Erschließungsbeitragsrecht; zeitliche Grenze der Beitragserhebung; Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG
Leitsatz
1. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers - und damit nicht der Gerichte -, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (im Anschluss an - BVerfGE 133, 143).
2. Dem § 53 Abs. 2 VwVfG kann weder im Wege der Analogie noch mittels des Grundsatzes von Treu und Glauben eine zeitliche Grenze für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen entnommen werden, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügt.
3. Im Erschließungsbeitragsrecht entsteht die Vorteilslage ( - BVerfGE 133, 143 Rn. 40), wenn die Erschließungsanlage dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm entspricht. Soweit die Entstehung der Beitragspflicht darüber hinaus die Widmung der Straße und die Wirksamkeit der Beitragssatzung erfordert, wirkt sich dies nicht auf den Eintritt der Vorteilslage aus.
Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 100 Abs 1 GG, § 53 Abs 2 S 1 VwVfG, § 11 Abs 2 VwGO, § 127 BauGB, § 129 Abs 1 S 1 BauGB, § 133 BauGB, § 169 Abs 2 S 1 AO, § 170 Abs 1 AO, § 3 Abs 1 Nr 4 KAG RP
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 6 A 11831/16 Urteilvorgehend Az: 4 K 41/15.KO Urteilnachgehend Az: 1 BvL 1/19 Beschluss
Gründe
I
1Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung des rund 200 Meter langen östlichen Endes der G.-P.-Straße in M.
2Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke 325/4 und 5, 326/6 und 7 sowie 330/10 in der Gemarkung M., Flur 6, die durch die G.-P.-Straße erschlossen werden. Darüber hinaus ist er Eigentümer weiterer vier Flurstücke (320/4 und 5, 323/4 und 5), die - durch die vorgenannten Parzellen getrennt - ebenfalls an der G.-P.-Straße liegen; soweit ursprünglich auch die für diese Grundstücke ergangenen Beitragsbescheide Gegenstand des Rechtsstreits waren, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom aufgrund der dortigen gesonderten Problematik der Erschließung von Hinterliegergrundstücken abgetrennt (nunmehr BVerwG 9 C 8.18).
3Die G.-P.-Straße verläuft in ost-westlicher Richtung zwischen der ...straße und der Straße "In der P.". In den Jahren 1985/1986 wurde ihr östliches, an die klägerischen Grundstücke grenzendes Ende - seinerzeit noch unter der Bezeichnung "1. Stichstraße ...straße" - vierspurig erbaut, wobei die Beklagte das Eigentum an den Straßenparzellen erwarb. Mit Bescheiden vom zog sie den Kläger zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag heran. Der Kläger zahlte für das Flurstück 330/10; im Übrigen wurden die Vorausleistungen ausgesetzt.
4Ursprünglich plante die Beklagte mit dem Bebauungsplan "Gewerbegebiet D. II", die G.-P.-Straße vierspurig weiterzuführen. Nachdem der Bebauungsplan mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Koblenz vom sowie des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom für nichtig erachtet worden war, beschloss die Beklagte im Jahr 1999 den Bebauungsplan "Gewerbegebiet D. III", der eine nur noch zweispurige Fortführung der Straße vorsieht. In diesem Umfang wurde die G.-P.-Straße in den Jahren 2003/2004 weitergebaut und im Juli 2007 in ihrer gesamten Länge als Gemeindestraße gewidmet.
5Unter dem erließ die Beklagte gegen den Kläger drei Erschließungsbeitragsbescheide. Mit Urteil vom hob das Verwaltungsgericht Koblenz zwei der Bescheide mit der Begründung als nichtig auf, darin seien Flurstücke zu Unrecht als wirtschaftliche Einheit veranlagt worden; lediglich der allein das Flurstück 330/10 betreffende Bescheid sei rechtmäßig. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Koblenz mit Beschluss vom ab. Mit den angefochtenen Bescheiden vom zog die Beklagte daraufhin den Kläger für acht der Flurstücke erneut zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 64 630,92 € - davon 24 450,43 € für die Flurstücke 325/4 und 5 sowie 326/6 und 7 - heran und veranlagte ihn bezüglich des Flurstücks 330/10 zu einem Nacherhebungsbetrag in Höhe von 5 674,56 €.
6Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Höhe der Beitragsbescheide unter Berücksichtigung eines kleinen Teils einer weiteren, nicht im klägerischen Eigentum stehenden Parzelle neu zu berechnen. Im Übrigen hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beitragspflicht sei weder verjährt noch aus Gründen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Sie sei erst mit der Widmung am entstanden. Eine Verwirkung setze zusätzlich zum Zeitablauf - hier indes nicht gegebene - Anhaltspunkte dafür voraus, dass die Gemeinde von einer Beitragserhebung absehen werde. Vor 2007 sei keine den Formerfordernissen genügende Widmung erfolgt.
7Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Die Festsetzungsfrist sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO am und damit nach Erlass der angefochtenen Bescheide abgelaufen. Maßgeblich für den Fristbeginn sei die Widmung als letzte Voraussetzung für die Entstehung des Beitragsanspruchs. Eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Die Beitragserhebung verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Der Gesetzgeber habe auf eine gesonderte Höchstfrist für die Beitragserhebung verzichten dürfen. Diese bestimme sich - im Wege der Analogie oder vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben - anhand der 30jährigen Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG, wobei nach den Umständen des Einzelfalls eine Abgabenerhebung auch vor Erreichen dieser Höchstgrenze unzulässig sein könne. Die fehlende Geltung der Vorschrift im Abgabenrecht schließe nicht aus, ihre Wertung heranzuziehen. Die Vorteilslage sei hier 1999 entstanden, weil die in Streit stehende Teilstrecke der G.-P.-Straße erst mit der Aufgabe ihrer vierspurigen Weiterführung als eine eigenständige Erschließungsstraße habe angesehen werden können. Doch auch dann, wenn man annehme, das Teilstück sei schon 1986 als eigenständige Verkehrsanlage fertiggestellt worden, seien bei Erlass der Bescheide erst 25 Jahre vergangen gewesen. Unabhängig davon bestünden keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Abgabenerhebung. Der Kläger habe aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen mit dem Erlass endgültiger Beitragsbescheide rechnen müssen. Nach der verwaltungsgerichtlichen Beanstandung des ursprünglichen Bebauungsplans habe die Beklagte mit dem Inkraftsetzen des Bebauungsplans "G. I" die planungsrechtlichen Grundlagen für die Beitragserhebung geschaffen. Dass sie danach bis zum Jahr 2007 mit der Widmung und Beitragserhebung gewartet habe, sei zwar bedenklich, führe aber nicht zur Unzumutbarkeit der Beitragserhebung.
8Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger unter anderem, der Heranziehung von § 53 Abs. 2 VwVfG stehe entgegen, dass die Vorschrift auf die Erhebung von Abgaben keine Anwendung finde. Bei Kommunalabgaben könne daher allenfalls auf die - deutlich kürzeren - Verjährungsregelungen der Abgabenordnung zurückgegriffen werden. Die Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber eine 30jährige Verjährung für angemessen erachte, seien mit der Erhebung kommunaler Abgaben nicht zu vergleichen. Es sei zudem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn Gerichte anstelle des Gesetzgebers Verjährungsbestimmungen erfänden. Schon die verschiedenen - zudem deutlich kürzeren - Verjährungsvorschriften anderer Bundesländer zeigten, dass es keine Frist gebe, die sich kraft Natur der Sache aufdränge.
9Der Kläger beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom zu ändern und die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom hinsichtlich der Flurstücke Gemarkung M., Flur 6, Nr. 325/4 und 326/6 und Nr. 325/5 und 326/7 sowie den Nacherhebungsbescheid gleichen Datums hinsichtlich des Flurstücks Gemarkung M., Flur 6, Nr. 330/10, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , aufzuheben.
10Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
11Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (1.) vereinbar ist. Zwar setzt die vorgenannte Regelung der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen zeitliche Grenzen. Sie ermöglicht jedoch in bestimmten Fällen - wie vorliegend - eine unbefristete Beitragserhebung nach dem Eintritt der Vorteilslage. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die Regelung insoweit verfassungswidrig (2.) und somit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen ist (3.).
121. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit (a), der auch im Erschließungsbeitragsrecht gilt (b), schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (c).
13a) Der Grundsatz der Rechtssicherheit verpflichtet dazu sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Zwar besteht im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, ein weiter Gestaltungsspielraum. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 ff. und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 3092/15 - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.; 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 Rn. 8 f. und Beschluss vom - 9 B 19.16 - juris Rn. 7).
14b) Die vorgenannten Grundsätze gelten für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, und folglich auch für das Erschließungsbeitragsrecht ( 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 16 f., vom - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 Rn. 9; Beschluss vom - 9 B 19.16 - juris Rn. 7; VGH Mannheim, Urteil vom - 2 S 143/18 - juris Rn. 53; - juris Rn. 36; 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 Rn. 21; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182 f.>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 41; Schmitt, KommJur 2016, 86 <88>; zur Anwendung im Rahmen der Steuerfestsetzung vgl. - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.).
15aa) Die gegenteilige Ansicht (VGH Mannheim, Urteile vom - 2 S 2228/13 - BWGZ 2014, 1308 = juris Rn. 53, vom - 2 S 1840/14 - KStZ 2015, 192 = juris Rn. 45, vom - 2 S 1327/14 - KStZ 2015, 195 = juris Rn. 52 und vom - 2 S 1946/16 - DVBl. 2017, 1246 = juris Rn. 52; anders nunmehr Urteil vom - 2 S 143/18 - juris Rn. 53), der zufolge im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Anschlussbeitragsrecht - eine endgültige tatsächliche Vorteilslage nicht schon mit Vornahme des Anschlusses oder bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit eintrete, weshalb vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht kein schützenswertes Vertrauen des Bürgers begründet werde, nicht mehr zu Beiträgen herangezogen zu werden, überzeugt nicht (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 42).
