Online-Nachricht - Mittwoch, 27.02.2019

Verfahrensrecht | Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit (BFH)

Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemeinnützig ist im Steuerrecht die Verfolgung der in § 52 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Hierzu gehört nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Allerdings dürfen sich Körperschaften nach ständiger BFH-Rechtsprechung zur Förderung ihrer nach § 52 AO steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke in gewissen Grenzen auch betätigen, um z.B. zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu nehmen.

Sachverhalt: Das Finanzamt versagte dem Kläger die Gemeinnützigkeit, da es bereits an der formellen Satzungsmäßigkeit fehle. Die in der Satzung des Klägers genannte Förderung der Demokratie genüge nicht. Hiergegen wandte sich der Kläger. Laut ihm sei eine wörtliche Übernahme der Mustersatzung nicht erforderlich. Er habe mit seinen politischen Aktionen nur satzungsmäßige gemeinnützige Ziele verfolgt. Die Abgabenordnung verbiete es nicht, gemeinnützige Ziele mit politischen Mitteln und Aktionen zu verfolgen. Das Hessische Finanzgericht (FG) war davon ausgegangen, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche.

Der BFH verwarf die Entscheidung der Vorinstanz und verwies die Sache an das FG zurück:

  • Für die zur Volksbildung gehörende politische Bildung ist wesentlich, politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden. Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus.

  • Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.

  • Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen.

  • Der attac-Trägerverein ist nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei "Kampagnen" zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z.B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.

  • Das FG hat nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der attac-Bewegung zuzurechnen sind. Dies ist in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen.

  • Dabei hat das FG auch die Selbstdarstellung des attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen.

Hinweis:

Der attac-Trägerverein hat den BFH unter Verzicht auf das Steuergeheimnis ermächtigt, seinen Namen in Pressemitteilungen zu offenbaren.

Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass keine Spendenbescheinigungen (Bestätigungen über nach § 10b Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abziehbare Zuwendungen) ausgestellt werden dürfen. Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung des Klägers in Folgejahren von Bedeutung sein.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 9/2019 v. sowie Urteil v. - V R 60/17; NWB Datenbank (Ls)

Fundstelle(n):
NWB RAAAH-08527