2. Abgrenzung des Grundvermögens vom land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (§ 69 BewG)
(1) 1§ 68 Abs. 1 BewG enthält zusammen mit § 33 Abs. 1 BewG die allgemeine Regel für die Abgrenzung zwischen Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen; § 69 betrifft trotz seiner allgemein gehaltenen Überschrift nur Sonderfälle. 2Nach § 33 Abs. 1 BewG gehört zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, was einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt ist. 3Nach § 68 Abs. 1 BewG setzt die Annahme von Grundvermögen voraus, daß es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen handelt. 4Ob eine Fläche oder ein Gebäude zum Grundvermögen oder zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört, ist demnach bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft zu entscheiden.
(2) 1Nach § 69 BewG gehören im Feststellungszeitpunkt noch land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen – abweichend von der grundsätzlichen Regelung in § 33 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 BewG – unter bestimmten Voraussetzungen zum Grundvermögen. 2In § 69 Abs. 1 und 2 BewG handelt es sich um Fälle, für die in Zukunft mit einer Verwendung der Flächen für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke zu rechnen ist. 3In § 69 Abs. 3 BewG handelt es sich darum, daß eine in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan als Bauland ausgewiesene Fläche unter näher bestimmten Voraussetzungen in jedem Fall als Grundvermögen zu bewerten ist. 4Liegt eine im Feststellungszeitpunkt land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche im Gebiet eines Bebauungsplans (Plangebiet) und ist sie in diesem als Bauland ausgewiesen, so kann eine Zurechnung zum Grundvermögen nicht nur nach § 69 Abs. 3 BewG, sondern u. U. auch nach § 69 Abs. 1 oder 2 BewG in Betracht kommen. 5Es empfiehlt sich in der Regel, zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 BewG vorliegen.
(3) 1Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen werden nach § 69 Abs. 3 BewG in jedem Fall zum Grundvermögen gerechnet, wenn die folgenden Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind:
Die Flächen müssen in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan (§§ 8 ff. BBauG) [1] als Bauland ausgewiesen sein;
die sofortige Bebauung muß rechtlich und tatsächlich möglich sein;
die Bebauung muß innerhalb des Plangebiets in einem benachbarten Bereich begonnen haben oder schon durchgeführt sein;
die Flächen dürfen nicht Hofstelle oder mit ihr in räumlichem Zusammenhang stehende Hof-, Garten- und Weideflächen sein;
weinbaulich oder gärtnerisch genutzte Flächen dürfen nicht zu einem ihrem Eigentümer als Existenzgrundlage dienenden Betrieb gehören, bei dem der Weinbau oder der Gartenbau den Hauptzweck darstellt.
2Hierzu ist noch folgendes zu bemerken:
Zu Nummer 2: Ob eine sofortige Bebauung möglich ist, kann insbesondere von der Größe und dem Zuschnitt der Fläche abhängen. So kann eine Fläche für jede (nicht etwa nur für eine geplante) Bebauung zu klein oder zu ungünstig geschnitten sein. Auch die Bodenverhältnisse (z. B. Sumpf) können eine sofortige Bebauung ausschließen. In rechtlicher Hinsicht ist vor allem entscheidend, ob die sofortige Bebauung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig ist. Als Hinderungsgründe öffentlich-rechtlicher Art kommen insbesondere Veränderungssperren (§ 14 BBauG) [2], die Unzulässigkeit von Bauvorhaben (vor allem nach § 30 BBauG) [3] und nicht sofort erfüllbare Vorschriften über die Bebauung in Betracht – letzteres z. B. in Fällen, in denen die Grundstücksfläche für die vorgeschriebene offene Bebauung zu klein ist.
Zu Nummer 3: Ob in benachbarten Bereichen die Bebauung schon begonnen hat oder durchgeführt ist, ist allein auf das jeweilige Plangebiet abzustellen. Die Bebauung von Flächen außerhalb des Plangebiets kommt selbst dann, wenn diese Flächen unmittelbar an das Plangebiet anschließen, nicht als Bebauung in einem benachbarten Bereich in Betracht. Andererseits ist hierfür nicht zu fordern, daß die Bebauung in der nächsten Nachbarschaft der zu bewertenden Fläche begonnen hat. Was als benachbarter Bereich anzusehen ist, richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen. Bei Baulücken in geschlossener Ortslage ist die geforderte Voraussetzung stets erfüllt.
Zu Nummer 4: Unter den im räumlichen Zusammenhang mit der Hofstelle stehenden Garten- und Weideflächen, die ebenso wie die Hofflächen nicht nach § 69 Abs. 3 BewG zum Grundvermögen gerechnet werden dürfen, sind der Hausgarten und die sog. Hofweide zu verstehen. Nicht darunter fallen die zur gärtnerischen Nutzung gehörenden Flächen (abgesehen von Hausgärten über 10 Ar, welche nach § 40 Abs. 3 Satz 2 BewG zur gärtnerischen Nutzung gehören können) sowie Wiesen und nicht mehr als Hofweide anzusprechende Weideflächen. Der räumliche Zusammenhang mit der Hofstelle kann auch dann anerkannt werden, wenn die Garten- oder Weideflächen durch kleinere Straßen, durch Wege oder durch kleinere Ackerflächen von der Hofstelle getrennt sind.
