Prüfung des Hauptzollamts nach dem Mindestlohngesetz bei einem im EU-Ausland (hier: Polen) ansässigen Unternehmen der Transport-
und Logistikbranche zur Klärung der Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes: EU- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, Ermessensausübung
bei Prüfungsanordnung, vorlagepflichtige Unterlagen, Zweijahresfrist für Überprüfung
Leitsatz
1. Auch wenn ein Unternehmen der Transport- und Logistikbranche in Polen ansässig ist und auf die mit seinen Fahrern geschlossenen
Arbeitsverträge grundsätzlich polnisches Recht anwendbar ist, unterliegt das Unternehmen dem Mindestlohngesetz und der Überprüfung
durch das zuständige Hauptzollamt, wenn es widersprüchliche Erklärungen zum Einsatz mehrerer Mitarbeiter im Inland gemacht
hat und mit der Prüfung zunächst festgestellt werden soll, ob überhaupt ein Anknüpfungspunkt für die Geltung des Mindestlohngesetzes
bezüglich dieser Fahrer gegeben ist. Somit ist auch eine Überprüfung zulässig, ob wie später angegeben nur Transitverkehr
durchgeführt worden ist (Ausführungen zur Ermessensausübung des Hauptzollamts bei Erlass einer Prüfungsverfügung nach dem
Mindestlohngesetz).
2. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auch im Speditions- und Transportsektor und die damit verknüpften Nachweis-
und Kontrollvorschriften stehen im Einklang mit Europarecht sowie Verfassungsrecht und verstoßen insbesondere nicht gegen
die auch im Verkehrssektor geltende Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 58 Abs. 1 i. V. m. Art. 91 AEUV), die Warenverkehrsfreiheit
(Art. 34 ff. AEUV) sowie das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs.
1 GG), den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
3. Es steht im Ermessen des Hauptzollamts, im Rahmen einer Mindestlohnprüfung nicht nur die nach § 17 Abs. 1 MiLoG (bzw. §
1 Abs. 1 MiLoAufzV) zu führenden Aufzeichnungen, sondern auch weitere Unterlagen wie CMR-Frachtbriefe, Daten der Fahrerkarten
im DDD-Format, GPS-Fahrzeugdaten anzufordern und zu prüfen. Die Prüfungsbefugnis ist auch nicht lediglich auf den Zeitraum
beschränkt, in dem sich die Fahrer im Bundesgebiet aufhalten.
4. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vorlage von Unterlagen nach §§ 15 S. 1 Nr. 1, 2 MiLoG besteht auch dann noch, wenn
vor Ablauf von zwei Jahren eine Prüfungsanordnung erlassen worden ist, mittlerweile mehr als zwei Jahre vergangen sind und
dies auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Prüfungsverfügung durch den Arbeitgeber zurückzuführen ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.01.2019 - 1 K 1174/17
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