Instanzenzug:
Gründe
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
32Die Portugiesische Republik wendet eine Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens ein, indem sie geltend macht, die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen seien unklar und spekulativ, da dieses weder den dem Rechtsstreit im Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt festgestellt noch den maßgebenden rechtlichen Rahmen bestimmt habe.
33Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom , SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34Darüber hinaus ist die Zurückweisung des Vorabentscheidungsersuchens eines nationalen Gerichts nur möglich, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom , SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35Im vorliegenden Fall lässt sich dem Vorabentscheidungsersuchen entnehmen, dass das vorlegende Gericht Zweifel hegt hinsichtlich der Auslegung und Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Bezug auf die Qualifizierung der Beträge, die MEO in Folge der Kündigung der Dienstleistungsverträge seitens ihrer Kunden vor dem Ende der vereinbarten Mindestbindungsfrist bezogen hat. Des Weiteren ist festzuhalten, dass das vorlegende Gericht den Sachverhalt sowie den rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits des Ausgangsverfahrens ausreichend und präzise dargelegt hat, woraus hervorgeht, dass die gestellten Fragen nicht hypothetisch sind.
36Daraus folgt zum einen, dass die vorliegend begehrte Auslegung des Unionsrechts zweifelsfrei in Zusammenhang mit dem Gegenstand des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren steht, und zum anderen, dass die gestellten Fragen keinen hypothetischen Charakter haben.
37Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.
In der Sache
Zur ersten Frage
38Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der im Vorhinein festgelegte Betrag, den ein Wirtschaftsteilnehmer im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Dienstleistungsvertrags mit einer Mindestbindungsfrist durch seinen Kunden oder aus einem diesem zuzurechnenden Grund bezieht und der dem Betrag entspricht, den dieser Wirtschaftsteilnehmer für die restliche Laufzeit erhalten hätte, als Gegenleistung für eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen ist und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt.
39In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass eine Dienstleistung nur dann im Sinne dieser Vorschrift „gegen Entgelt“ erbracht wird, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Société thermale d'Eugénie-les-Bains, C-277/05, EU:C:2007:440, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Air France-KLM und Hop!Brit-Air, C-250/14 und C-289/14, EU:C:2015:841, Rn. 22). Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Air France-KLM und Hop!Brit-Air, C-250/14 und C-289/14, EU:C:2015:841, Rn. 23 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
40Hinsichtlich des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und dem tatsächlich erhaltenen Gegenwert hat der Gerichtshof bereits im Zusammenhang mit dem Verkauf von Flugscheinen, die die Fluggäste nicht genutzt hatten und für die sie keine Rückerstattung erhalten konnten, entschieden, dass der Gegenwert des beim Abschluss eines Dienstleistungsvertrags entrichteten Preises in dem sich daraus ergebenden Recht des Kunden besteht, in den Genuss der Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu kommen, unabhängig davon, ob er dieses Recht auch wahrnimmt. So erbringt der Dienstleister diese Leistung bereits, sobald er den Kunden in die Lage versetzt, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, so dass das Bestehen des erwähnten unmittelbaren Zusammenhangs nicht durch den Umstand beeinträchtigt wird, dass der Kunde dieses Recht nicht wahrnimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Air France-KLM und Hop!Brit-Air, C-250/14 und C-289/14, EU:C:2015:841, Rn. 28).
41Was im Übrigen die Voraussetzung des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erhaltenen Gegenleistung und der erbrachten Dienstleistung betrifft, ist festzustellen, ob der wegen der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist gemäß den im Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Vertragsbestimmungen geschuldete Betrag dem Entgelt für eine Leistung im Hinblick auf die in den Rn. 39 und 40 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung entspricht.
42Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass nach der vom vorlegenden Gericht dargestellten und in Rn. 12 des vorliegenden Urteils angegebenen Berechnungsmethode der gemäß den gegenständlichen Verträgen wegen Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldete Betrag im mit der Differenz zwischen der Mindestbindungsfrist und der Dauer der tatsächlichen Leistungserbringung in Monaten multiplizierten Monatsentgelt besteht. Somit ermöglicht es die Entrichtung des für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldeten Betrags MEO grundsätzlich, dieselben Einnahmen zu erzielen, als wenn der Kunde den Vertrag nicht vorzeitig aufgelöst hätte.