16Sie verkennt zunächst, dass das Rechtsstaatsprinzip unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann gewährleistet, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt unter Abwägung des staatlichen Interesses an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten nicht das Vertrauen, sondern das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Die verfassungsrechtliche Grenze der Beitragserhebung setzt folglich keinen Vertrauenstatbestand voraus, sondern knüpft allein an den seit der Entstehung der Vorteilslage verstrichenen Zeitraum an (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 41, 43 f.).
17Darüber hinaus können sich Unterschiede der abgabenrechtlichen Tatbestände zwar auf den Zeitpunkt auswirken, in dem eine beitragsrelevante Vorteilslage entsteht und die Frist zur Beitragserhebung zu laufen beginnt (vgl. 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 16 und vom - 9 C 25.15 - BVerwGE 156, 326 Rn. 23). Maßgeblich ist indes auch insoweit stets der tatsächliche Abschluss der Vorteilserlangung (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 41); rechtliche Gesichtspunkte können dessen Bestimmung ergänzen, ihn jedoch nicht ersetzen. Insofern geht, wie auch der vorliegende Fall zeigt (vgl. hierzu nachfolgend unter 3. b) cc) (1)), die Annahme fehl, im Erschließungsbeitragsrecht falle die tatsächliche Vorteilserlangung stets mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht zusammen.
18bb) Soweit darüber hinaus einer Verallgemeinerung der aus dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden Grundsätze Besonderheiten des dem zugrunde liegenden Landesrechts entgegen gehalten werden (vgl. - juris Rn. 67 ff.), beziehen sich diese Einwände auf Umstände, denen das Bundesverfassungsgericht bei seiner Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige Bedeutung beigemessen hat (vgl. 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 9).
19cc) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts erfassen schließlich nicht nur die Fälle, in denen sich die Entstehung der Beitragspflicht aufgrund der Nichtigkeit des ihr zugrunde liegenden Satzungsrechts verzögert. Sie gelten vielmehr für alle Fallgestaltungen, in denen die abzugeltende Vorteilslage in der Sache eintritt, die daran anknüpfenden Beitragsansprüche aber wegen des Fehlens einer sonstigen Voraussetzung nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können. Denn auch in solchen Fällen würde der Beitragsschuldner hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden tatsächlichen Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss (vgl. - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.; 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 21).
20c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers - und damit nicht der Gerichte -, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden berechtigten Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen ( - BVerfGE 133, 143 Rn. 42; 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13; VGH Mannheim, Urteil vom - 2 S 143/18 - juris Rn. 54). Das Bundesverfassungsgericht hebt insoweit nicht nur die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung abgabenrechtlicher Belastungen hervor, sondern verlangt diesbezügliche Regelungen, deren Schaffung dem Gesetzgeber obliegt. Es ist dessen originäre Aufgabe, die vorgenannten Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 f., 45 f.; Martini, NVwZ-Extra 23/2014, 1 <9>; Schmitt/Wohlrab, KommJur 2014, 447 <450>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 53; Rottenwallner, KStZ 2014, 145 <147>).
21Diese Pflicht wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht durch die weitere Formulierung des Bundesverfassungsgerichts relativiert, alternativ zur Schaffung einer Verjährungsregelung müsse der Gesetzgeber jedenfalls im Ergebnis sicherstellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Damit nimmt das Gericht lediglich Bezug auf die - in Rn. 50 des Beschlusses beispielhaft aufgeführten - weiteren Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung der zeitlichen Obergrenze jenseits verjährungsrechtlicher Vorschriften im engeren Sinne. Auch im Rahmen dieser Möglichkeiten obliegt es aber dem Gesetzgeber, den gebotenen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beitragspflichtigen zu schaffen.
22Soweit das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ausführt, es sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 52), schließt dies die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ebenfalls nicht aus. Die Anordnung gilt vielmehr ausdrücklich nur für den Fall, dass der bayerische Landesgesetzgeber bis zu dem vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Stichtag, ab dem die als verfassungswidrig gerügte Vorschrift nicht nur mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar, sondern nichtig ist, keine verfassungskonforme Neuregelung getroffen hat. Die Pflicht der Verwaltungsgerichte zur verfassungskonformen Auslegung des Landesrechts trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Nichtigkeit der Vorschrift allein eine zeitlich unbeschränkte Inanspruchnahme nicht ausschließt. Sie knüpft folglich an einen fortbestehenden verfassungswidrigen Zustand an, ohne die Pflicht des Gesetzgebers zu dessen Beseitigung entfallen zu lassen.
232. Den vorstehend dargelegten Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit genügt § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO nicht. Zwar setzt die Regelung der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen zeitliche Grenzen; sie schließt indes eine unbefristete Beitragserhebung nach dem Eintritt der Vorteilslage nicht aus und lässt insoweit das Interesse des Bürgers, Klarheit hinsichtlich seiner Heranziehung zu Beiträgen zu erlangen, unberücksichtigt (a). Eine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Rechnung tragende gesetzliche Regelung lässt sich auch nicht dem übrigen Landesrecht - weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung oder verfassungskonformer Auslegung - entnehmen (b). Soweit hierzu in Rechtsprechung und Literatur abweichende Ansichten vertreten werden, überzeugen diese nicht (c).
