BGH Beschluss v. - 4 StR 82/17

Tateinheitlicher Tatbeitrag bei Diebstahlstour an einem Tag

Gesetze: § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB, § 244 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 9/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 54 Fällen, wobei es in 32 Fällen beim Versuch blieb, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Annahme real konkurrierender Taten hält nicht in allen zur Aburteilung gelangten Fällen rechtlicher Überprüfung stand.

3a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. nur , NStZ 2014, 702).

4b) Der Angeklagte hat nach den Feststellungen nie selbst vor Ort an den von ihm organisierten Ladendiebstählen mitgewirkt; er hat jedoch stets in den Fällen, in denen mehrere Geschäfte an einem Tag aufgesucht wurden, zuvor die Tatorte, die zu stehlenden Waren sowie die konkret eingesetzten - mindestens zwei - Bandenmitglieder und ggf. weitere Mittäter bestimmt. Damit hat er als Kopf der Bande vor Beginn der jeweiligen „Tagestour“ nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht. In diesen Fällen der Begehung mehrerer Diebstähle an einem Tag ist daher (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 191/14 aaO; vom - 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641, und vom - 4 StR 231/14).

5Dementsprechend liegt - neben den Fällen, in denen an einem Tag nur ein Diebstahl begangen wurde (Fälle II.3 [Versuch], 22 [Versuch], 34 [Vollendung], 49 [Vollendung] und 54 [Vollendung] der Urteilsgründe) - in den folgenden Fällen jeweils eine Handlungseinheit vor:

Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.6, 7, 8, 9 und 10 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.11, 12 und 13 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.14, 15, 16 und 17 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.18, 19, 20 und 21 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.23, 24, 25 und 26 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.27, 28, 29, 30 und 31 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.32 und 33 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.35, 36, 37, 38, 39 und 40 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.41, 42, 43 und 44 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.45 und 46 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.47 und 48 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.50 und 51 der Urteilsgründe am ;

Fälle II.52 und 53 der Urteilsgründe am .

6Dabei blieb es am 20. September, am 12. November und am insgesamt beim Versuch.

7c) Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. , NStZ 1996, 493; Beschluss vom , aaO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8d) Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die im Tenor unter Ziffer 1. Buchst. d bezeichneten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.

9e) Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird in diesen Fällen neue Einzelstrafen festzusetzen und eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben. Bei der Zumessung der Einzelstrafen wird er auch das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten haben; dies bedeutet hier, dass die neu festzusetzenden Einzelstrafen nicht höher als die Summe der Strafen sein dürfen, die im angefochtenen Urteil für sämtliche an einem Tag begangenen Einzeltaten verhängt wurden (vgl. , StraFo 2014, 28, 29).

102. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom hat der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II.54 der Urteilsgründe auf drei Jahre sowie den Anrechnungsmaßstab für die in Rumänien erlittene Freiheitsentziehung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB auf 1:1 festgesetzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:280317B4STR82.17.0

Fundstelle(n):
MAAAH-22134