43Was die Frage betrifft, welche Bedeutung Vertragsbestimmungen bei der Einstufung einer Transaktion als steuerbarer Umsatz zukommt, ist festzuhalten, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Newey, C-653/11, EU:C:2013:409, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44Soweit MEO gemäß den im Ausgansverfahren gegenständlichen Verträgen im Fall der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist Anspruch auf Zahlung desselben Betrags hat, den sie als Entgelt für die Dienstleistungen erhalten hätte, zu deren Erbringung sie verpflichtet gewesen wäre, wenn der Kunde den Vertrag nicht beendet hätte – was gegebenenfalls vom vorlegenden Gericht zu überprüfen sein wird –, ändert die vorzeitige Vertragsauflösung durch den Kunden bzw. aus einem ihm zuzurechnenden Grund nichts an der wirtschaftlichen Realität des Verhältnisses zwischen MEO und ihrem Kunden.
45Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Gegenwert des vom Kunden an MEO entrichteten Betrags in dem Anspruch des Kunden auf Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Dienstleistungsvertrag durch diesen Betreiber besteht, auch wenn der Kunde diesen Anspruch aus einem ihm zuzurechnenden Grund nicht wahrnehmen will oder kann. Im vorliegenden Fall versetzt MEO den Kunden nämlich in die Lage, diese Leistung im Sinne der in Rn. 40 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in Anspruch zu nehmen, wobei die Einstellung dieser Dienstleistung ihr nicht zuzurechnen ist.
46Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass, wenn dieser Betrag als Ausgleichszahlung zum Ersatz des von MEO erlittenen Schadens zu qualifizieren wäre, sich die Natur der vom Kunden erbrachten Gegenleistung danach richten würde, ob dieser sich dazu entschließt, die betreffende Dienstleistung während des vertraglich vorgesehenen Zeitraums zu nutzen oder nicht.
47So würden Kunden, die Dienstleistungen während der gesamten vertraglich vereinbarten Mindestbindungsfrist in Anspruch genommen haben, und solche, die den Vertrag vor Ablauf dieser Frist beenden, mehrwertsteuerlich unterschiedlich behandelt.
48Folglich ist davon auszugehen, dass der für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldete Betrag als Entgelt für die von MEO erbrachten Leistungen dient, unabhängig davon, ob der Kunde diese Dienste bis zum Ende der Mindestbindungsfrist in Anspruch nimmt oder nicht.
49Zum Erfordernis, dass die entrichteten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Dienstleistung darstellen, ist auszuführen, dass die zu erbringende Leistung sowie der dem Kunden bei Vertragsbeendigung vor Ablauf der Mindestbindungsfrist berechnete Betrag bereits bei Vertragsabschluss festgelegt werden.
50Somit ist der für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist zu zahlende Betrag als integraler Bestandteil des in Monatsentgelte aufgeteilten Gesamtpreises für die Erbringung von Dienstleistungen anzusehen, der im Fall der Nichterfüllung der Zahlungspflicht sofort fällig wird.
51Hinsichtlich des letzteren Umstands geht nämlich aus der Vorlageentscheidung hervor, dass gemäß den anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts die Steuer auf den betreffenden Betrag zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung entsteht, was auch in Art. 66 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Abweichung von Art. 64 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie – Bestimmungen, auf die das vorlegende Gericht im Rahmen seiner ersten Frage ausdrücklich Bezug nimmt – vorgesehen ist. Angesichts des Vorstehenden, insbesondere des Umstands, dass die vorzeitige Vertragsbeendigung nichts an der wirtschaftlichen Realität des Verhältnisses zwischen MEO und ihren Kunden ändert, ist festzuhalten, dass weder die vorzeitige Fälligkeit der Mehrwertsteuer im Fall der Vertragsauflösung noch die erwähnten Bestimmungen Einfluss auf die im vorliegenden Fall maßgebliche Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie haben.