24a) Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO gewährleistet keine hinreichende Berücksichtigung des Interesses des Beitragsschuldners an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme. Zwar endet danach die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO). Indes dürfen gemäß § 127 Abs. 1, 2 Nr. 1 BauGB Erschließungsbeiträge nur für öffentliche, d.h. nach Maßgabe des Landesrechts öffentlich gewidmete Straßen, Wege und Plätze erhoben werden. Die Widmung ist neben der endgültigen Herstellung eine selbständige Voraussetzung der Beitragspflicht. Infolge dessen entsteht diese nach § 133 Abs. 2 BauGB nicht notwendig bereits mit der tatsächlichen Fertigstellung der Straße entsprechend dem zugrunde liegenden Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen, sondern erst mit der Widmung (vgl. 4 C 65.66 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 3 S. 6 ff. und vom - 4 C 100.68 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 34 S. 10; Beschluss vom - 8 B 194.97 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 88; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, August 2018, § 133 Rn. 28; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 127 Rn. 12). Geht die Herstellung der Widmung voraus, so beginnt daher ungeachtet der Dauer des dazwischen liegenden Zeitraums ohne diese keine Festsetzungsfrist zu laufen (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38). Folglich hat es die Gemeinde in der Hand, mit der Widmung auch die Heranziehung der Eigentümer erschlossener Grundstücke zeitlich unbegrenzt hinauszuzögern.
25Dementsprechend ist auch vorliegend die Beitragspflicht erst mit der Widmung im Jahr 2007 entstanden. Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf dieses Jahres zu laufen und endete nach Erlass der angefochtenen Bescheide vom am (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO).
26b) Eine über § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO hinausgehende absolute, d.h. (allein) an den Zeitpunkt der Erlangung des Vorteils anknüpfende abgabenrechtliche Ausschlussfrist besteht in Rheinland-Pfalz nicht. Die gebotene gesetzliche Befristung folgt darüber hinaus weder aus einer verfassungskonformen Auslegung der vorgenannten Normen noch aus anderen Rechtsvorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Damit fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die der Abgabenerhebung eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.
27aa) § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO kann nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Beginn der Festsetzungsfrist nicht an die Entstehung der Beitragspflicht, sondern an den Eintritt der Vorteilslage, d.h. die technische Herstellung der Straße anknüpft.
28Eine solche Auslegung überschritte die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (vgl. hierzu u.a. - BVerfGE 110, 226 <267> und Beschluss vom - 2 BvR 2302/11 - NJW 2013, 3151 Rn. 77; 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 21; jeweils m.w.N.). Sie widerspräche dem eindeutigen Wortlaut sowohl der vorgenannten Vorschriften als auch des § 133 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, wonach die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, d.h. der öffentlichen und damit gewidmeten Straße entsteht. Zugleich missachtete sie den darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, die Festsetzungsfrist erst ab dem Zeitpunkt in Gang zu setzen, in dem der Beitragsanspruch entstanden und damit durchsetzbar ist, um den Kommunen einen hinreichenden Zeitraum zur Erhebung von Beiträgen, zu der sie gemäß § 127 Abs. 1 BauGB verpflichtet sind (vgl. 8 C 14.94 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 125 S. 14), zu gewähren (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <6>). Darüber hinaus erfordert das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, schutzwürdigen Interessen nicht nur der Beitragsschuldner, sondern auch der Allgemeinheit an der Beitragserhebung Rechnung zu tragen. Eine Beschränkung des Zeitraums der Beitragserhebung auf vier Jahre selbst dann, wenn zu dessen Beginn - und möglicherweise sogar bis zu dessen Ende - noch keine Beitragspflicht entstanden ist, schützte indes einseitig Belange der Beitragsschuldner. Sie bliebe zudem deutlich hinter den Fristen von zehn bis 25 Jahren derjenigen Landesgesetze zurück, die in Reaktion auf den - BVerfGE 133, 143) zur Gewährleistung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit eine zeitliche Obergrenze für die Abgabenerhebung festlegen.
29bb) Soweit das Berufungsgericht einer analogen Anwendung von § 1 Abs. 1 VwVfG RP i.V.m. § 53 Abs. 2 VwVfG sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben eine zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen auf 30 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage entnommen hat, entspricht dies gleichfalls nicht den Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Denn auch sie findet in der Rechtsordnung keine hinreichende Grundlage (vgl. 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13).
30(1) Die Annahme einer 30jährigen Ausschlussfrist kann nicht auf eine Analogie zu § 1 Abs. 1 VwVfG RP i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gestützt werden (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, 1 <13>; Rottenwallner, KStZ 2014, 145 <147>; Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>; a.A. 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 50, 52).
31Planwidrige, zumal verfassungswidrige Regelungslücken dürfen von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, sofern er diesen bedacht hätte (stRspr, vgl. 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 24 und vom - 2 C 35.13 - BVerwGE 152, 68 Rn. 23). Die Analogie setzt neben einer ungewollten Unvollständigkeit des Gesetzes eine vergleichbare Sach- und Interessenlage voraus (stRspr, vgl. 5 P 2.17 - LKV 2018, 360 Rn. 16 m.w.N.). Schon an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier.
