BewR Gr 15.

15. Arten der bebauten Grundstücke (§ 75 BewG)

(1) 1Die Arten der bebauten Grundstücke sind in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 BewG erschöpfend aufgezählt. 2Bebaute Grundstücke, die sich nicht in eine der Grundstücksarten nach den Nummern 1 bis 5 einordnen lassen, gehören zu der Grundstücksart „sonstige bebaute Grundstücke”.

(2) 1Die Einordnung eines Grundstücks in eine der drei Grundstücksarten „Mietwohngrundstücke”, „Geschäftsgrundstücke” und „gemischtgenutzte Grundstücke” richtet sich nach der tatsächlichen Nutzung im Feststellungszeitpunkt. 2Bei verschiedenartiger Nutzung ist die gesamte Jahresrohmiete in die Miete für Wohnungen einerseits und in die Miete für die gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücksteile andererseits aufzuteilen. 3Für grundsteuerbegünstigte Teile des Grundstücks ist dabei die nach § 79 Abs. 3 BewG um 12 v. H., für Arbeiterwohnstätten die nach § 79 Abs. 4 BewG um 14 v. H. erhöhte Jahresrohmiete anzusetzen. 4Zu den Wohnungen sind auch solche Gebäude und Gebäudeteile zu rechnen, die als Zubehörräume der Wohnungen anzusehen sind (z. B. Garagen, Schuppen, Stallgebäude). 5Gewerblichen Zwecken dienen Grundstücke oder Grundstücksteile, wenn sie zu eigenen oder fremden gewerblichen Zwecken oder für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verwendet werden (z. B. Werkstätten, Verkaufsläden, Büroräume). 6Das gilt auch für einzelne Räume innerhalb einer Wohnung, wenn sie ausschließlich gewerblich benutzt werden. 7Die Verwendung für gewerbliche Zwecke setzt eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (vgl. § 1 der GewStDV 1961; [1] RFH-Urteil vom 24.4.1928, RStBl S. 195). 8Dem Betrieb eines Gewerbes steht die Ausübung eines freien Berufes gleich (§ 96 BewG). 9Wohnräume, die gewerblich oder beruflich nur mitbenutzt werden, sind nicht als gewerblichen Zwecken dienende Räume zu behandeln. 10Öffentlichen Zwecken dienen vor allem Grundstücke, auf denen sich Dienstgebäude der öffentlichen Verwaltung befinden. 11Ist ein solches Grundstück von der Grundsteuer (§§ 4 bis 6 GrStG) [2] und von den anderen einheitswertabhängigen Steuern ganz oder teilweise befreit, so ist ein Einheitswert insoweit nicht festzustellen. 12In diesem Fall bleibt der steuerbefreite Teil bei der Entscheidung, welcher Grundstücksart das Grundstück zuzurechnen ist, außer Betracht. 13Ist dagegen das ganze Grundstück steuerpflichtig, so ist bei seiner Einordnung in eine Grundstücksart und bei seiner Bewertung auch der öffentlichen Zwecken dienende Teil zu erfassen. 14Das Grundstück kann dann entsprechend dem Verhältnis der Jahresrohmieten ein Geschäftsgrundstück, ein gemischtgenutztes Grundstück oder ein Mietwohngrundstück sein. 15Dienstwohnungen und andere Wohnungen in einem sonst wegen Steuerfreiheit nicht zu bewertenden Dienstgebäude sind ohne Rücksicht auf ihre Anzahl wie ein Mietwohngrundstück zu behandeln. 16Ist die Befreiung bei den einzelnen einheitswertabhängigen Steuern unterschiedlich, so sind für die einzelnen Steuern Einheitswerte festzustellen (§ 214 Nr. 3 Buchstabe b AO), [3] bei denen die Grundstücksart unterschiedlich sein kann.

