Nichtannahmebeschluss: keine gerichtliche Hinweispflicht bzgl der Darlegungs- und Beweislast beim subjektiven Tatbestand des Lohnwuchers und des wucherähnlichen Geschäfts im arbeitsgerichtlichen Verfahren - keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG)
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, ArbGG, § 138 Abs 2 BGB, § 139 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 5 AZR 496/11 Urteil
Gründe
1 Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
2 1. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 86, 133 <144>). Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will, damit sie bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BVerfGE 98, 218 <263>). Doch müssen Verfahrensbeteiligte, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>).
3 2. Danach war das Bundesarbeitsgericht nicht gehalten, auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beim subjektiven Tatbestand des Lohnwuchers und des wucherähnlichen Geschäfts ausdrücklich hinzuweisen. Es konnte erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus auch dazu vortragen. Dies ergibt sich aus der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bekannten einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs. Danach ist darzulegen, aus welchen Anknüpfungstatsachen sich ergibt, dass sich ein Arbeitgeber nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, welches den Tatbestand des Wuchers oder wucherähnlichen Geschäfts erfüllt (vgl. nunmehr -, BAGE 141, 348, Rn. 36). Schon das von den Prozessbeteiligten selbst im fachgerichtlichen Verfahren herangezogene Urteil des Bundesarbeitsgerichts unterschied zwischen einem "auffälligen" und einem "besonders auffälligen" Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei einem Lohn in Höhe von zwei Dritteln des allgemeinverbindlichen Tariflohns. Nur letzteres spreche für eine verwerfliche Gesinnung der Begünstigten. Doch auch dann müsse sich ein Arbeitgeber nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, dass ein solches Missverhältnis vorliege (vgl. -, BAGE 130, 338, Rn. 17 und Rn. 27). Bereits auf der Grundlage dieser Rechtsprechung war das Erfordernis von Vortrag zum zulässigen Teil erkennbar. Zudem hat die Beklagte des Ausgangsverfahrens erst- und zweitinstanzlich gerügt, dass entsprechender Sachvortrag fehlt.
4 Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
5 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180927.1bvr042613
Fundstelle(n):
AAAAG-98934