32(a) Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, der dem revisiblen Recht angehört (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), beträgt die Verjährungsfrist für einen unanfechtbaren Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, 30 Jahre. Die Vorschrift bezweckt, wie auch das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden einerseits und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung andererseits. Die insofern vergleichbare Zielsetzung allein rechtfertigt indes noch keine Analogie (so aber 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22). Denn die zugrundeliegenden Sachverhalte unterscheiden sich in einem Maße, das ohne eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers eine Erstreckung des in § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gefundenen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen auf die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausschließt (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <13>). § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG betrifft - vergleichbar § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB für rechtskräftig festgestellte Ansprüche - den Sonderfall eines titulierten und damit endgültig bestimmten, eindeutigen Anspruchs. Hiermit ist die Erhebung von Beiträgen, die dem Grunde wie auch der Höhe nach vor ihrer bestandskräftigen Feststellung ungewiss, insbesondere von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig sind, deren Ermittlung wiederum mit zunehmendem Zeitablauf erschwert wird, nicht ansatzweise vergleichbar. Vielmehr kommt dem Interesse des Abgabenschuldners, jedenfalls durch Zeitablauf Klarheit über seine Inanspruchnahme zu erlangen, deutlich größeres Gewicht zu als demjenigen des Betroffenen in den Fällen des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, in denen Grund und Höhe der Belastung bereits aufgrund der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts feststehen.
33Dementsprechend findet die Vorschrift gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG RP in Verfahren nach der Abgabenordnung keine Anwendung; vielmehr gelten dort die besonderen, deutlich kürzeren abgabenrechtlichen Festsetzungs- und Verjährungsfristen. Diese ausdrückliche gesetzgeberische Wertung, die durch die Beschränkung der Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf §§ 54 bis 62 VwVfG in § 3 Abs. 4 KAG RP unterstrichen wird, darf nicht im Wege der Analogie umgangen werden (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom - 4 L 59/13 - juris Rn. 49; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 53 Rn. 2).
34(b) Die Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann auch nicht mit der Begründung analog angewendet werden, sie sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dem zufolge öffentlich-rechtliche Ansprüche regelmäßig erst nach 30 Jahren verjähren.
35Zwar hat die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass die Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. in Ermangelung einschlägiger spezieller Verjährungsregelungen eine zutreffende Konkretisierung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens in Abwägung gegen den Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung darstellen kann (vgl. 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 8, 13). Gleichwohl gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz einer 30jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Vielmehr ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch geltenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelungen als die "sachnächsten" entsprechend heranzuziehen sind (stRspr, vgl. 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 35 und vom - 10 C 3.16 - BVerwGE 158, 199 Rn. 18). Auch aus § 197 Abs. 1 BGB folgt kein allgemeiner Rechtsgedanke, der es erlauben würde, in nicht ausdrücklich geregelten Bereichen die frühere 30jährige Regelverjährung zu perpetuieren (vgl. Grothe, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2018, § 197 Rn. 5).
36(2) Der Grundsatz von Treu und Glauben vermittelt ebenfalls keine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügende Ausschlussfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (vgl. Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>).
37Das Berufungsgericht hat eine zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen neben § 53 Abs. 2 VwVfG analog auch dem Grundsatz von Treu und Glauben entnommen. Danach sei eine Abgabenerhebung treuwidrig, wenn es - unter Zugrundelegung eines engen Maßstabs - aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren; sie sei spätestens ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen seien. Insoweit hat das Gericht zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf eine in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers abgestellt, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren zu beschränken (ebenso VGH Mannheim, Urteile vom - 2 S 1327/14 - VBlBW 2015, 385 Rn. 57 und vom - 2 S 1946/16 - DVBl. 2017, 1246 = juris Rn. 53 ff.; - juris Rn. 32 ff., 63; Driehaus, KStZ 2014, 181 <188>; Driehaus, in: BerlKommBauGB, März 2018, vor §§ 127-135 Rn. 24, 35; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, August 2018, § 133 Rn. 38a; 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 50, 52; für die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 33).
38Dem folgt der Senat nicht. Der Grundsatz von Treu und Glauben gewährleistet zunächst keine hinreichend bestimmte zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner, als danach eine Beitragserhebung nur ausnahmsweise und einzelfallbezogen unzulässig ist (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 48). Der von unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängige Einwand einer treuwidrigen Rechtsausübung knüpft nicht allein an den Ablauf einer bestimmten Frist an und verschafft dem Bürger daher keine Klarheit über den Zeitpunkt, ab dem seine Heranziehung ausgeschlossen ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom - 4 L 59/13 - juris Rn. 51). Dies gilt auch insoweit, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Grundsatz von Treu und Glauben beinhalte neben einer einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung eine absolute Höchstfrist von 30 Jahren. Diese Auslegung des Treuwidrigkeitstatbestandes beruht auf der Annahme einer in § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit der Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger (nur) auf die längstmögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren zu beschränken. Wie vorstehend dargelegt, gibt es indes keinen Grundsatz einer 30jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Vielmehr regelt § 53 Abs. 2 VwVfG einen Sonderfall, der nicht dergestalt auf die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen übertragen werden kann, dass diese nicht vor Ablauf einer Frist von 30 Jahren seit dem Eintritt der Vorteilslage ausgeschlossen ist. Die dahingehende Annahme des Berufungsgerichts findet daher im geltenden Recht keine Grundlage.