52Folglich stellt der für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist zu zahlende Betrag die Gegenleistung für eine bestimmbare Dienstleistung dar.
53Aus der Formulierung der ersten Frage, die auch auf Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie Bezug nimmt, geht hervor, dass das vorlegende Gericht Zweifel hegt, ob es möglicherweise Einfluss auf den Mehrwertsteueranspruch hat, wenn der bei vorzeitiger Vertragsbeendigung geschuldete Betrag tatsächlich nicht entrichtet wird.
54Gemäß dieser Bestimmung umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistungserbringer von seinem Kunden erhält oder erhalten soll.
55Da im Übrigen durch die Mehrwertsteuer nur der Endverbraucher belastet werden soll, kann der Betrag, der als Besteuerungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Mehrwertsteuer dient, nicht höher sein als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat und auf deren Grundlage die von ihm letztlich getragene Mehrwertsteuer berechnet worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Elida Gibbs, C-317/94, EU:C:1996:400, Rn. 19).
56Daher ist für alle Fälle, wie auch die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hinzuzufügen, dass es gegebenenfalls den zuständigen nationalen Behörden obliegt, unter den im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen eine Korrektur der Mehrwertsteuerschuld wie in Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehen vorzunehmen, damit die Mehrwertsteuer von dem Betrag berechnet wird, den der Dienstleistungserbringer von seinem Kunden tatsächlich erhält.
57Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der im Vorhinein festgelegte Betrag, den ein Wirtschaftsteilnehmer im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Dienstleistungsvertrags mit einer Mindestbindungsfrist durch seinen Kunden oder aus einem diesem zuzurechnenden Grund bezieht und der dem Betrag entspricht, den dieser Wirtschaftsteilnehmer ohne diese vorzeitige Beendigung für die restliche Laufzeit erhalten hätte – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, als Gegenleistung für eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung anzusehen ist und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt.
Zur zweiten Frage
58Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die in den Buchst. a, b und c der ersten Frage genannten Voraussetzungen, nämlich die Umstände, dass der Zweck des Pauschbetrags darin besteht, die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten und den Schaden des Betreibers durch die Nichteinhaltung dieser Frist auszugleichen, dass die von einem Handelsvermittler erhaltene Vergütung für den Abschluss von Verträgen mit Mindestbindungsfrist höher ist als jene, die im Rahmen von Verträgen ohne eine solche Frist vorgesehen ist, sowie dass der in Rechnung gestellte Betrag nach nationalem Recht als Konventionalstrafe zu qualifizieren ist, für die Qualifizierung des im Dienstleistungsvertrag im Vorhinein festgelegten Betrags, den der Kunde bei dessen vorzeitiger Beendigung schuldet, entscheidend sind.
59Erstens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Zweck des Pauschbetrags, der darin besteht, die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten und den Schaden des Betreibers bei vorzeitiger Vertragsbeendigung auszugleichen, die Qualifizierung dieses Betrags als Entgelt für die Erbringung von Dienstleistungen berührt.
60Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Begriff „Dienstleistung“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Newey, C-653/11, EU:C:2013:409, Rn. 41).
61Hingegen ist es wesentlich, wie bereits in Rn. 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, die wirtschaftliche Realität des betreffenden Umsatzes zu berücksichtigen, die ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Newey, C-653/11, EU:C:2013:409, Rn. 42, 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Wie die Generalanwältin in Nr. 46 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, stellt der wegen Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldete Betrag im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sicher, dass MEO einen fixen Ertrag in Form einer vertraglich vorgesehenen Mindestvergütung erzielt.
62Folglich ist der Zweck dieses Betrags, nämlich die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten, für seine Qualifizierung insofern nicht entscheidend, als dieser Betrag nach der wirtschaftlichen Realität darauf abzielt, MEO grundsätzlich dieselben Einnahmen zu sichern, die sie erhalten hätte, wenn der Vertrag nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist aus einem dem Kunden zuzurechnenden Grund beendet worden wäre.
63Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass die von einem Handelsvermittler erhaltene Vergütung für den Abschluss von Verträgen mit Mindestbindungsfrist höher ist als jene, die für Verträge ohne eine solche Frist vorgesehen ist, eine Auswirkung auf die Qualifizierung des wegen Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldeten Betrags hat.