(3) 1Für die Einordnung eines Wohngrundstücks in die Grundstücksart „Einfamilienhäuser” ist allein maßgebend, ob es nur eine Wohnung enthält; Wohnungen des Hauspersonals bleiben außer Betracht. 2Ohne Bedeutung ist, ob das Gebäude im Feststellungszeitpunkt vom Eigentümer selbst bewohnt wird oder an Dritte vermietet ist. 3Eine Wohnung ist eine Zusammenfassung von Wohnraum und Nebengelaß. 4Der Inhaber der Wohnung muß in der Lage sein, in den ihm zur Verfügung stehenden Räumen einen eigenen Haushalt zu führen. 5Das ist in der Regel dann der Fall, wenn eine eigene Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit und eine Toilette vorhanden sind (vgl. hierzu das zur Grundsteuer ergangene Urteil des BFH vom 16.12.1955, BStBl 1956 III S. 47). 6Bei der Prüfung der Frage, ob eine Wohnung vorliegt, sind die Verkehrsauffassung und die besonderen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 1.8.1952, BStBl III S. 251). 7Zum Begriff einer Wohnung gehört jedoch nicht allgemein, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang hat (BFH-Urteil vom 16.12.1955, a. a. O.). 8Einzelräume, die leer oder möbliert vermietet werden, erfüllen demnach die Voraussetzungen, die an den Begriff einer Wohnung gestellt werden, regelmäßig nicht (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 1.8.1952, a. a. O.). 9Unter den hier genannten Voraussetzungen sind auch Wochenendhäuser, die während des ganzen Jahres bewohnbar sind, als Einfamilienhäuser zu behandeln. 10Ob die teilweise Nutzung eines Wohngrundstücks zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken ihm die Eigenart als Einfamilienhaus nimmt, hängt von der Verkehrsauffassung ab; dabei ist das Ausmaß der gewerblichen (öffentlichen) Nutzung von Bedeutung, doch kann es nicht allein entscheidend sein (BFH-Urteil vom 3.2.1956, BStBl III S. 78 ). 11Ein Wohngrundstück mit nur einer Wohnung, dessen Gebäude zu weniger als der Hälfte seiner Wohn- und Nutzfläche zu gewerblichen (öffentlichen) Zwecken benutzt wird, kann demnach in der Regel als Einfamilienhaus behandelt werden.

(4) 1Zu der Grundstücksart „Zweifamilienhäuser” gehören außer den eigentlichen Zweifamilienhäusern mit zwei gleichwertigen Wohnungen auch die Wohngrundstücke, die eine Hauptwohnung und eine Einliegerwohnung enthalten. 2Dabei ist es gleichgültig, ob eine Wohnung vermietet ist, ob beide Wohnungen vermietet oder ob beide Wohnungen eigengenutzt sind.

(5) 1Für die Behandlung von nur einem Eigentümer gehörenden Doppelhäusern und Reihenhäusern als Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Mietwohngrundstücke ist maßgebend, ob die einzelnen Wohngrundstücke als selbständige wirtschaftliche Einheiten im Sinne des § 2 BewG anzusehen sind. 2Falls die Doppelhäuser und Reihenhäuser durch Brandmauern oder Trennwände voneinander getrennt sind und einen gesonderten Eingang usw. haben und damit nach ihrer baulichen Gestaltung und Einrichtung unabhängig voneinander veräußert werden können, ist jedes Grundstück als selbständige wirtschaftliche Einheit zu behandeln (RFH-Urteil vom 29.10.1942, RStBl 1943 S. 7; BFH-Urteil vom 7.2.1964, BStBl III S. 180).

(6) 1Zu den sonstigen bebauten Grundstücken gehören bebaute Grundstücke, die weder Wohnzwecken noch gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. 2Hierunter fallen z. B. Clubhäuser, Vereinshäuser, Bootshäuser, studentische Verbindungshäuser, Turnhallen, Schützenhallen und Jagdhütten. 3Kindererholungsheime sind nicht als Mietwohngrundstücke, sondern als sonstige bebaute Grundstücke zu behandeln; der wesentliche Zweck dieser Heime ist nicht die Befriedigung des Wohnbedürfnisses, sondern in erster Linie das Bestreben, die aufgenommenen Kinder gesundheitlich zu fördern (RFH-Urteil vom 25.6.1931, RStBl S. 867). 4Voraussetzung ist hier jedoch, daß sich der Betrieb der Kindererholungsheime im einzelnen Fall nicht als Gewerbebetrieb darstellt (vgl. die Ausführungen zu Absatz 2). 5In diesem Falle ist ein solches Grundstück als Geschäftsgrundstück zu behandeln. 6Auch selbständige Garagengrundstücke sind sonstige bebaute Grundstücke, falls sie nicht gewerblich genutzt werden. 7Wochenendhäuser, die nicht Einfamilienhäuser sind (vgl. Absatz 3), sind ebenfalls den sonstigen bebauten Grundstücken zuzurechnen.