39c) Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen verkennen die Befürworter einer 30jährigen Ausschlussfrist, dass der ihr - sei es im Wege der Analogie, sei es über den Grundsatz von Treu und Glauben - zugrunde liegende schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG mit der Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen, nicht zu vereinbaren ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom - 2 S 143/18 - juris Rn. 55; VG Gera, Beschluss vom - 2 K 159/16 - juris Rn. 28).
40aa) Dies gilt nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 50, 52). Wäre diese ausreichend, eine zeitlich unbefristete Inanspruchnahme auszuschließen, hätte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit die Vorschriften des bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht beanstanden dürfen (s.a. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <5>).
41Die Unterschiedlichkeit der in acht Bundesländern in Reaktion auf den ) erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen zeigt ebenfalls, dass die pauschale Umdeutung der längstmöglichen Verjährungsfrist in eine frühestmögliche Ausschlussfrist dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie dem daraus folgenden Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers wie auch der Weite seines Gestaltungsspielraums nicht genügt (vgl. 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13). Die vorgenannten Regelungen sehen - unter umfassender Abwägung der widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich sowie der Einzelnen an Rechtssicherheit (vgl. bspw. Bayerischer Landtag, LT-Drucks. 17/370 S. 15 f.; Landtag Brandenburg, LT-Drucks. 5/7642 S. 8 f.) - für verschiedene Konstellationen und in unterschiedlicher Weise eine zeitliche Begrenzung der Heranziehung auf zehn Jahre (Sachsen-Anhalt; ebenfalls für eine höchstens zehnjährige Frist Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>), zwölf Jahre (Thüringen), 15 Jahre (Brandenburg und Hessen) sowie 20 - bzw. im Falle wiedervereinigungsbedingter Besonderheiten oder eines Mitverschuldens des Beitragspflichtigen - 25 Jahre (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen) vor. Übereinstimmend haben die Landesgesetzgeber hierbei eine 30jährige Frist zwar als Ausgangspunkt ihrer Abwägung genommen, als deren Ergebnis jedoch ausdrücklich abgelehnt. Zwar schließt dies nicht aus, dass die Gesetzgeber anderer Länder im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums zu hiervon abweichenden - auch längeren - Fristen gelangen. Es zeigt jedoch den Umfang und die Bedeutung des legislativen Gestaltungsauftrags, dem sich der Gesetzgeber nicht entziehen und den die Rechtsprechung nicht ohne Anhaltspunkte im Gesetz durch letztlich gegriffene Fristen ersetzen darf.
42Allenfalls kann § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Grundsatz entnommen werden, dass, wenn selbst bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach 30 Jahren nicht mehr durchgesetzt werden können, spätestens nach Verstreichen dieser Frist auch vor Erlass einer dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügenden gesetzlichen Regelung die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausgeschlossen ist.
43bb) Der Senat ist durch die Ausführungen des 4. Senats in dessen Urteil vom (4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211), denen zufolge die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit durch Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden kann, nicht gehindert, ohne vorherige Entscheidung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 2 VwGO dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Anrufung des Großen Senats scheidet bereits deshalb aus, weil die vorstehend wiedergegebene Ansicht des 4. Senats für dessen Entscheidung nicht tragend war. Die diesbezüglichen Ausführungen erfolgten lediglich zur Darlegung, dass eine - dort von der Vorinstanz vertretene - verfassungskonforme Auslegung von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht nur die Grenzen verfassungskonformer Gesetzesauslegung überschreite, sondern darüber hinaus nicht notwendig sei. Die Frage, ob die dort in Streit stehende Erhebung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, hat der 4. Senat indes ausdrücklich offen gelassen und seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass aufgrund eines Ausfertigungsmangels der Aufhebungssatzung kein förmlicher Abschluss der Sanierung vorlag und schon deshalb ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden war ( 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 28, 35 f.). Mangels Entscheidungserheblichkeit scheidet daher eine Anrufung des Großen Senats aus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - Gr. Sen. 1.63 - Buchholz 310 § 11 VwGO Nr. 6 S. 13 und vom - 8 BN 6.97 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 144 S. 30).
443. Danach ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
45a) Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist statthaft. Zwar beruht die Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit der im Tenor genannten Vorschriften auf der Annahme, dass der Landesgesetzgeber unter Verstoß gegen das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davon abgesehen hat, der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen eine zeitliche Grenze zu setzen. Gleichwohl handelt es sich um keinen Fall schlichten gesetzgeberischen Unterlassens, der nicht Gegenstand einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sein kann (vgl. - NJW 2013, 1148 Rn. 21; E. Klein, in: Benda/Klein/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 790 f.). Denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung von Festsetzungsfristen Regelungen erlassen, die einer unbefristeten Abgabenerhebung entgegenwirken. Diese sind lediglich insofern unzureichend, als sie in bestimmten Fällen - wie vorliegend - gleichwohl eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ermöglichen.
