Regress wegen nachzuentrichtenden Lohnsteuern
Leitsatz
Der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB wird im Sinne einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist fällig mit tatsächlicher Zahlung des Steuerbetrags.
Gesetze: § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 4 S 3 TVG, § 42d Abs 1 Nr 1 EStG, § 42d Abs 3 S 1 EStG, § 44 Abs 1 S 1 AO 1977
Instanzenzug: ArbG Osnabrück Az: 3 Ca 6/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 13 Sa 22/16 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer.
2Der Beklagte war bis Ende Juni 2014 Arbeitnehmer des Klägers. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung. Die dort enthaltenen Bestimmungen zu Ausschlussfristen gemäß § 15 in der vom bis geltenden Fassung und gemäß § 14 in der ab geltenden Fassung (iF nur § 14 BRTV-Bau) lauten übereinstimmend:
3In einem vorangegangenen Rechtsstreit hat der Beklagte den Kläger auf Zahlung von Überstundenvergütung in Anspruch genommen und dort ua. vorgetragen, ein Teil der Überstunden sei durch Materiallieferungen von Seiten des Klägers abgegolten worden.
4Mit Haftungsbescheiden vom 18. und hat das Finanzamt nach einer Steuerprüfung den Kläger auf Zahlung von 1.254,92 Euro und 1.537,00 Euro mit der Begründung in Anspruch genommen, dieser habe Lohnsteuer für den Beklagten für die Zeiträume von Januar 2011 bis Oktober 2014 und von Januar 2004 bis Dezember 2007 in zu geringer Höhe einbehalten und abgeführt. Der Kläger hat die in den Haftungsbescheiden festgesetzten Beträge am 28. April und an das Finanzamt gezahlt.
5Mit Schreiben vom übersandte der Kläger dem Beklagten die Haftungsbescheide und verlangte unter Fristsetzung bis zum die Erstattung der nachentrichteten Lohnsteuer. Nachdem der Beklagte dem nicht nachkam, hat der Kläger mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am zugestellten Schriftsatz Klage erhoben und beantragt,
6Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat gemeint, die Haftungsbescheide seien unzutreffend. Etwaige Ansprüche seien aufgrund der Ausschlussfrist verfallen. Ferner hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
7Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Erstattung der Steuernachzahlung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 2.791,92 Euro nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Gründe
8Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers zu Recht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der nachentrichteten Lohnsteuer. Der Zahlungsanspruch ist weder verfallen noch teilweise verjährt.
9I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Erstattung der auf die Haftungsbescheide des Finanzamts geleisteten Lohnsteuernachzahlungen verlangen.
101. Der Beklagte ist als Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG allein Schuldner der Lohnsteuer. Der Kläger war nicht verpflichtet, diese zu übernehmen.
11a) Schuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber ist zum Einbehalt und Abzug der Lohnsteuer verpflichtet. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Arbeitgeber bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten ( - Rn. 16, BAGE 157, 336). Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer seine Vergütungspflicht. Der Einbehalt des Arbeitgebers für Rechnung des Arbeitnehmers (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) dient der Vorbereitung der Abführung. Erfüllt wird erst durch die Abführung nach § 41a EStG, wobei der Arbeitgeber in einer Art treuhänderischer Stellung für den Steuerfiskus tätig wird (BAG GS - GS 1/00 - zu III 3 b der Gründe, BAGE 97, 150; - Rn. 18, BAGE 126, 325). Dies betrifft den jeweiligen Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer unmittelbar, weil er den Abzug vom Lohn zu dulden hat (vgl. - Rn. 17, aaO). Der Arbeitgeber haftet zwar für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Soweit diese Haftung reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nach der ausdrücklichen Anordnung des § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG jedoch Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Dabei erfüllt der Arbeitgeber eine fremde Schuld, denn im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (vgl. - Rn. 12; - 5 AZR 301/09 - Rn. 17, BAGE 133, 332; - Rn. 5).
12b) Die Steuerlast trifft den Arbeitgeber auch dann nicht, wenn er zu wenig Steuern einbehält und dadurch zu viel Lohn an den Arbeitnehmer auszahlt. Das Finanzamt kann ihn zwar auf Entrichtung der fehlenden Steuer in Anspruch nehmen; er hat jedoch, wenn er gezahlt hat, gegenüber dem Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise der klar erkennbare Parteiwille dahin geht, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen (vgl. - zu II 1 der Gründe, BAGE 111, 131). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Anhaltspunkte. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Parteien in Bezug auf die Materiallieferungen eine Nettolohnabrede getroffen haben. Selbst bei einvernehmlicher Hinterziehung der Lohnsteuer läge eine solche nicht vor. Denn haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer Hinterziehung der Lohnsteuer zusammengewirkt, kann aus Sicht des Arbeitnehmers mit der Sachzuwendung die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten worden sein. Damit wird der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Lohnzahlung nicht von seiner Steuerpflicht befreit und es ist noch offen, ob ihn das Finanzamt bei Aufdeckung der Hinterziehung nicht doch noch vor dem Arbeitgeber in Anspruch nehmen wird ( - zu 4 a der Gründe, BFHE 166, 558; dem folgend - zu B IV 2 der Gründe).
