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LSG Hamburg Urteil v. - L 3 R 85/17

Die Klägerin, die eine Immobilienverwaltung betreibt, wendet sich dagegen, der Beklagten 75.522,28 EUR aus einer überzahlten Rente zu erstatten. Die am xxxxx geborene S. bezog von der Beklagten ab Januar 1967 eine Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann S1 (Bescheid vom 18. Mai 1967). Die Rente wurde durchgehend auf das Konto überwiesen, das von der D. AG, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, geführt wurde. Zudem bezog Frau S. eine Witwenpension der Pensionskasse B., einen darauf bezogenen Firmenzuschuss der U. und ab Juni 1985 eine Altersrente aus eigener Versicherung von der L. die ebenfalls auf das genannte Konto überwiesen wurden. Frau S. wohnte zunächst in H ... Als letzte H. Adresse war der Beklagten "A.", bekannt. Zum 1. August 1987 mietete Frau S. eine Wohnung im F. in H1 (S2) an und erteilte dem Vermieter eine Einzugsermächtigung für das erwähnte Konto. Die Wohnung stand jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum im Eigentum eines W.L ... Dieser hatte sich mit anderen Wohnungseigentümern zu einer GbR zusammengeschlossen, in der die Erträge aus der Vermietung der einzelnen Wohnungen gebündelt wurden ("M."). Die K. GmbH (im Folgenden Fa. K.) war im streitbefangenen Zeitraum zumindest zeitweise Geschäftsführerin dieser "M." GbR, für deren Gesellschafter sie die Mieten einzog. Verwaltet wurden die Wohnungen von der Klägerin, die Herrn L. auch bei Abschluss des Mietvertrags mit Frau S. vertreten hatte. Die Fa. K. und die Klägerin bestanden aus jeweils denselben Gesellschaftern, hatten dieselben Geschäftsführer, nutzten eine gemeinsame Verwaltung und es waren dieselben Mitarbeiter für sie tätig. Frau S. meldete sich für die Wohnung in H1 nicht an. Mit Schreiben vom 17. November 1988 teilte die Rentenrechnungsstelle der D. der Beklagten mit, die Rentenzahlung in Kürze zu unterbrechen, weil Frau S.s Aufenthalt nicht zu ermitteln sei. Eine Nachfrage der Beklagten beim Einwohnermeldeamt H. ergab, dass Frau S. dort weiterhin mit der Adresse A. gemeldet war. Zu einer Rentenunterbrechung kam es nicht. Ausweislich einer Änderungsanzeige des Rentenservices der D. war bei der Beklagten jedenfalls ab dem 15. Juni 1989 für Frau S. die Adresse im F. in H1 erfasst. Es hat sich nicht aufklären lassen, woher der Rentenservice oder die Beklagte diese Information erhalten hatten. Ebenso wenig ist zu ermitteln gewesen, ob und gegebenenfalls seit wann Frau S. nicht mehr in H. gemeldet gewesen war. Am xxxxx 1990 verstarb Frau S. in ihrer Wohnung in H1. Dort hatte sie zusammen mit ihrem 1939 geborenen Sohn, R. S., gelebt, für den seit dem 5. Mai 1988 ununterbrochen eine umfassende Postgirovollmacht für das benannte Konto bestanden hatte. Der Sohn verfügte zudem über eine Generalvollmacht. Er machte der Klägerin Anfang Februar 1990 Mitteilung vom Versterben seiner Mutter und trat in das Mietverhältnis ein, ohne dass die Klägerin oder die Fa. K. die Mieterdaten anpassten. Mit Billigung des Sohns wurde die Miete weiterhin von dem benannten Konto eingezogen, auf das unverändert die Renten und der Firmenzuschuss überwiesen wurden. Eingezogen wurde die Miete zunächst von der Klägerin und ab dem 1. August 1999 von der Fa. K ... Im Buchungstext der Lastschrift wurde unverändert "H.S." als Mieterin angegeben. Dem Buchungstext lässt sich nicht entnehmen, auf welches Konto die abgebuchten Beträge jeweils flossen. Etwas anderes gilt nur für die Abbuchungen für Januar bis Mai 1999, die zugunsten der Klägerin auf ein H2-Konto mit der Nr. erfolgten. Jedenfalls ab dem 29. Dezember 1995 war bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Adresse der vermeintlichen Kontoinhaberin die Adresse in H1 mit dem Zusatz "c/o R. S." erfasst. Ihr 95. Lebensjahr hätte Frau S. im Mai 1999 