Oberste Finanzbehörden der Länder - S 4501 BStBl 2018 I S. 1069

Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG

1. Allgemeines

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (, BStBl 1982 II S. 424 und , BStBl 1988 II S. 785) können personenbezogene Befreiungsvorschriften (unter anderem § 3 Nr. 6 GrEStG) in Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) grundsätzlich nicht angewendet werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies damit begründet, dass beim Anteilserwerb derjenige, in dessen Hand sich alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft vereinigen, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt werde, als habe er das jeweilige Grundstück von der Gesellschaft erworben. Dies gilt sinngemäß auch für die ab geltende Fassung des § 1 Abs. 3 GrEStG, nach der es ausreichend ist, wenn unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt werden.

Für die Fälle der Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) haben die Urteile keine Bedeutung. Da die Grundstücke einer Gesellschaft, deren Anteile zu mindestens 95 % in einer Hand vereinigt sind, grunderwerbsteuerrechtlich diesem Gesellschafter zugerechnet werden, ist bei einer Übertragung der Anteile davon auszugehen, dass der neue Gesellschafter die Grundstücke von dem früheren Gesellschafter und nicht von der Gesellschaft erwirbt. Für die Fälle, in denen mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft von einem Gesellschafter auf einen anderen übertragen werden, steht somit der Anwendbarkeit personenbezogener Befreiungsvorschriften (z. B. § 3 Nr. 6 GrEStG) nichts entgegen. Dies gilt dem Grunde nach auch für die Vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG.

Mit , BStBl 2012 II S. 793, hat der BFH seine Rechtsprechung teilweise geändert. Danach findet in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Anwendung, soweit die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine schenkweise Anteilsübertragung zurückzuführen ist. Nach Auffassung des BFH beruht in diesen Fällen der fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke ebenso wie der Erwerb der Gesellschaftsanteile insoweit auf einer Schenkung. Der BFH stützt seine Rechtsauffassung dabei auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, die doppelte Belastung eines Lebenssachverhaltes mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer- bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden.

Begünstigungsfähig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen unabhängig von deren Schenkungszeitpunkten. Die Begünstigung vorangegangener schenkweiser Anteilsübertragungen setzt voraus, dass das jeweilige Grundstück der Gesellschaft bereits zu den damaligen Schenkungszeitpunkten zuzurechnen war. Nur in diesen Fällen kann überhaupt erst eine steuerliche Doppelbelastung im Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung entstehen. Für Anteilserwerbe von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt dies entsprechend.

Beispiele:

1. Übertragung vereinigter Anteile in Höhe von 100 %, unentgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 100 % an seinen Sohn S.

Mit Abschluss des Vertrags vom werden die vereinigten Anteile von V auf S übertragen. Der Vorgang ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und nach § 3 Nr. 2 Satz 1 oder Nr. 6 GrEStG in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit.

2. Anteilsvereinigung in Höhe von 100 % in zwei Rechtsakten, beide unentgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V seine restliche Beteiligung in Höhe von 55 % unentgeltlich im Wege einer Schenkung an S.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang in voller Höhe nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang nur soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf der tatbestandsauslösenden Schenkung (55 %) beruht. Der Vorgang ist in Höhe von 45 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

3. Anteilsvereinigung in Höhe von 100 % in zwei Rechtsakten, davon einer unentgeltlich und einer entgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V seine restliche Beteiligung in Höhe von 55 % entgeltlich an S.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht in Höhe von 45 % auf einem Erwerbsvorgang, der dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegt. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang nur soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf der vorangegangenen Schenkung (45 %) beruht. Der Vorgang ist in Höhe von 55 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung zuzurechnen. Der Vorgang ist in voller Höhe grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

4. Anteilsvereinigung in Höhe von 100 % in zwei Rechtsakten, davon einer unentgeltlich und einer teilentgeltlich (gemischte Schenkung)

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V seine restliche Beteiligung in Höhe von 55 % gegen eine monatliche Rente von 2.500 € über einen Zeitraum von 15 Jahren an S. Der gemeine Wert des teilentgeltlich erworbenen Anteils beträgt 450.000 €.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen.