132. Hat der Arbeitgeber zu wenig Lohnsteuer von den Einkünften des Arbeitnehmers einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, kann er bis zur Inanspruchnahme durch das Finanzamt vom Arbeitnehmer Freistellung von etwaigen Nachforderungen verlangen und nach Inanspruchnahme die Erstattung der gezahlten Lohnsteuern (st. Rspr., vgl. nur - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 45, 222). Nachdem der Kläger die in den Haftungsbescheiden vom 18. und festgesetzte Lohnsteuer an das Finanzamt gezahlt hat, kann er daher vom Beklagten Erstattung dieses Betrags verlangen.
14a) Durch die Haftungsbescheide vom 18. und ist eine Lohnsteuer des Beklagten festgesetzt worden. Ob die Festsetzungen in den Haftungsbescheiden steuerrechtlich zutreffend sind, ist von den Arbeitsgerichten nicht zu überprüfen (vgl. - Rn. 20, BAGE 157, 336). Einwendungen des Arbeitnehmers gegen die Feststellungen eines Haftungsbescheids sind im arbeitsgerichtlichen Regressverfahren grundsätzlich nicht zulässig ( - Rn. 27). Der Arbeitnehmer kann einen Lohnsteuerhaftungsbescheid anfechten, der seinem Arbeitgeber gegenüber ergangen ist und an ihn - den Arbeitnehmer - erbrachte Leistungen betrifft (vgl. - Rn. 16, BFHE 234, 101). Hält sich der Arbeitgeber an die Anordnungen des Haftungsbescheids, ist der Arbeitnehmer somit auf seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Finanzverwaltung zu verweisen ( - Rn. 27). Andernfalls steht die Bestandskraft des ergangenen Haftungsbescheids einer erneuten Überprüfung in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit entgegen.
15b) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die in den Haftungsbescheiden festgesetzten Steuerschulden am 28. April und durch Zahlung tatsächlich erfüllt. Er kann daher vom Beklagten Erstattung der nachentrichteten Lohnsteuer verlangen.
163. Der Anspruch auf Erstattung der Lohnsteuernachzahlungen ist nicht nach § 14 BRTV-Bau verfallen.
17a) Der Erstattungsanspruch des Klägers als (ehemaliger) Arbeitgeber aufgrund abgeführter Lohnsteuer unterliegt als zivilrechtlicher Anspruch tarifvertraglichen Ausschlussfristen, soweit diese nicht nur alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen, sondern auch solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen ( - Rn. 35). Dem entsprechen die zum Zeitpunkt der Materiallieferungen in den Jahren 2004, 2007, 2011 und 2013 arbeitsvertraglich einbezogenen Ausschlussfristen des § 15 BRTV-Bau in der bis geltenden Fassung und die des § 14 BRTV-Bau in der ab geltenden Fassung.
18b) Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt nach § 14 Nr. 1 BRTV-Bau mit der Fälligkeit des Anspruchs. Dies ist bei dem Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB der Zeitpunkt der tatsächlichen Erfüllung der Steuerforderung gegenüber dem Finanzamt (vgl. zu § 70 Abs. 1 BAT: - zu II 2 b der Gründe, BAGE 45, 222).
19c) Soweit der Beklagte meint, Freistellungs- und Erstattungsanspruch stellten auch in Fallkonstellationen der vorliegenden Art einen einheitlichen Ausgleichsanspruch iSv. § 426 Abs. 1 BGB dar und dieser sei aufgrund der geltenden tariflichen Ausschlussfristen verfallen, kann ihm nicht zugestimmt werden.
