NWB Nr. 14 vom Seite 921

Konterkarierter Missbrauchsverhinderungsgedanke

StB Professor Dr. iur. Swen O. Bäuml | Hochschule Mainz | Partner WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Frankfurt | Mitherausgeber der NWB

ErbStRL 2019: Die fiskalische Daumenschraube wird weiter angezogen!

Nach der grundlegenden Reform der Begünstigungsvorschriften für Betriebsvermögen zum (ErbStRG) liegen nun die Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 im Entwurf vor (ErbStRL-E 2019).

Für finanzstarke Unternehmen mit hoher Eigenkapitalisierung brachte bereits die Gesetzesänderung zum im Bereich der sog. jungen Finanzmittel eine Verschärfung, indem die bis dato tolerierten 20 % Finanzmittel im Betriebsvermögen auf 15 % beschränkt und – so die ersten Anwendungserlasse 2017 – für Personengesellschaften i. S. des § 15 Abs. 3 EStG sogar auf null reduziert wurden. Die Einstufung u. a. von Geld und Forderungen aus LuL als schädliches Finanzmittel-Verwaltungsvermögen für Erwerbe ab dem sollte sog. Cash-Gesellschaftsmodelle verhindern, mit denen z. B. durch Einlage von Geld aus Privatvermögen schenkungsteuerrechtlich begünstigungsfähiges Betriebsvermögen kreiert werden konnte.

Die ErbStRL-E 2019 gehen noch einen Schritt weiter und klassifizieren nicht nur die Einlage von Finanzmitteln jenes Gesellschafters als „jung“ (und damit – unabhängig von der 15 %-Grenze – als nicht begünstigt), der auch der spätere Erblasser/Schenker ist. Schädlich sollen alle Einlagen binnen zwei Jahren sämtlicher Gesellschafter sein, sofern sie die Entnahmen übersteigen, selbst wenn Einlegende und Einlagen weder persönlich noch sachlich in Zusammenhang mit dem späteren unentgeltlichen Erwerb stehen.

Endgültig konterkariert wird der gesetzgeberische Gedanke der Missbrauchsverhinderung, indem die ErbStRL-E 2019 selbst konzerninterne Einlagen in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen als Zuführung jungen Verwaltungsvermögens einordnen. Zum einen liegt hier keine Zuführung aus dem Privatvermögen vor, womit es am Missbrauchsaspekt fehlen dürfte. Zum anderen werden damit konzerninterne Finanzierungsstrukturen in Gestalt der Weiterreichung von Kapital von der meist „oben“ angesiedelten Finanzierungsgesellschaft bzw. gar der Holding an investierende operative Tochter- bzw. Enkelgesellschaften zu einem erheblichen Erbschaftsteuerrisiko. Die zahlreichen betroffenen Familienunternehmen sind gut beraten, ihre Finanzierungsstrukturen zu überdenken. Vom Gesetzeswortlaut bzw. -zweck gedeckt scheint diese Lesart der Finanzverwaltung nicht.

Ebenfalls fragwürdig scheint das mit gefundene Ergebnis des FG Köln, wonach die rückbezogene Anwendung des erst am im Bundesgesetzblatt veröffentlichten ErbStRG auf Erwerbe ab dem zulässig gewesen sein soll. Dies, obwohl das FG Köln nicht umhin kam, das Vorliegen einer (eigentlich verfassungsrechtlich unzulässigen) echten (!) Rückwirkung zu bejahen. Der BFH befasst sich nun unter Az. II R 1/19 mit der Entscheidung. Steuerpflichtige sollten unter Bezugnahme auf dieses Verfahren weiterhin Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide für Erwerbe zwischen dem 1.7. und dem offen halten.

Swen Bäuml

Fundstelle(n):
NWB 2019 Seite 921
NWB FAAAH-10763