Zu Nummer 5: Ob der Weinbau oder der Gartenbau den Hauptzweck eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft bildet, ist danach zu beurteilen, welche Nutzung (§ 34 Abs. 2 BewG) bei der Erzielung der Erträge im Vordergrund steht. Im allgemeinen wird das die Nutzung sein, die auch wertmäßig überwiegt. Eine weinbauliche oder gärtnerische Nutzung schließt aber eine Zurechnung zum Grundvermögen nach § 69 Abs. 3 BewG nur dann aus, wenn die Flächen im Eigentum des Betriebsinhabers stehen und der Betrieb die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bildet; zur Frage der Existenzgrundlage vgl. Absatz 5 zu Nr. 1.
(4) 1Nach § 69 Abs. 1 oder 2 BewG sind alle Fälle abzugrenzen, bei denen eines der folgenden Merkmale zutrifft:
Fehlen eines Bebauungsplanes;
Einstufung im Bebauungsplan nicht als Bauland, aber z. B. als Grünfläche oder als Verkehrsfläche;
fehlende Möglichkeit der sofortigen Bebauung;
noch keine im benachbarten Bereich begonnene oder durchgeführte Bebauung;
Hoffläche oder in räumlichem Zusammenhang dazu stehende Garten- oder Weidefläche;
weinbauliche oder gärtnerische Nutzung, wenn sie Hauptzweck eines dem Eigentümer als Existenzgrundlage dienenden Betriebs ist.
2In diesen Fällen ist daher die innerhalb bestimmter Zeit zu erwartende Verwendung für andere als für land- und forstwirtschaftliche Zwecke zu prüfen. 3Eine Abgrenzung nach § 69 Abs. 1 oder 2 BewG kann darüber hinaus in Betracht kommen, wenn dies zweckmäßiger ist als eine Abgrenzung nach § 69 Abs. 3 BewG. 4Das trifft beispielsweise zu, wenn das in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesene Gelände mit Sicherheit schon in Kürze in unbebautem Zustand für gewerbliche Zwecke genutzt werden wird, auf der anderen Seite aber die Möglichkeit einer sofortigen Bebauung zweifelhaft oder mindestens schwer festzustellen ist.
(5) 1Die Zurechnung der im Feststellungszeitpunkt land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen zum Grundvermögen nach § 69 Abs. 1 BewG setzt lediglich voraus, daß eine künftige Verwendung der Flächen für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke anzunehmen ist und daß die Änderung der Nutzungsweise in absehbarer Zeit erwartet wird. 2Für die Zurechnung zum Grundvermögen nach § 69 Abs. 2 BewG gelten dagegen strengere Voraussetzungen. 3Hiernach muß eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, daß die Flächen spätestens nach zwei Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. 4§ 69 Abs. 2 BewG stellt als eine Spezialvorschrift gegenüber § 69 Abs. 1 BewG eine Anzahl zusätzlicher Tatbestandsmerkmale auf, die die im Feststellungszeitpunkt noch land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen aufweisen müssen:
Der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, zu dem die Flächen gehören, muß die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bilden;
es muß sich entweder um Flächen im Eigentum des Betriebsinhabers oder – nach § 69 Abs. 2 Satz 2 BewG– um Flächen handeln, die vom Betriebsinhaber nicht nur vorübergehend mitbewirtschaftet werden;
es muß eine ordnungsgemäße nachhaltige Bewirtschaftung von einer Stelle aus vorliegen.
5Diese Merkmale liegen bei den land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen meistens vor. 6Deshalb ist zweckmäßig vor der Anwendung von § 69 Abs. 1 BewG zu prüfen, ob § 69 Abs. 2 BewG anzuwenden ist. 7Zu den Merkmalen ist noch folgendes zu bemerken:
Zu Nummer 1: Eine Existenzgrundlage im Sinne dieser Vorschrift liegt dann vor, wenn der Betrieb den Lebensbedarf des Betriebsinhabers überwiegend decken kann. Dies kann auch bei Nebenerwerbsstellen der Fall sein, grundsätzlich dagegen nicht bei solchen Fällen, die nur zur Deckung des Eigenbedarfs bewirtschaftet werden. Ebensowenig dient ein Betrieb der Existenzgrundlage, der aus Liebhaberei, um der Jagd willen oder als Versuchsbetrieb für den eigenen Gewerbebetrieb unterhalten wird. Im Falle der Dauerpacht (vgl. zu Nummer 2) ist entscheidend, ob die Flächen die Existenzgrundlage des Pächters bilden. Dabei sind dessen eigene Flächen und die Pachtflächen als eine Einheit anzusehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Zu Nummer 2: Eine nicht nur vorübergehende Bewirtschaftung von Pachtflächen setzt nicht einen für längere Dauer geschlossenen Pachtvertrag oder ähnlichen Vertrag voraus. Eine alljährliche Verlängerung des Pachtverhältnisses reicht aus. Liegt danach eine dauernde Pacht vor, so ist eine nicht nur vorübergehende Bewirtschaftung auch dann noch anzuerkennen, wenn im Feststellungszeitpunkt wegen des bevorstehenden Baues einer Brückenauffahrt, einer Autobahn oder aus ähnlichen Gründen ein Ende der Pacht und Bewirtschaftung abzusehen ist. Dagegen handelt es sich um eine nur vorübergehende Bewirtschaftung, wenn ein baldiges Ende des Pachtverhältnisses schon bei seiner Begründung abzusehen ist. Im übrigen ist es für die Anwendung von § 69 Abs. 2 BewG ohne Bedeutung, ob der Betrieb des Pächters insgesamt oder nur teilweise aus Pachtland besteht.