64Für die Beurteilung, ob dieser Betrag eine Gegenleistung für die Erbringung mehrwertsteuerpflichtiger Dienstleistungen darstellt, wird nach den Rn. 39 bis 51 des vorliegenden Urteils der Inhalt der dem Gerichtshof vorgelegten Akten berücksichtigt, aus denen hervorgeht, dass dieser Betrag nach der Höhe des Monatsgrundentgelts sowohl für den Zeitraum vor der Beendigung des Dienstleistungsvertrags als auch für den Zeitraum von der Vertragsauflösung bis zum Ablauf der Mindestbindungsfrist berechnet wurde.
65Da somit die Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage in keiner Weise von dem Umstand abhängt, dass die von einem Handelsvertreter erhaltene Vergütung je nach Art des mit dem Kunden abgeschlossenen Vertrags variieren kann, genügt es, festzuhalten, dass ein Vergleich zwischen den Verträgen mit und ohne Mindestbindungsfrist für die Frage irrelevant ist, ob der wegen Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldete Betrag ein Entgelt für die Erbringung der im Ausgangsverfahren gegenständlichen Dienstleistungen darstellt.
66Drittens möchte das vorlegende Gericht auch wissen, ob der Umstand, dass der wegen Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist in Rechnung gestellte Betrag nach nationalem Recht als Konventionalstrafe angesehen wird, Einfluss auf die Qualifizierung dieses Betrags als Entgelt für die Erbringung von Dienstleistungen haben kann.
67Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kozuba Premium Selection, C-308/16, EU:C:2017:869, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68Somit ist, wie die Generalanwältin in Nr. 34 ihrer Schlussanträge festgehalten hat, für die Auslegung der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie irrelevant, ob dieser Betrag nach nationalem Recht als deliktischer Schadensersatzanspruch oder als Konventionalstrafe zu sehen ist oder ob er als Schadensersatz, Entschädigung oder Entgelt bezeichnet wird.
69Die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt, stellt eine unionsrechtliche Frage dar, die unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheiden ist.
70Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist auf die zweite Frage zu antworten, dass für die Qualifizierung des im Dienstleistungsvertrag im Vorhinein festgelegten Betrags, den der Kunde bei dessen vorzeitiger Beendigung schuldet, die Umstände nicht entscheidend sind, dass der Zweck dieses Pauschbetrags darin besteht, die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten und den Schaden des Betreibers durch die Nichteinhaltung dieser Frist auszugleichen, dass die von einem Handelsvermittler erhaltene Vergütung für den Abschluss von Verträgen mit Mindestbindungsfrist höher ist als jene, die im Rahmen von Verträgen ohne eine solche Frist vorgesehen ist, sowie dass dieser Betrag nach nationalem Recht als Konventionalstrafe zu qualifizieren ist.
Kosten
71Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der im Vorhinein festgelegte Betrag, den ein Wirtschaftsteilnehmer im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Dienstleistungsvertrags mit einer Mindestbindungsfrist durch seinen Kunden oder aus einem diesem zuzurechnenden Grund bezieht und der dem Betrag entspricht, den dieser Wirtschaftsteilnehmer ohne diese vorzeitige Beendigung für die restliche Laufzeit erhalten hätte – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, als Gegenleistung für eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung anzusehen ist und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt.
2. Für die Qualifizierung des im Dienstleistungsvertrag im Vorhinein festgelegten Betrags, den der Kunde bei dessen vorzeitiger Beendigung schuldet, sind die Umstände nicht entscheidend, dass der Zweck dieses Pauschbetrags darin besteht, die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten und den Schaden des Betreibers durch die Nichteinhaltung dieser Frist auszugleichen, dass die von einem Handelsvermittler erhaltene Vergütung für den Abschluss von Verträgen mit Mindestbindungsfrist höher ist als jene, die im Rahmen von Verträgen ohne eine solche Frist vorgesehen ist, sowie dass dieser Betrag nach nationalem Recht als Konventionalstrafe zu qualifizieren ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
KAAAH-06811