vollendet. Der L. war im Frühjahr 2000 zunächst weder die Adresse in H1 noch eine andere Adresse für Frau S. bekannt, weswegen sie beabsichtigte, ihre Rentenzahlungen ab Juli 2000 einzustellen. Am 31. Mai 2000 erhielt die Beklagte eine entsprechende Änderungsanzeige. Am 8. Juni 2000 telefonierte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten mit demjenigen der L. und vermerkte anschließend, "Nach Rückspr mit L. H. wird die Rente lfd gezahlt. Vers nicht verstorben.". Mit Schreiben vom 8. August 2000 teilte die L. der Beklagten mit, die Rentenzahlungen an Frau S. seien zum September 2000 wieder aufgenommen worden, nachdem ihr Sohn mitgeteilt habe, er lebe in einem Haushalt mit seiner Mutter in H1, F., und habe seine Mutter unter dieser Adresse inzwischen beim zuständigen Einwohnermeldeamt angemeldet. Mit Schreiben vom 9. Juni 2006 bat der Rentenservice der D. die Meldebehörde der Gemeinde H1 um eine Meldeauskunft bezüglich Frau S., nachdem eine Rentenmitteilung nicht zugestellt werden konnte. Die Gemeinde antwortete mit Schreiben vom 15. und 26. Juni 2006, Frau S. sei dort nicht gemeldet und auch nie gemeldet gewesen. Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 teilte der Rentenservice der D. der Beklagten dies im Rahmen der Überprüfung der Rentenberechtigten ab dem 95. Lebensjahr mit. Da die letzte Anpassungsmitteilung nicht zurückgekommen sei, werde die Rente weiter gezahlt. Die Gemeinde H1 bestätigte der Beklagten auf Nachfrage, dass Frau S. dort nicht gemeldet und nie gemeldet gewesen sei. Mit der Adresse F. sei lediglich der Sohn seit 1988 gemeldet. Die Beklagte stellte die Rentenzahlungen zum 31. August 2006 vorläufig ein. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 informierte sie den Sohn von Frau S. hierüber und forderte ihn auf, eine Meldebescheinigung für seine Mutter vorzulegen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2006 legte der Sohn bei der L., von der er eine vergleichbare Aufforderung erhalten hatte, eine gefälschte Meldebescheinigung vor, nach deren Inhalt er und seine Mutter sich am 4. Dezember 1990 in H1 angemeldet hätten. Die L. leitete die Unterlagen an die Beklagte weiter, die sie der Gemeinde H1 vorlegte. Diese erkannte die Meldebestätigung als Fälschung, legte die Sterbeurkunde von Frau S. vor und kündigte eine Strafanzeige gegen den Sohn an. Letzterer legte der Beklagten in Unkenntnis dieser Vorgänge ebenfalls die gefälschte Meldebescheinigung vor. Die Beklagte hatte zur Erfüllung des vermeintlich fortbestehenden Rentenanspruchs im Zeitraum vom 1. Februar 1990 bis zum 31. August 2008 insgesamt 177.776,86 Euro auf das benannte Konto überwiesen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere Höhe und Datum der einzelnen Rentengutschriften sowie Höhe und Abbuchungsdatum der einzelnen Monatsmieten wird auf die zum Verwaltungsvorgang genommenen Kontoauszüge Bezug genommen. Die L. bezifferte die Überzahlung aus der Versichertenrente auf 60.570,29 Euro, die Pensionskasse B. und die U. bezifferten ihre Überzahlungen auf zusammen 248.120,07 Euro. Mit Schreiben vom 3. August 2006, das am 11. August 2006 bei der Rechtvorgängerin der Beigeladenen einging, forderte die Beklagte unter Vorlage der Sterbeurkunde die im Zeitraum vom 1. Februar 1990 bis zum 31. August 2008 gezahlte Hinterbliebenenrente in Höhe von 177.766.86 Euro zurück. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen antwortete mit Schreiben vom 14. August 2006, der Rückforderung mangels Kontodeckung nicht entsprechen zu können, weil seit Gutschrift der Rente über den kompletten Rentenbetrag verfügt worden sei. Der Kontostand betrage am 11. August 2006, dem Tag der Rückforderung, 4.156,78 Euro im Soll. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen informierte zudem darüber, dass für den Sohn von Frau S. eine Unterschriftenberechtigung vorliege. Das Konto, das am 11. August 2006 tatsächlich den mitgeteilten Sollbetrag aufgewiesen hatte, wurde zum 8. November 2006 aufgelöst. Die Beklagte stellte - wie die Pensionskasse B. und die U. - Strafanzeige gegen den Sohn von Frau S., der wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Berufungsgericht merkte im Rahmen der Strafzumessung an, die leistungsgewährenden Stellen hätten ihm die Tatbegehung erstaunlich leicht gemacht, indem nur sehr selten schriftliche Nachweise über die Bezugsberechtigung angefordert worden seien und man sich teilweise auch mit mündlichen Auskünften zufriedengegeben habe (LG Itzehoe, Urt. v. 29. Jan. 2008, 3 Ns 76/07). Im erstinstanzlichen Strafverfahren hatte der Sohn vor dem AG Pinneberg ausgesagt, einmal, nach seiner Erinnerung im Jahr 1998, in B. angerufen zu haben, als die Rentenzahlungen aussetzten, und dort "Märchen erzählt" zu haben; daraufhin habe man keine Unterlagen von ihm gewollt. Die Beklagte forderte 177.776,86 Euro vom Sohn von Frau S. zurück (Bescheid vom 12. Februar 2007, bestandskräftig). Zahlung oder Vollstreckung erfolgten nicht. Eine Rückforderung der L. gegenüber dem Sohn ist ebenfalls fruchtlos geblieben. Die Beklagte stellte in Absprache mit der L. weitere Ermittlungen wegen etwaiger Rückforderungsansprüche gegen Dritte an. Sie forderte ergänzende Auskünfte von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen an, die mit Schreiben vom 14. Dezember 2006, 22. Juni, 12. und 26. Juli sowie 14. August 2007 die Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 8. November 2006 übermittelte und mitteilte, die Unterlagen für die Jahre davor nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen vernichtet zu haben. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen versicherte, keine eigenen Forderungen mit dem Rentenbetrag verrechnet zu haben; listete die jeweiligen Kontostände vor Eingang der monatlichen Rentenzahlung auf; machte ergänzende Angaben zu den Buchungszeiten einzelner Buchungen und erläuterte, auch telefonisch, allein anhand der Kontoauszüge könne man die Umsätze nicht nachvollziehen, weil die Kontoauszüge unabhängig vom Zeitpunkt der eigentlichen Buchung zuerst alle Belastungen und dann alle Gutschriften ausweisen würden. Kontoauszüge für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 waren auch vom Sohn von Frau S. nicht zu erlangen. Die Beklagte ging zunächst davon aus, dass ihr und der L. Rückforderungsansprüche gegen die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 zustehen würden, die sich auf 225.590,87 Euro summieren würden. In einer E-Mail an die L. vom 1. Oktober 2007 regte sie an, diese Ansprüche getrennt geltend zu machen mit Ausnahme eines Betrags von 91,17 Euro, der zur Vermeidung einer Quotelung allein von der Beklagten geltend gemacht werden solle. Da nicht zu erwarten sei, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen den Rückforderungen entspreche, müsse Leistungsklage erhoben werden. Davon solle jedoch zunächst abgesehen werden. Derzeit seien beim Bundessozialgericht diverse Verfahren zu § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI anhängig. Der vorliegende Fall einer Überzahlung über 16 Jahre solle nicht als "Negativ-Beispiel" in die dortigen Überlegungen eingehen. Die Beklagte ging weiter davon aus, dass ihr und der L. zusammen Erstattungsansprüche gegenüber dem Sohn von Frau S. und diversen Dritten in Höhe von zusammen 12.755,74 Euro zuständen. Diese sollten, wie sie ebenfalls in der E-Mail vorschlug, allein von der Beklagten geltend gemacht werden, um nicht jeweils zwei Verfahren wegen gequotelter Beträge führen zu müssen. Die L. stimmte den Vorschlägen zu. Ansprüche gegen Dritten wurden gleichwohl zunächst nicht geltend gemacht. Nachdem mehrere höchstrichterliche Entscheidungen zu § 118 SGB VI ergangen waren, änderte die Beklagte ihre Auffassung. Sie ging