Zu Nummer 3: Mit der Bewirtschaftung von einer Stelle aus ist die Bewirtschaftung von einer Hofstelle aus oder – wenn bei einer Nutzungsart wie bei der forstwirtschaftlichen Nutzung die Bezeichnung „Hofstelle” nicht üblich ist – von einem entsprechenden Betriebszentrum aus gemeint. Eine in größerer Entfernung liegende Fläche, die für Rechnung des Betriebsinhabers durch eine dritte Person bewirtschaftet wird, genießt daher nicht den Schutz des § 69 Abs. 2 BewG.
(6) 1Die bei § 69 Abs. 2 BewG – ebenso wie bei § 69 Abs. 1 BewG – vorausgesetzte Erwartung einer künftigen Verwendung der Fläche für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke kann sich auf viele Umstände gründen: Die Möglichkeit einer künftigen Verwendung als Bauland oder einen Erwerb zu Baulandpreisen, wenn die Fläche nicht als Ersatzland (z. B. bei Enteignungen) oder zur Abrundung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft dienen soll; den Erwerb durch einen Nichtlandwirt, z. B. durch eine Grundstücksgesellschaft, ein Wohnungsunternehmen oder auch ein Industrieunternehmen, die die Fläche vorläufig noch in der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Veräußerers belassen (RFH-Urteil vom 25.7.1940, RStBl 1941 S. 277); Landverkäufe, die eine beginnende Parzellierung erkennen lassen; die Fläche wird für eine Brückenauffahrt benötigt; ein in Richtung auf die Fläche fortschreitender Straßenbau u. a. 2Der Wille des Eigentümers, die Fläche weiterhin land- und forstwirtschaftlich zu nutzen, ist nicht von Bedeutung, wenn nach der Lage, den Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, daß sie anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird (BFH-Urteil vom 28.7.1961, BStBl III S. 420). 3Bei § 69 Abs. 2 BewG genügt aber anders als bei § 69 Abs. 1 BewG nicht die Erwartung einer Nutzungsänderung in absehbarer Zeit. 4Vielmehr wird hier eine große Wahrscheinlichkeit für eine solche Nutzungsänderung in spätestens zwei Jahren verlangt. 5Diese strengeren Voraussetzungen sind beispielsweise erfüllt, wenn die Fläche schon vor dem Feststellungszeitpunkt für die Erweiterung eines Fabrikgrundstücks veräußert und dem Veräußerer nur noch eine Nutzung bis zur Einbringung der ersten Ernte nach dem Feststellungszeitpunkt zugestanden worden ist. 6Die besonderen Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 BewG sind aber z. B. nicht erfüllt, wenn es bei einem sich nähernden Straßenbau ungewiß ist, ob die Fläche schon innerhalb von zwei Jahren oder erst später in Anspruch genommen wird.
(7) Unter dem Begriff „absehbare Zeit” in § 69 Abs. 1 BewG ist in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung ein Zeitraum von 6 Jahren (normale Dauer des Hauptfeststellungszeitraums) zu verstehen, der jeweils vom Feststellungszeitpunkt an gerechnet wird.
(8) Für die Abgrenzung der Flächen, die als Kleingartenland oder als Dauerkleingartenland genutzt werden, gilt folgendes:
1Kleingartenland sind Flächen, die der Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. Juli 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1371) und den Vorschriften des Gesetzes zur Ergänzung der Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 26. Juni 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 809) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 2. August 1940 (Reichsgesetzbl. I S. 1074) unterliegen. 2Sind diese Flächen in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt, so sind sie nach § 69 Abs. 3 BewG dann Grundvermögen, wenn ihre sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat. 3Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so sind die Flächen wegen des weitgehenden Pachtschutzes in der Regel als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten (RFH-Urteile vom 7.12.1939, RStBl 1940 S. 9, und vom 4.4.1940, RStBl S. 509, BFH-Urteil vom 10.2.1956, BStBl III S. 78).
1Dauerkleingartenland sind Flächen, die einer Bebauung entzogen und für eine dauernde kleingärtnerische Nutzung bestimmt sind. 2Sie sind also in jedem Fall als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten (RFH-Urteil vom 7.12.1939, RStBl 1940 S. 9).
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PAAAA-72206