Die Entgeltlichkeitsquote für den Anteilserwerb vom ermittelt sich wie folgt (Wertverhältnisse zum ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wert der Verpflichtung:
10,314 [1] × 30.000 € [2]
=
309.420 €
Wert der erhaltenen Anteile:
 
 
450.000 €
Entgeltlichkeitsquote:
309.420 €/450.000 €
=
68,76 %
Unentgeltlicher Anteil:
100 % – 68,76 %
=
31,24 %.

Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG befreit, als er auf der Schenkung (45 %) und dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 55 % = 17,18 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 1 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil in Höhe von 62,18 % (45 % + 17,18 %) nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist in Höhe von 37,82 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 55 % = 17,18 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 2 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil in Höhe von 17,18 % nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist in Höhe von 82,82 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

2. Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften

Bei einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG oder einer Übertragung vereinigter Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG von weniger als 100 % wird der Erwerbsvorgang nur insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG befreit, als die Anteilsübertragungen zur Anteilsvereinigung beigetragen oder die Übertragung vereinigter Anteile stattgefunden hat und diese dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterlegen haben.

Beispiele:

5. Übertragung vereinigter Anteile in Höhe von 95 %, unentgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 95 % an seinen Sohn S.

Mit Abschluss des Vertrags vom werden vereinigte Anteile von V auf S übertragen. Der Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Da schenkweise nur 95 % der Anteile übertragen wurden, liegt eine Doppelbelastung nur insoweit vor. Der Vorgang ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Höhe von 95 % steuerfrei. Da es sich um eine Übertragung vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG handelt, liegt ebenso eine Grunderwerbsteuerbefreiung in voller Höhe nach § 3 Nr. 6 GrEStG vor.

6. Anteilsvereinigung in Höhe von 95 % in zwei Rechtsakten, beide unentgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V eine weitere Beteiligung in Höhe von 50 % unentgeltlich im Wege einer Schenkung an S.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich die Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung der Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Da schenkweise nur 95 % der Anteile übertragen wurden, liegt eine Doppelbelastung nur insoweit vor. Der Vorgang ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Höhe von 95 % grunderwerbsteuerfrei und in Höhe von 5 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Da durch die tatbestandsauslösende Schenkung nur 50 % der Anteile übertragen wurden, liegt eine Doppelbelastung nur insoweit vor. Der Vorgang ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Höhe von 50 % grunderwerbsteuerfrei und in Höhe von 50 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

7. Anteilsvereinigung in Höhe von 95 % in zwei Rechtsakten, davon einer unentgeltlich und einer entgeltlich

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V eine weitere Beteiligung in Höhe von 50 % entgeltlich an S.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich die Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung der Anteile beruht in Höhe von 45 % auf einem Erwerbsvorgang, der dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegt. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung zuzurechnen. Der Vorgang ist in Höhe von 45 % nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da er insoweit auf der vorangegangenen Schenkung beruht. Er ist in Höhe von 55 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden, voll entgeltlichen Anteilsübertragung zuzurechnen. Der Vorgang ist in voller Höhe grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

8. Anteilsvereinigung in Höhe von 95 % in zwei Rechtsakten, davon einer unentgeltlich und einer teilentgeltlich (gemischte Schenkung)

Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung , Grundstück 2 Anschaffung . Mit Vertrag vom überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil in Höhe von 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom überträgt V eine weitere Beteiligung in Höhe von 50 % gegen eine monatliche Rente von 2.500 € über einen Zeitraum von 15 Jahren an S. Der gemeine Wert des teilentgeltlich erworbenen Anteils beträgt 450.000 €.

Mit Abschluss des Vertrags vom vereinigen sich die Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung der Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen.

