Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte liegt nur vor, wenn die vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist
Leitsatz
Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG liegt nur vor, wenn die vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist, sodass diese sich insoweit als selbstständig erweist, was anhand einer materiellen, auf die Ausbildungsinhalte bezogenen Betrachtungsweise festzustellen ist.
Gesetze: § 5 Abs 2 BAföG, § 5 Abs 4 BAföG
Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 12 S 699/16 Urteilvorgehend VG Sigmaringen Az: 1 K 3751/14 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Auslandssemester, das sie im Rahmen ihres Bachelor-Studiums International Management an der Europa-Universität Flensburg von September 2014 bis Februar 2015 am European Overseas Campus (EOC) in Indonesien absolvierte.
2Der EOC ist eine unter Beteiligung der Universität Flensburg nach indonesischem Recht gegründete Stiftung zu Bildungszwecken. Das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein verlieh dem EOC 2006 die Stellung als angegliederte Einrichtung der Universität Flensburg (An-Institut).
3Die nach Ablehnung der begehrten Förderung durch den Beklagten erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Besuch des EOC dem Besuch einer im Inland gelegenen Ausbildungsstätte nach § 2 BAföG nicht im Sinne von § 5 Abs. 4 BAföG gleichwertig sei. Weder sei der EOC eine in Indonesien anerkannte Hochschule noch könne dort ein Hochschulabschluss erworben werden.
4Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass angesichts der unbestrittenen Förderlichkeit des Auslandssemesters für ihr Studium auf das Merkmal der institutionellen Gleichwertigkeit verzichtet werden könne. Ferner sei für dieses Merkmal zu berücksichtigen, dass das Hochschulrecht einzelner Länder die Möglichkeit vorsehe, angegliederte Einrichtungen von Universitäten zu schaffen, die nicht Teil der Hochschule seien, gleichzeitig aber der Lehre, Forschung und Kunst dienten. Der EOC sei ein gegenüber der Universität weisungsunabhängiges und auch finanziell unabhängiges An-Institut außerhalb Deutschlands, an dem während des Fachsemesters für Studenten aus Deutschland elementare universitäre Aufgaben im Bereich der Lehre durchgeführt würden. Es könne von einer materiellen Gleichwertigkeit ausgegangen werden, da die Studieninhalte mit der Universität abgestimmt seien.
5Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses treten der Revision entgegen.
Gründe
6Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderung ihres Studienaufenthalts am EOC.
71. Der Anspruch ergibt sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG). Diese Vorschrift ist hier für den Zeitraum September bis Dezember 2014 in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des BAföG vom (BGBl. I S. 1952) und für die Monate Januar und Februar 2015 in der Fassung des 25. BAföGÄndG vom (BGBl. I S. 2475) anzuwenden. Nach dieser Vorschrift wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, unter näher genannten Voraussetzungen Ausbildungsförderung für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte geleistet. Bereits an einer solchen Ausbildungsstätte fehlt es hier.
8Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass der EOC nach indonesischem Recht nicht als z.B. eine Hochschule im Sinne der mit ihr vergleichbaren deutschen Rechtsform anerkannt ist. Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG liegt aber nur vor, wenn die Einrichtung geographisch im Ausland gelegen ist und die dort vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist, sodass diese sich insoweit als selbstständig erweist. Für eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte ist also eine Selbstständigkeit im förderungsrechtlichen Sinne erforderlich, aber auch ausreichend. Ob eine solche gegeben ist, ist anhand einer materiellen, auf die Ausbildungsinhalte bezogenen Betrachtungsweise zu ermitteln. Maßgeblich ist danach, dass die Ausbildung der ausländischen Einrichtung nach ausbildungsförderungsrechtlichen Kriterien zuzurechnen ist. Das ist insbesondere zu bejahen, wenn diese die Ausbildungsinhalte im Wesentlichen selber bestimmt und verantwortet. Hingegen reicht es nicht aus, wenn die Ausbildungseinrichtung nur einzelne Ausbildungsabschnitte einer anderenorts absolvierten Ausbildung durchführt.