20aa) Allerdings geht der Bundesgerichtshof zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs in einer zivilrechtlich begründeten Gesamtschuld nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB davon aus, dass Freistellungs- und Erstattungsanspruch Bestandteile eines einheitlichen Ausgleichsanspruchs sind und die Verjährungsfrist mit dem Entstehen der Gesamtschuld einheitlich zu laufen beginnt (vgl. - Rn. 13, BGHZ 181, 310; - VII ZR 109/08 - Rn. 21 f.; - VII ZR 104/14 - Rn. 19; sämtliche Entscheidungen zu Sachverhalten, die nicht lohnsteuerrechtlich überlagert sind). Die Zahlung des Ausgleichsberechtigten an den Gläubiger sei keine tatbestandliche Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs. Es entstehe kein neuer Anspruch durch diese Zahlung; vielmehr könne und müsse der Ausgleichsanspruch dann nur in anderer Form als zuvor erfüllt werden. Die Anknüpfung der Verjährung an die Zahlung würde dazu führen, dass der Eintritt der Verjährung von dem Verhalten des Ausgleichsberechtigten abhinge und dieser es somit in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen beliebig hinauszuzögern. Das sei mit den wesentlichen Zwecken des Rechtsinstituts der Verjährung - dem Schuldnerschutz und dem Rechtsfrieden - nicht zu vereinbaren (vgl. - Rn. 14 f., aaO).
21bb) In Anwendung dieser Grundsätze auf Ausschlussfristen wäre der Verfall des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers wegen der Inanspruchnahme durch das Finanzamt gemäß § 42d EStG die Regel (vgl. Lieb SAE 1968, 167, 169), und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber von vornherein rechtstreu handeln will und sich lediglich in einem Irrtum über die Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer auf bestimmte Leistungen gegenüber seinem Arbeitnehmer befindet oder die Rechtslage ungeklärt ist. Selbst wenn der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nach § 42e EStG einholt, wäre bei Auskunftserteilung der Anspruch in einer Vielzahl der Fälle schon verfallen. Die einheitliche Behandlung von Freistellungs- und Erstattungsanspruch in Bezug auf Ausschlussfristen führte somit im Ergebnis zu einer Verschiebung der Lohnsteuerlast auf den Arbeitgeber (Lieb SAE 1968, 167, 170). Dies widerspräche indessen der gesetzlichen Wertung in § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach der Arbeitnehmer der Steuerschuldner ist.
22cc) Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Verjährung zivilrechtlich begründeter Ausgleichsansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB können jedoch nicht auf die nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG lohnsteuerrechtlich begründete Gesamtschuld übertragen werden.
23(1) Dem steht entscheidend entgegen, dass der Gesetzgeber mit § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG eine im Steuerrecht und damit im öffentlichen Recht wurzelnde Gesamtschuldnerschaft von Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinsichtlich der Zahlung der aus dem Arbeitsentgelt resultierenden Lohnsteuer geschaffen hat, die sich in wesentlichen Punkten von der bürgerlich-rechtlich begründeten Gesamtschuld unterscheidet. Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unterliegt einem öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüge, das beide Parteien des Arbeitsvertrags trifft und den bürgerlich-rechtlichen Entgeltanspruch überlagert und prägt ( - Rn. 12, 14, BAGE 157, 341). Das Innenverhältnis dieser Gesamtschuld wird durch § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt. Danach ist der Arbeitnehmer allein Schuldner der Lohnsteuer, dh. die Quote im Gesamtschuldnerverhältnis zum Arbeitgeber, der nach § 42d Abs. 1 EStG für die Lohnsteuer haftet, beträgt auf Seiten des Arbeitnehmers in der Regel 100 Prozent.
24Wegen dieser lohnsteuerrechtlichen Besonderheiten hängt der Verfall des Erstattungsanspruchs aufgrund geltender Ausschlussfristen nicht vom Verhalten des Ausgleichsberechtigten ab. Der Arbeitgeber hat es nicht in der Hand, den Verjährungsbeginn und den Beginn der Ausschlussfrist beliebig hinauszuzögern. Das Finanzamt entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen (dazu Schmidt/Krüger EStG 37. Aufl. § 42d Rn. 26), ob es den Arbeitgeber als Haftungsschuldner heranzieht. Wählt es diesen Weg, kann sich der Arbeitgeber gegen den Bescheid des Finanzamts nur durch Einspruch und sodann Klage vor dem Finanzgericht zur Wehr setzen. Durch Einlegung des Einspruchs wird jedoch gemäß § 361 Abs. 1 AO die Vollziehung des angefochtenen Bescheids nicht gehemmt. Nur im Einzelfall kann die Finanzbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, nach näherer Maßgabe von § 361 Abs. 2 AO die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Wird kein Rechtsmittel eingelegt oder hat dieses keinen Erfolg, kann das Finanzamt die im Bescheid festgesetzte Steuerschuld endgültig vollstrecken. Der Fälligkeitszeitpunkt des Erstattungsanspruchs wird damit entscheidend durch die Inanspruchnahme von Seiten der Finanzbehörden und nicht durch eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers auf die Steuerschuld bestimmt.
