempfänger mit entsprechendem Wohnraum zu versorgen, sei es notwendig, das Kreisgebiet möglichst differenziert zu betrachten. Nur so sei es möglich, einerseits die Leistungsempfänger adäquat zu versorgen, andererseits Leistungen so zu begrenzen, dass keine unerwünschten Wohnungsmarkteffekte induziert würden. Aus finanziellen und erhebungstechnischen Gründen (z.B. zu geringes Wohnungsangebot) sei es nicht bzw. nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, für jede Gemeinde des Kreises, unabhängig von der Gemeindegröße (der LK bestehe aus 5 Verwaltungsgemeinschaften, 5 Städten und 2 Gemeinden unterschiedlicher Größe) eine separate Mietpreisübersicht zu erstellen. Daher lasse es der Gesetzgeber bei der Erstellung von Mietpreisübersichten zu, Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten zu gemeinsamen Wohnungsmarkttypen zusammenzufassen und für diese Wohnungsmärkte Vergleichsmieten zu ermitteln. Auf der Basis der Datenauswertung sei für den LK eine Untergliederung in 3 Wohnungs-markttypen vorgenommen worden: Wohnungsmarkttyp 1, Verwaltungsgemeinschaft , Stadt G., Stadt M., Verwaltungsgemeinschaft R., Verwaltungsgemeinschaft W., Wohnungsmarkttyp 2, Stadt L., Gemeinde N., Verwaltungsgemeinschaft O. Sp., Verwaltungsgemeinschaft P.,, Ein-heitsgemeinde S., Stadt Sch. Wohnungsmarkttyp 3 (vgl. Blatt 5 des Konzeptes). Um die regionalen Wohnungsmärkte des LK definieren zu können, seien eine Vielzahl von Indikatoren untersucht worden, die in der amtlichen Statistik verfügbar seien und von denen bekannt sei, dass diese einen Einfluss auf den regionalen Wohnungsmarkt ausübten. Berücksichtigt worden seien nur Indikatoren der amtlichen Statistik, deren Herkunft und Datenqualität den methodischen Ansprüchen an Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit gerecht würden (Siedlungsstruktur, Wohnfläche, Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Bodenpreis, Einkommensteuer pro Kopf). Bezüglich des Ergebnisses wird Bezug genommen auf Blatt 5 und 6 des Konzeptes. Die durchgeführte Datenerhebung habe von Mai 2010 bis Oktober 2010 stattgefunden. Die Mietdaten seien unabhängig vom Erhebungsdatum jeweils zum Stichtag 1. Juni 2010 erhoben worden. Nach Durchführung der feldspezifischen Extremwertkappung hätten für die eigentliche Auswertung insgesamt 12.500 Mieten zur Verfügung gestanden (Gesamtwohnungsbestand im LK 59.500 Wohnungen). Für den Bereich des Wohnungsmarkttyps 1 hätten bei einer Wohnungs-größe bis 45 m² 562 Wohnungen (Fallzahl) zur Verfügung gestanden. Während der Anteil der Bedarfsgemeinschaften von der amtlichen Statistik erhoben werde (rund 15 % bzw. rund 7500 Bedarfsgemeinschaften SGB II und 600 Bedarfsgemeinschaften SGB XII) stünden über den Anteil von Haushalten mit geringem Lohn ohne Leistungsbezug keine entsprechenden statistischen Werte zur Verfügung. Bundesweit habe dieser Anteil 2009 rund 7,5 % betragen. Da dieser Wert ein bundesweiter Durchschnittswert sei, dürfte er für den LK aufgrund der Arbeitslosenquote höher liegen. Deshalb gehe man von einem für die Leistungsempfänger notwendigen Mindestwohnungsmarktanteil von rund 30 % aus. Die Obergrenze für die Nettokaltmiete sei daher so definiert, dass sowohl ein ausreichender Wohnraum für Leistungsempfänger zur Verfügung stehe als auch die zu übernehmenden Mietkosten den Wohnungsmarkt nicht mehr als nötig beeinflussten. Das als Obergrenze definierte 35 % Perzentil beinhalte eine als Sicherheitsreserve zu berücksichtigende Nachfrage von Niedriglohnempfängern sowie zur Verhinderung der Konzent-ration der Nachfrage auf wenige Wohnungsbestände (Ghettobildung). Das 35 % Perzentil gebe den Grenzwert an, der die niedrigsten 35 % der Mieten von den übrigen Mietwerten trenne. Um die konkrete Angemessenheit zu prüfen, werde dieser Wert mit dem real zur Verfügung stehenden Wohnungsangebot abgeglichen. Die auf der Basis von konkreten Bestandsmieten vorläufig definierte Angemessenheit müsse auf die Verfügbarkeit eines konkreten Wohnungsangebotes im LK überprüft werden. Denn die vorläufig definierten Obergrenzen ließen noch keine Aussage zu, ob innerhalb dieser Grenzen tatsächlich auch Wohnungen im erforderlichen Umfang neu angemietet werden könnten. Daher sei im Rahmen der Untersuchung neben der Erhebung der Bestandsmieten auch eine Recherche der aktuellen Angebotsmieten vorgenommen worden. Ihre Recherchen seien im Zeitraum Mai 2010 bis Oktober 2010 durchgeführt worden. Als Quellen seien ausgewertet worden