nunmehr davon aus, allenfalls Rücküberweisungen der Renten für Februar 1996 und seitdem verlangen zu können, weil nur hinsichtlich des streitbefangenen Zeitraums Kontoauszüge vorliegen würden. Sie ging weiter davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht allein deswegen zur Rücküberweisung verpflichtet bleibe, weil sie weitere Verfügungen zugelassen habe, obwohl sich das Konto bei Renteneingang bereits im Soll befunden habe. Die Beklagte stellte für den streitbefangenen Zeitraum, für den von ihr 118.935,05 Euro und von der L. 40.707,91 Euro überzahlt worden waren, eine umfangreiche "Schutzbetragsberechnung" an. Danach verblieben Verfügungen zugunsten der Fa. K. in Höhe von 49.132,79 Euro und zugunsten der Klägerin in Höhe von 23.389,79 Euro. 49.132,79 Euro zuzüglich 23.389,79 Euro ergeben 75.522,58 Euro. Die Beklagte regte in einer E-Mail vom 22. Dezember 2009 an die L. an, dass man die Erstattungsforderungen entlang der verschiedenen Empfänger unter sich aufteile und sie, die Beklagte, unter anderem die beiden genannten Empfänger zur Erstattung auffordere. Die L. war auch damit einverstanden. Mit Schreiben vom 2. März 2010 hörte die Beklagte die Fa. K. zur Absicht an, wegen der im Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis zum 31. August 2008 erfolgten Lastschriftabbuchungen Erstattung in Höhe von 75.522,58 Euro zu fordern und sich dabei auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zu stützen. Die Fa. K. erwiderte, nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen und auch die Beklagte vom Versterben der Frau S. gewusst hätten. Die Rücküberweisungsverpflichtung der kontoführenden Bank bleibe aber bestehen, wenn diese Kenntnis vom Tode des Rentenberechtigten habe. Zudem sei die Erstattungspflicht Dritter aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zur Rückabwicklung kurzzeitiger Überzahlungen gedacht. Es erscheine unbillig und für den Vermieter existenzbedrohend, darauf eine Erstattungsforderung für einen Zeitraum von 10 Jahren zu stützen. Das gelte umso mehr, als vorliegend kein Grund zu der Annahme bestanden habe, die Miete sei aus Mitteln aufgebracht worden, über die der Sohn von Frau S. nicht habe verfügen dürfen. Dieser habe bereits zu Lebzeiten mit ihr zusammen gewohnt und sie mutmaßlich beerbt. Wenn es ihm durch kriminelles Handeln gelungen sein sollte, sowohl der Beklagten als auch der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen das Versterben seiner Mutter zu verheimlichen, müsse nicht sie, die Fa. K., für den Schaden aufkommen. Die Nachfragen der Beklagten, unter anderem in welchem Verhältnis die Fa. K. und die Klägerin zueinander stünden, auf welches Konto die Miete für August 1999 bis August 2006 gegangen und wer Inhaber des Kontos sei, ließ die Fa. K. in der Sache unbeantwortet. Daraufhin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 2010 nur von der Fa. K. die Erstattung von 75.522,58 Euro. Sie stützte sich wie angekündigt auf § 114 Abs. 4 Satz 1 SGB VI und führte zur Begründung ergänzend aus, die Erstattungspflicht der Fa. K. bestehe auch dann, wenn sie die Geldleistungen nur treuhänderisch entgegengenommen haben sollte. Mit Blick auf das Vorbringen im Rahmen der Anhörung ergänzte sie, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe keine Kenntnis vom Tode der Frau S. gehabt. Ebenso wenig habe sie, die Beklagte, davon gewusst oder davon ausgehen müssen, zumal die regelmäßig versandten Rentenanpassungsmitteilungen stets zugestellt werden konnten. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI komme sicherlich im Regelfall auf kurzzeitige Überzahlungen zur Anwendung, sei aber auch auf langfristige Überzahlungen anwendbar. Ob die Geltendmachung der Erstattungsforderung zu einer unbilligen Härte führe, sei erst auf der Ebene der Forderungsdurchsetzung zu prüfen. Mit dem Widerspruch vertiefte die Fa. K. ihr Vorbringen und äußerte vor allem ihr Befremden darüber, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten keine Kenntnis von Frau S.s Ableben gehabt haben wolle, die bei Ende des streitbefangenen Zeitraums 102 Jahre alt gewesen wäre. Während des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte erneut Kontakt zur Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auf, die telefonisch bestätigte, erst durch die Mitteilung der Beklagten von Frau S.s Versterben erfahren zu haben. Insbesondere der Sohn habe das zuvor nicht mitgeteilt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre vorherigen Ausführungen und ergänzte, § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI enthalte keine spezielle Vertrauensschutzregelung. Der Widerspruchsbescheid ist der Fa. K. ausweislich des Eingangsstempels ihres damaligen Bevollmächtigten am 16. März 2011 zugegangen. Am 15. April 2011 hat sie Klage erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Sie meint, sowohl die Beklagte als auch die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hätten grob fahrlässig gehandelt, wenn ihnen das Versterben von Frau S. über 16 Jahre verborgen geblieben sein sollte. Die Fa. K. vertritt zudem, ihre Erstattungspflicht sei hinsichtlich aller Abbuchungen, die vor dem 29. Juni 2002 vorgenommen worden seien, auch deswegen ausgeschlossen, weil § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB IV in der seinerzeit geltenden Fassung noch keine Erstattungspflicht für Empfänger von Zahlungen durch Lastschrifteinzug vorgesehen habe. Die Beklagte hat an ihren Bescheiden festgehalten und ergänzend auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 13. Oktober 2014 (S 6 R 882/12) verwiesen. Sie hebt hervor, von allen Beteiligten sei es allein die Fa. K. gewesen, die über Frau S.s Tod informiert gewesen sei. Am 9. Juli 2015 hat ein Erörterungstermin und am 16. März 2017 die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht stattgefunden, das mit Urteil vom Tag der mündlichen Verhandlung die angegriffenen Bescheide aufgehoben hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne sich nicht auf Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI an die Fa. K. wenden, sondern hätte vorrangig die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen aus § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI in Anspruch nehmen müssen. Nach Aufdeckung des großangelegten Betrugs durch den Sohn von Frau S. habe die Beklagte insbesondere prüfen müssen, ob die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen tatsächlich zu keinem Zeitpunkt vom Versterben ihrer Kundin gewusst habe, auch nicht angesichts der Zahlungseinstellungen der L. oder der Erteilung der Kontovollmacht an den Sohn. Dieser Aufklärungspflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Sie habe sich mit einem bloßen Telefonat mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen; mit deren einsilbiger Auskunft, bei Eingang des Rückforderungsbegehrens habe sich das Konto im Soll befunden, und mit einem insgesamt nicht schlüssig gemachten Entreicherungseinwand ohne jedes Beweisangebot zufrieden geben. Die internen Vermerke würden zudem nahelegen, dass die Beklagte aus rein taktischen Erwägungen von einer Inanspruchnahme der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen abgesehen und stattdessen nur an die Fa. K. und andere Drittempfänger herangetreten sei. Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten am 9. August 2017 zugestellt worden. Mit ihrer am 22. August 2017 erhobenen Berufung verwahrt sie sich gegen den Vorwurf unzureichender Sachaufklärung und verweist auf die umfangreiche Korrespondenz und die Telefonate mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen. Diese habe unter anderem die vollständigen Kontoauszüge für den streitbefangenen Zeitraum übersandt, nach denen sich das Konto aufgrund anderweitiger Verfügungen durchgängig im Minus befunden habe. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei eine Klage gegen die Rechtsvorgängerin aussichtslos erschienen. Auch das Sozialgericht habe nicht aufgezeigt, welche Ermittlungen zusätzlich hätten unternommen werden sollen. Insbesondere habe keinerlei Anlass bestanden, an der Gutgläubigkeit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu zweifeln. Diese habe telefonisch bestätigt, erst durch sie, die Beklagte, vom Ableben der Frau S. erfahren zu haben. Das erscheine gerade in diesem Einzelfall glaubhaft, in dem der Sohn offensichtlich alles unternommen habe, einschließlich einer Urkundenfälschung, um den Tod seiner Mutter zu verschleiern. Auch die L. und die Betriebsrententräger hätten nachvollziehbar bis 2006 nichts davon gewusst. Zudem gebe es bei lebensnaher Betrachtung keinen Grund, warum der Sohn gerade der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Mitteilung vom Tode seiner Mutter gemacht haben sollte. Demgegenüber habe die Fa. K. vom Versterben ihrer ursprünglichen Mieterin gewusst und auch davon, dass das zur Mieteinziehung genutzte Konto weiterhin auf deren Name laufe. Weiter führt die Beklagte aus, man habe nur wegen des seinerzeit umstrittenen Umgangs mit Debit-Konten auf eine Klage gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten verzichtet. Die Frage, ob diese gutgläubig gewesen sei, habe dabei keine Rolle gespielt, zumal sich dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal nach Auffassung der Beklagten erst aus der zeitlich späteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergebe. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Fa. K. ist während des Berufungsverfahrens auf die Klägerin verschmolzen worden. Diese beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie hebt hervor, es erscheine lebensfremd, wenn die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei einer über 90-jährigen Kundin über eine so langen Zeitraum keine Legitimationsprüfung vorgenommen haben wolle, zumal das Konto regelmäßig im Umfang des zwei- bis dreifachen der insgesamt eingehenden (Renten-) Zahlungen im Soll gestanden habe. Die Klägerin erachtet auch das Verhalten der Beklagten als mindestens grob fahrlässig, die jedenfalls angesichts der Rentenunterbrechung durch die L. ausreichend Anlass zu einer eigenen Überprüfung der Meldedaten gehabt habe. Ebenso wenig sei erkennbar, dass die Rentenberechtigung ab dem 95. Lebensjahr vor 2006 überhaupt überprüft worden sei. Die Klägerin hat die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Beschluss vom 27. Juli 2018 ist die D. AG als Rechtsnachfolgerin der P. beigeladen worden. Die Beigeladene beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für falsch und ist insbesondere der Ansicht, ihr gegenüber bestehe kein Rückforderungsanspruch. Unstreitig sei bei Eingang das Rückforderungsersuchens der Beklagten über die gesamten monatlichen Rentenzahlungen verfügt gewesen, unter anderen zu Gunsten der Fa. K ... Zuvor habe sie, die Beigeladene, keine Kenntnis von Frau S.s Versterben gehabt. Hierfür habe es aus ihrer Sicht keinerlei Anhaltspunkte gegeben, zumal der Sohn jedenfalls seit 1988 kontoverfügungsberechtigt gewesen sei. Sollte die Beklagte ihr, der Beigeladenen, gegenüber einen Rückforderungsanspruch geltend machen wollen, stehe dem ein Forderungsverzicht und die Einrede der Verjährung entgegen, die schon jetzt erhoben werde. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat hat am 26. Februar 2019 stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Unterlagen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Fundstelle(n):
MAAAH-16899

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LSG Hamburg, Urteil v. 26.02.2019 - L 3 R 85/17

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