25(2) Wollte man eine Einheit von Freistellungs- und Erstattungsansprüchen nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch im Rahmen der tariflichen Ausschlussfristen annehmen, wären die Gesamtschuldner zudem gezwungen, ab Kenntnis der die Gesamtschuld begründenden Tatsachen die Freistellungsansprüche gegenseitig geltend zu machen und im Falle zweistufiger Ausschlussfristen diese auch gerichtlich zu verfolgen. Solange jedoch wegen eines noch nicht vorhandenen bestandskräftigen Steuerbescheids nicht feststeht, ob und ggf. in welcher Höhe ein Ausgleich im Arbeitsverhältnis überhaupt erforderlich ist - was insbesondere bei einer unklaren steuerrechtlichen Rechtslage denkbar ist -, kann dem Freistellungsberechtigten nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis mit einer Streitfrage zu belasten, die möglicherweise keine praktische Bedeutung gewinnt. Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Finanzamt den lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch nehmen kann, so dass Freistellungs- und Erstattungsansprüche des Arbeitgebers gegenstandslos wären (vgl. - zu 3 a, b der Gründe, BAGE 31, 236).
26(3) In diesem Zusammenhang greift auch der Hinweis des Bundesgerichtshofs nicht, eine relativ frühzeitige Verjährung des Ausgleichsanspruchs belaste den Ausgleichsberechtigten angesichts der Möglichkeit einer Feststellungsklage nicht unbillig (vgl. - Rn. 19, BGHZ 181, 310). Dem steht entgegen, dass die Erhebung einer Klage auf Feststellung, ob aufgrund eines Sachverhalts im Arbeitsverhältnis Lohnsteuer zu zahlen ist, mangels Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit (vgl. § 2 ArbGG) vor den Arbeitsgerichten nicht zulässig wäre. Hier wäre vielmehr eine steuerrechtliche Anrufungsauskunft nach § 42e EStG in Betracht zu ziehen, bei der jedoch angesichts der Kürze der Ausschlussfristen regelmäßig ein Verfall der Ansprüche vor Auskunftserteilung eintreten würde. Dies würde zu dem - steuerrechtlich - systemwidrigen Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers zu tragen hätte.
27(4) Der Begriff der Fälligkeit in Ausschlussfristen ist überdies unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen ( - Rn. 43; - 5 AZR 572/04 - zu IV 7 c der Gründe, BAGE 115, 19). Fälligkeit im Sinne tariflicher Ausschlussfristen tritt daher nicht stets ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein. Es muss dem Gläubiger tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen, dh. einen Zahlungsanspruch wenigstens annähernd zu beziffern ( - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 82, 327; - 5 AZR 175/04 - zu III 5 c aa der Gründe). Dies ist regelmäßig erst mit Bestandskraft des Haftungsbescheids, dem der Arbeitgeber als Gläubiger des Erstattungsanspruchs die Höhe der nachzuentrichtenden Lohnsteuer entnehmen kann, möglich. Hat der Arbeitgeber bereits vor dem Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids (vgl. hierzu §§ 172 ff. AO) gezahlt, ist für den Beginn der Ausschlussfrist dieser frühere Zeitpunkt maßgeblich.
28d) Danach ist der Erstattungsanspruch mit tatsächlicher Zahlung der Steuern am 28. April und fällig geworden. Der Erstattungsanspruch ist mit Schreiben des Klägers vom rechtzeitig binnen zwei Monaten schriftlich (§ 14 Nr. 1 BRTV-Bau) und mit am beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz rechtzeitig binnen zwei weiteren Monaten gerichtlich geltend gemacht worden (§ 14 Nr. 2 BRTV-Bau).
294. Der Anspruch auf Erstattung der Lohnsteuernachzahlung ist - auch nicht teilweise - nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die vom Beklagten diesbezüglich erhobene Einrede ist unbegründet. Die Verjährungsfrist hat mit Schluss des Jahres zu laufen begonnen, in dem der Haftungsbescheid bestandskräftig wurde und der Kläger die Steuerforderung beglichen hat. Hierauf abzustellen gebieten die im Zusammenhang mit den Ausschlussfristen dargelegten Besonderheiten der steuerrechtlich begründeten Gesamtschuld (Rn. 23 ff.) und des hieraus abgeleiteten Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers. Danach ist der Erstattungsanspruch nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Schriftsatz vom rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist eingeklagt worden, §§ 195, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
305. Der Kläger hat gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB Anspruch auf Verzugszinsen ab dem .
31II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:141118.U.5AZR301.17.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 371 Nr. 7
DB 2019 S. 6 Nr. 6
DStR 2019 S. 1218 Nr. 23
HFR 2019 S. 233 Nr. 3
NJW 2019 S. 10 Nr. 9
NJW 2019 S. 872 Nr. 12
JAAAH-07079