Internet Immobiliensuchportale, die örtliche Tagespresse, Anzeigenblätter sowie Internetseiten der großen Wohnungsanbieter in Kreisgebiet. Im Erhebungszeitraum seien insgesamt 676 Angebote ermittelt worden. Diese Anzahl liege unter dem tatsächlichen Angebotsvolumen, weil nicht alle Wohnungen über die untersuchten Medien vermarktet würden. Um die Qualität der Angebotsmieten beurteilen zu können, seien Bestandsmieten zusätzlich danach ausgewertet worden, welche Mieten bis zu neun Monate vor dem Erhebungsstichtag tatsächlich hätten realisiert werden können (Neuvertragsmieten). Im Bereich des Wohnungsmarkttyps 1 belaufe sich die angemessene Bestandsmiete auf 4,11 EUR (Wohnungsgröße bis 45 m²). In diesem Wohnungsmarkt seien 49 Angebotsmieten erhoben worden. 29 % hiervon hätten zu dem Wert von 4,11 EUR angemietet werden können (14,21 Wohnungen zu 4,11 EUR von Mai bis Oktober)." Für die vom Kläger bewohnte 50 m² große Wohnung in A. entstanden monatliche Kosten in Höhe von 360 EUR (Grundmiete 260 EUR, Betriebskosten 25 EUR, Heizkosten 50 EUR, Warmwasserkosten 25 EUR). Die Wohnung wird mittels Fernwärme beheizt. Die beheizte Gebäudefläche beträgt mehr als 1000 m². Der Kläger geht von einer Wohnfläche von 45 m² aus. Der Beklagte bzw. sein Rechtsvorgänger hörte den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2011 zur Angemessenheit der Unterkunftskosten an und teilte mit, die tatsächlichen Unterkunftskosten nur bis zum 30. September 2011 zu übernehmen (vgl. zur Kostensenkungsaufforderung, vgl. Blatt 39 der Verwaltungsakte). Der Kläger leistete für Dezember 2011 lediglich 319,65 EUR Miete. Für die Zeit von Januar bis März 2012 erfolgten Mietzahlungen in Höhe von monatlich 338,40 Euro (vgl. Blatt 327 der Gerichtsakte). Für die Zeit von Oktober 2011 bis März 2012 bewilligte der Beklagte ihm KdU in Höhe von monatlich 277 EUR und berücksichtigte dabei monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 185 EUR sowie Vorauszahlungen für die Betriebskosten und Heizkosten in Höhe von 45 EUR bzw. 47 EUR (Bescheid vom 13. September 2011). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er hat am 23. Januar 2012 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, auf den Widerspruch einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Der Beklagte hat den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Nach der Unterkunftsrichtlinie des LK vom 1. Mai 2011 sei für einen 1-Personenhaushalt angemessen eine Kaltmiete in Höhe von 185 EUR (45 m² x 4,11 EUR /Quadratmeter, zzgl. 45 EUR Vorauszahlungen für Betriebskosten sowie 47 EUR Vorauszahlungen für Heizkosten). Die Mietwohnung des Klägers entspreche diesen Kriterien nicht. Er sei mit Schreiben vom 2. Mai 2011 zur Angemessenheit seiner Unterkunftskosten angehört worden. Hierzu habe er zum Ausdruck gebracht, mit einer Kürzung der Unterkunftskosten nicht einverstanden zu sein. Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten seien nicht erfolgt. Deshalb seien die Kosten der Unterkunft und Heizung ab Oktober 2011 nur noch in Höhe der Angemessenheit übernahmefähig (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2012). Im Hinblick hierauf hat der Kläger am 20. Februar 2012 sein Begehren auf höhere Unterkunftskosten gerichtet. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die vom Kläger geltend gemachten tatsächlichen Unterkunftskosten für Oktober und November 2011 anerkannt. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, dem Beklagten 60 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt und die Berufung zugelassen. Die Klage sei über den vom Beklagten anerkannten Teil hinaus unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2012 sei hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. März 2012 rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der geforderten KdU. Angemessen im Sinne der Regelung des § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II seien hier 230 EUR Brutto-Kaltmiete (185 EUR Kaltmiete zzgl. 45 EUR Nebenkosten) sowie die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von monatlich 47 EUR (Urteil des Sozialgerichts vom 27. April 2015, dem Kläger am 29. Juli 2015 zugestellt). Der Kläger hat hiergegen am 21. Mai 2015 Berufung eingelegt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
KAAAH-23364

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LSG Thüringen, Urteil v. 12.12.2018 - L 7 AS 692/15

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