(7) 1In § 75 BewG ist nichts Besonderes über die Bestimmung der Grundstücksart in den Fällen vorgeschrieben, in denen ein Grundstück Wohnzwecken, gewerblichen oder öffentlichen Zwecken und „sonstigen Zwecken” dient. 2In Betracht kommen hier drei Gruppen von Fällen. 3Das Grundstück dient

  1. teils Wohnzwecken, teils „sonstigen Zwecken”,

  2. teils gewerblichen oder öffentlichen Zwecken, teils „sonstigen Zwecken”,

  3. teils Wohnzwecken, teils gewerblichen oder öffentlichen Zwecken, teils „sonstigen Zwecken”.

4Da sich die Einordnung eines Grundstücks in eine der im Gesetz bezeichneten Grundstücksarten vor allem nach seiner überwiegenden Nutzung für bestimmte Zwecke richtet, ist in diesen Fällen die in § 75 Abs. 2 und 3 BewG für die Mietwohngrundstücke und die Geschäftsgrundstücke getroffene Regelung entsprechend anzuwenden. 5Bebaute Grundstücke, die zu mehr als 80 v. H. der Jahresmiete oder, wenn sie nicht ganz vermietet sind, zu mehr als 80 v. H. der Wohn- und Nutzfläche „sonstigen Zwecken” dienen, sind als sonstige bebaute Grundstücke zu behandeln. 6Andernfalls sind sie entsprechend ihrer tatsächlichen Nutzung als Mietwohngrundstücke, als Geschäftsgrundstücke oder als gemischtgenutzte Grundstücke zu bewerten. 7Dabei ist die Nutzung für „sonstige Zwecke” der Nutzung für gewerbliche oder öffentliche Zwecke gleichzuachten, da sie der Nutzung für gewerbliche oder öffentliche Zwecke am nächsten kommt. 8Grundstücksteile, die wegen ihrer Steuerfreiheit nicht zu bewerten sind, bleiben sowohl bei der Entscheidung, ob ein sonstiges bebautes Grundstück oder ein bebautes Grundstück einer der in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG bezeichneten Arten vorliegt, als auch bei der Entscheidung, welche dieser Grundstücksarten ggf. zutrifft, außer Betracht.

Beispiel A:

In einem Vereinshaus, das ein Tennisverein auf dem ihm gehörenden Grundstück errichtet hat, befinden sich die Vereinsräume, die Wohnung des Platzwartes und ein kleines Ladengeschäft. Bei der Entscheidung der Frage, in welche Grundstücksart das Grundstück einzuordnen ist, bleiben die von der Grundsteuer befreiten Grundstücksteile (§ 4 Ziff. 4 GrStG, § 8 Abs. 1, 2 und 4 GrStDV) [4] außer Betracht. Das Gebäude wird – gemessen nach seiner restlichen Wohn- und Nutzfläche – zu 85 v. H. für „sonstige Zwecke”, zu 10 v. H. für Wohnzwecke und zu 5 v. H. für gewerbliche Zwecke genutzt. Das Grundstück ist daher ein sonstiges bebautes Grundstück.

Beispiel B:

Ein bebautes Grundstück enthält ein Ladengeschäft, Wohnungen und Räume, die an eine studentische Verbindung vermietet sind. Die an sie vermieteten Räume nehmen eins der vier Vollgeschosse ein. Nach dem Verhältnis der Jahresrohmieten wird das Grundstück zu 30 v. H. für gewerbliche Zwecke, zu 45 v. H. für Wohnzwecke und zu 25 v. H. für die „sonstigen Zwecke” der Verbindung genutzt. Da es zu 55 v. H. gewerblichen und ihnen gleichgeachteten „sonstigen Zwecken” und zu 45 v. H. Wohnzwecken dient, ist es als ein gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten.

Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
PAAAA-72206

1Vgl. jetzt § 15 Abs. 2 EStG.

2Jetzt §§ 3 bis  8 GrStG.

3Jetzt § 19 Abs. 2 Satz 3 BewG.

4Vgl. jetzt § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GrStG.