46b) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Verzichts auf eine allgemeine Ausschlussfrist für die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens erheblich. Das Bundesverwaltungsgericht müsste bei Gültigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO anders entscheiden als im Falle der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung.
47aa) Sofern sie im Hinblick auf das gesetzgeberische Unterlassen mit der Verfassung unvereinbar ist, kann der Senat den Rechtsstreit nicht entscheiden, sondern muss das Verfahren aussetzen, bis der Gesetzgeber eine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entsprechende zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung gesetzt hat. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Rechtsordnung, in dem die Klage allenfalls hinsichtlich der Höhe der Beiträge (siehe nachfolgend unter bb), nicht aber in Bezug auf die grundsätzliche Beitragspflicht des Klägers und damit vollumfänglich Erfolg haben könnte (stRspr, vgl. u.a. - BVerfGE 93, 386 <394>).
48bb) Der Entscheidungserheblichkeit der Vorlage stehen die weiteren im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen einfachrechtlichen Fragen nicht entgegen. Deren Beantwortung kann sich allenfalls auf die Höhe der Beitragsschuld auswirken, sie jedoch nicht - wie möglicherweise nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Erlass einer gesonderten Ausschlussfrist - bereits dem Grunde nach entfallen lassen.
49(1) Soweit der Kläger bezweifelt, dass es sich bei dem abgerechneten Teilstück der G.-P.-Straße um eine selbständige Erschließungsanlage handelt, ist seine Revision allerdings unbegründet. Für die Beurteilung der Frage, wo eine selbständige Erschließungsanlage beginnt und endet, ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild maßgebend. Abzustellen ist auf die tatsächlich sichtbaren Verhältnisse, wie sie zum Beispiel durch Straßenführung, -breite, -länge und -ausstattung geprägt werden und wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (vgl. 9 C 20.15 - BVerwGE 158, 163 Rn. 12). Diesbezüglich hat das Berufungsgericht festgestellt, dass sich der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße hinsichtlich der Straßenbreite, der Zahl der Fahrspuren, der Fahrbahnoberfläche sowie der Gestaltung der Geh- und Radwege erkennbar von der westlichen Weiterführung der Straße unterscheidet, sodass er eine eigenständige Erschließungsanlage darstellt. Diese Feststellungen, gegen die der Kläger keine Revisionsgründe vorgebracht hat, sind im Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen im Übrigen keine Fehler erkennen. Der Einwand des Klägers, eine zu breite und damit fehlerhafte Trassenplanung könne nicht die Annahme der Eigenständigkeit der Erschließungsanlage rechtfertigen, ist unbegründet. Maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild. Auf eine rechtliche Bewertung kommt es folglich nicht an.
50(2) Die Frage, ob die Beklagte die Anlage vierspurig bauen durfte, ist daher lediglich für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands maßgeblich. Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Hierbei verfügen die Gemeinden über einen weiten Entscheidungsspielraum (stRspr, vgl. 9 C 6.03 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 92 S. 9). Der Begriff der "Erforderlichkeit" markiert lediglich eine äußerste Grenze, die erst dann überschritten ist, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist (vgl. 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 <253>). Ungeachtet der Frage, ob danach vorliegend ein vierspuriger Ausbau erforderlich war, richten sich die Einwände des Klägers nicht gegen die Errichtung der Straße als solche, sondern nur gegen den Umfang ihrer Herstellung. Ihre Berechtigung ließe daher die Beitragspflicht nicht entfallen, sondern verringerte sie lediglich um die Mehrkosten des vierspurigen Baus.
51(3) Die weitere Frage, ob die - von der Erschließungsanlage gesehen - hinter den streitgegenständlichen Grundstücken gelegenen Flurstücke 320/4 und 5 sowie 323/4 und 5 als sogenannte Hinterliegergrundstücke durch die G.-P.-Straße erschlossen werden, lässt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage ebenfalls unberührt. Sollte die Frage entgegen der Annahme der Beklagten zu verneinen sein, dürften diese Flurstücke bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht berücksichtigt werden. Der Anteil des Erschließungsaufwands, der bislang auf sie entfiel, müsste dann auf die erschlossenen Grundstücke umgelegt werden mit der Folge, dass sich deren Beitragslast sogar erhöhen würde.
52cc) Die Vorlage ist schließlich nicht deshalb unzulässig, weil von vornherein auszuschließen wäre, dass der Gesetzgeber im Falle der Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO eine Ausschlussfrist schafft, die eine Heranziehung des Klägers zu Erschließungsbeiträgen hindert.
53Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm dem Kläger zumindest die Chance offenhält, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen ( u.a. - BVerfGE 74, 182 <195>). Dass diese vorliegend besteht, ergibt sich aus einem Vergleich der zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung verstrichenen Zeitspanne mit der Dauer der Ausschlussfristen derjenigen Landesgesetze, welche in Reaktion auf den - BVerfGE 133, 143) erlassen wurden, um die Abgabenerhebung dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entsprechend zeitlich zu begrenzen.