9Das Erfordernis der förderungsrechtlichen Selbstständigkeit ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 BAföG. Der in dieser Vorschrift angeordnete institutionelle Vergleich ( 5 C 14.11 - BVerwGE 143, 314 Rn. 18) setzt zwingend voraus, dass der im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte die dort vermittelte Ausbildung selber zuzurechnen ist. Andernfalls wäre die Prüfung, ob der Besuch der ausländischen Ausbildungsstätte dem Besuch einer im Inland gelegenen Ausbildungsstätte der in § 5 Abs. 4 BAföG genannten Art gleichwertig ist, nicht möglich. Das war unausgesprochen schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt. Die so zu verstehende Selbstständigkeit brauchte in den bisherigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts lediglich deshalb nicht eigens hervorgehoben zu werden, weil in allen bislang entschiedenen Fällen die betreffenden Auszubildenden eine im Ausland für dort ansässige Auszubildende ohnehin nach dortigem Recht eingerichtete Ausbildungsstätte besuchten, der die dort vermittelte Ausbildung ohne jeden Zweifel förderungsrechtlich zuzurechnen war ( 5 C 78.80 - Buchholz 436.36 § 5 BAföG Nr. 2, vom - 5 C 3.96 - BVerwGE 106, 1, vom - 5 C 25.00 - BVerwGE 112, 248 und vom - 5 C 14.11 - BVerwGE 143, 314; Beschluss vom - 5 B 83.81 - Buchholz 436.36 § 5 BAföG Nr. 3). Mit der hier in Rede stehenden Fallkonstellation einer unter maßgeblicher Beteiligung einer deutschen Universität gegründeten Einrichtung, zu der im Ausland ansässige Auszubildende keinen Zugang haben, hatte sich das Bundesverwaltungsgericht bislang noch nicht zu befassen.
10Gemessen an den dargelegten rechtlichen Anforderungen ist der EOC keine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte. Ihm fehlt die Selbstständigkeit im vorbezeichneten Sinn. Die am EOC gelehrten Ausbildungsinhalte sind ausbildungsförderungsrechtlich nicht diesem, sondern der Universität Flensburg zuzurechnen, die insoweit die Federführung hat. Der EOC ist zwar eine nach indonesischem Recht gegründete Stiftung und hochschulrechtlich als An-Institut der Universität Flensburg nach § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in der Fassung vom (GVOBl. Schl.-H. 2016, 40) eigenständig. Auch unterliegt er keinen Weisungen der Universität Flensburg und erhält von dort keine finanziellen Zuwendungen. Gleichwohl ist er ausbildungsförderungsrechtlich lediglich Teil eben dieser Universität. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), handelt es sich um eine "Zweigstelle" der Universität Flensburg, mit der diese das Ziel verfolgt, jenseits ihres eigentlichen Standortes Studierenden aus Deutschland die Absolvierung eines Auslandssemesters zu ermöglichen.
11Die ausbildungsförderungsrechtliche Unselbstständigkeit des EOC beruht insbesondere darauf, dass die am EOC angebotenen Studienmodule keine staatliche indonesische Akkreditierung aufweisen, sondern in die Akkreditierung des Studiengangs International Management an der Universität Flensburg einbezogen sind und ihre Inhalte den akkreditierten Studienmodulen dieses Studiengangs entsprechen. Da sie somit Teil der Akkreditierung dieses Studiengangs der Universität Flensburg und inhaltlich hierauf abgestimmt sind, erscheinen die einsemestrigen Studienmodule des EOC (lediglich) als integrale Bestandteile dieses Studiengangs. Dies kommt auch durch das Fehlen einer eigenen Studienordnung des EOC, durch die die Rahmenbedingungen und Regelungen für ein ordnungsgemäßes Studium festgelegt werden, zum Ausdruck. In dieses Bild fügt sich ein, dass die von dem EOC betreuten Abschlussarbeiten solche der Universität Flensburg oder einer anderen Kooperationsuniversität sind. Davon abgesehen zeigt sich der Charakter einer "Zweigstelle" auch dadurch, dass alle dort Studierenden, einschließlich derer, die zuvor an einer anderen Universität studierten, während des Auslandssemesters an der Universität Flensburg eingeschrieben sind, und damit den an der Universität Flensburg geltenden Regelungen unterliegen.
122. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2018:171018U5C8.17.0
Fundstelle(n):
AAAAH-07163