BGH Beschluss v. - 4 StR 191/14

Strafverfahren wegen schweren Bandendiebstahls: Konkurrenzrechtliche Beurteilung bei durch mehrere Tatbeteiligte begangener Tatserie

Gesetze: § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 52 KLs 13/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten R.       wegen "schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Mitangeklagten K.      , M.       und A.       hat es wegen "schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb" (K.       ), "schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb" (M.      ) und Wohnungseinbruchsdiebstahls (A.      ) (Gesamt-)Freiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten (K.      und M.      ) sowie einem Jahr und sechs Monaten (A.     ) verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R.       führt zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Gemäß § 357 StPO ist die Änderung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K.      und M.      zu erstrecken.

21. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3a) Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte R.       , die Mitangeklagten K.      und M.       sowie der anderweitig verfolgte Mi.   am nach Düsseldorf-Niederkassel, um dort Wohnungseinbrüche zu begehen. In der Folge drangen mehrere Mitglieder der Gruppe durch eine aufgehebelte Tür in die Souterrainwohnung des Geschädigten Ah.   ein, während die übrigen Gruppenmitglieder die Umgebung absicherten (Fall II.3 der Urteilsgründe). Nachdem sie in der unmöblierten Wohnung nichts Stehlenswertes gefunden hatten, brachen sie von außen in die im ersten Obergeschoss desselben Hauses gelegene Wohnung des Geschädigten Ko.  ein und entwendeten daraus Gegenstände in einem Wert von 10.000 Euro (Fall II.4 der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen dazu, wer aus der Tätergruppe in das Haus eingedrungen ist und wer die Umgebung abgesichert hat, vermochte das Landgericht nicht zu treffen.

4b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. nur , NStZ 2013, 641 m. Anm. Kämpfer; Beschluss vom - 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238; Urteil vom - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Lässt sich nicht feststellen, durch wie viele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestellten Taten gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine Handlung begangen hat (, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; vgl. Beschluss vom - 3 StR 138/87, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1).

5Da das Landgericht die einzelnen Tatbeiträge nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er nicht selbst in die Wohnungen der Geschädigten Ah.   und Ko.  eingedrungen ist, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbrüchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat er in Bezug auf diese beiden Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. , Rn. 5)

62. Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. , Rn. 17). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7Infolge der Schuldspruchänderung entfällt die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.3 der Urteilsgründe. Die Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.4 der Urteilsgründe bleibt als alleinige Einzelstrafe bestehen. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (, Rn. 8; Beschluss vom - 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom - 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Beschluss vom - 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom - 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von acht Mal zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, zwei Mal zwei Jahren Freiheitsstrafe, ein Mal einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe und zwei Mal einem Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

83. Da die Urteilsaufhebung auf einer Rechtsverletzung beruht, die auf die Sachrüge hin zu beachten ist, ändert der Senat nach § 357 StPO (vgl. dazu El-Ghazi, Die Zuordnung von Gesetzesverletzungen zu Sach- und Verfahrensrüge in der strafprozessualen Revision, 2014, S. 90 f. mwN; krit. Basdorf in Festschrift Meyer-Goßner, 2001, S. 665, 673 f.; Hamm in Festschrift Hanack, 1999, S. 369, 383 ff.) auch bei den nichtrevidierenden Mitangeklagten K.      und M.      die Schuldsprüche entsprechend ab. Dadurch kommt auch bei ihnen die im Fall II.3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe in Wegfall. Die gegen sie festgesetzten Gesamtstrafen werden davon nicht berührt, da der Senat mit Rücksicht auf die verbleibenden Einzelstrafen ausschließen kann, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

Fundstelle(n):
NAAAE-71399