54(1) Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Klarheit darüber, ob ein Vorteilsempfänger die erlangten Vorteile durch Beiträge auszugleichen hat, und damit eine für den Beitragsschuldner konkret bestimmbare Frist (vgl. - BVerfGE 133, 143 Rn. 43, 45). Dieser muss daher selbst feststellen können, bis zu welchem Zeitpunkt er mit seiner Heranziehung rechnen muss. Dies wiederum setzt die Erkennbarkeit des Zeitpunkts voraus, in dem der beitragsrechtliche Vorteil entsteht und die Frist für eine mögliche Inanspruchnahme zu laufen beginnt.
55Maßgeblich kommt es daher im Erschließungsbeitragsrecht auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme, nicht jedoch darauf an, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen. Beurteilungsmaßstab hierfür ist die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Entscheidend ist, ob diese sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung nur provisorisch her- oder schon endgültig technisch fertiggestellt ist, d.h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (vgl. 6 BV 15.1000 - BayVBl. 2017, 522 Rn. 30 f. und Beschluss vom - 6 ZB 15.2426 - BayVBl. 2016, 558 Rn. 9; Driehaus, KStZ 2014, 181 <183 f.>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 11 Rn. 42, 55). Soweit die Entstehung der Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 BauGB darüber hinaus die Widmung der Straße oder die Wirksamkeit der Beitragssatzung erfordert, wirkt sich dies indes nicht auf den Eintritt der Vorteilslage aus. Ungeachtet der fehlenden Erkennbarkeit jedenfalls der Wirksamkeit der Satzung könnten andernfalls die Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht zeitlich unbegrenzt zusammenfallen. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit liefe dann leer.
56(2) Danach trat im vorliegenden Fall die Vorteilslage nicht erst mit der Widmung der Straße im Jahr 2007, sondern spätestens mit der endgültigen Aufgabe ihrer durchgehend vierspurigen Herstellung im Jahr 1999 ein. Zwar wurde nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße bereits im Jahr 1986 satzungsgemäß hergestellt. Indes kann auf diesen Zeitpunkt nicht abgestellt werden, weil seinerzeit noch die vierspurige Fortführung geplant und somit die Anlage nicht in ihrer gesamten Länge fertiggestellt war. Hierauf aber kommt es an, da andernfalls für Teilstrecken einer einheitlichen Erschließungsanlage unterschiedliche Ausschlussfristen gelten würden (vgl. 9 S 38.10 - juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom - 9 LA 316/14 - KStZ 2016, 33 <34> und vom - 9 LA 170/16 - n.v.; VGH Mannheim, Urteil vom - 2 S 1327/14 - KStZ 2015, 195; 6 BV 13.1273 - juris Rn. 10).
57(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße möglicherweise schon zuvor in die Eigenschaft einer selbständigen Erschließungsanlage hineingewachsen ist (vgl. hierzu 9 C 20.15 - BVerwGE 158, 163 Rn. 14). Denn jedenfalls lag hier zwischen der Vorteilserlangung und der Beitragserhebung ein Zeitraum von mindestens zwölf Jahren. Maßgeblicher Endzeitpunkt ist insoweit der Erlass der angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide sowie des Nacherhebungsbescheids am . Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits unter dem Beitragsbescheide für die streitgegenständlichen Grundstücke erlassen hat. Denn das Verwaltungsgericht Koblenz hat die seinerzeit u.a. für die Flurstücke 325/4 und 5 sowie 326/6 und 7 erlassenen Bescheide rechtskräftig für nichtig erklärt. Damit konnten sie eine etwaige Ausschlussfrist für die Beitragserhebung nicht unterbrechen (vgl. zur fehlenden Verjährungshemmung nichtiger Verwaltungsakte 7 B 98.1071 - NVwZ 2000, 83 <84>; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 53 Rn. 29; s. auch - juris Rn. 17). Der für das Flurstück 330/10 nacherhobene Beitrag war ohnehin nicht Gegenstand der Bescheide vom .
58Dem Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, schon durch den Erlass der Bescheide vom oder gar aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen habe er nicht darauf vertrauen können, dass er nicht mehr zu Erschließungsbeiträgen herangezogen wird. Denn das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet Rechtssicherheit sogar dann, wenn Umstände einem dahingehenden Vertrauen des Betroffenen entgegenstehen ( - BVerfGE 133, 143 Rn. 41).
59Erfolgte mithin die Beitragserhebung mehr als zehn Jahre nach Eintritt der Vorteilslage, so ist angesichts der Spanne der in anderen Bundesländern geltenden Höchstfristen zwischen zehn und 20 (bzw. in Sonderfällen 25) Jahren nicht von vornherein auszuschließen, dass eine vom rheinland-pfälzischen Landesgesetzgeber noch zu erlassende, dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Rechnung tragende Regelung die Heranziehung des Klägers hindert und somit seine Beitragspflicht bereits dem Grunde nach entfällt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2018:060918B9C5.17.0
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2018 S. 2840
GAAAH-07161