Die Entgeltlichkeitsquote für den Anteilserwerb vom ermittelt sich wie folgt (Wertverhältnisse zum ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wert der Verpflichtung:
10,314 [3] × 30.000 € [4]
=
309.420 €
Wert der erhaltenen Anteile:
 
 
450.000 €
Entgeltlichkeitsquote:
309.420 €/450.000 €
=
68,76 %
Unentgeltlicher Anteil:
100 % – 68,76 %
=
31,24 %.

Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren:

Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf der Schenkung (45 %) und dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 50 % = 15,62 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 1 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil in Höhe von 60,62 % (45 % + 15,62 %) nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist in Höhe von 39,38 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 50 % = 15,62 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 2 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil in Höhe von 15,62 % nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist in Höhe von 84,38 % grunderwerbsteuerpflichtig.

Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus.

3. Besonderheiten bei Personengesellschaften

Zu den Gesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG gehören auch Personengesellschaften (, BStBl 1969 II S. 400; –  –, BStBl 1975 II S. 834 und –  –, BStBl 1995 II S. 736). Bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften ist die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen (gesamthänderische Mitberechtigung) und bei Beteiligungen an zwischengeschalteten Personengesellschaften die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen maßgebend (, BStBl 2017 II S. 667). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig anzuwenden.

Ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG ist beispielsweise gegeben, wenn bei einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz einer der Kommanditisten sowohl die anderen Kommanditanteile als auch mindestens 95 % der Anteile an der Komplementär-GmbH erwirbt.

Für Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG bei Personengesellschaften sind die personenbezogenen Befreiungsvorschriften zu beachten. Die o. g. und vom sind jeweils zur Anteilsvereinigung bei einer Kapitalgesellschaft ergangen. Die Schlussfolgerungen aus diesen Urteilen können nicht gleichermaßen für Personengesellschaften gezogen werden. Personengesellschaften sind weder zivilrechtlich noch grunderwerbsteuerrechtlich (vgl.

§§ 5, 6 GrEStG) uneingeschränkt als selbständig anzusehen. Eigentümer des Vermögens einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaften rechtfertigt es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d. h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen (vgl. , BStBl 1980 II S. 217, zu einem Erwerbsfall des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 6 GrEStG sowie den , BStBl 2003 II S. 528).

§ 6 Abs. 2 und 3 GrEStG ist anwendbar, da derjenige, in dessen Hand sich die Vereinigung der Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG vollzieht, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt wird, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Für den Anwendungsbereich des

§ 6 GrEStG liegen somit fiktive Grundstücksübertragungen von der GmbH & Co. KG auf den künftigen Alleinkommanditisten bzw. die Personengesellschaft vor. Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG können hiernach gleichzeitig sowohl nach einer personenbezogenen Befreiungsvorschrift als auch nach § 6 GrEStG (unter Beachtung der Beschränkungen des § 6 Abs. 4 GrEStG) begünstigt sein.

4. Anwendung

Dieser Erlass tritt an die Stelle der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG vom (BStBl 2013 I S. 773). Er ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der Länder v. - S 4501
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg - 3 - S 4501/31
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat - 36- S 4505-1/9
Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - S 4501 - 4/2007 - 3
Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg - 31-S 4505/18#01#01
Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen - S 4501-1/2014-6/2018 - 13-5
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - S 4501 - 2018/009 - 53
Hessisches Ministerium der Finanzen - S 4505 A-021-II 53/1
Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IV - S 4505-00000-2018/002
Niedersächsisches Finanzministerium - S 4514 - 6 - 351
Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen - S 4505 - 12 - V A 6
Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz - S 4505#2018/0001-0401 444
Ministerium für Finanzen und Europa Saarland - B/5 - S 4501-6#002
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen - 35-S 4505/23/36-2018/41590
Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - 42 - S 4501 - 6
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 35 - S 4501 - 022
Thüringer Finanzministerium - S 4505 A - 13


Fundstelle(n):
BStBl 2018 I Seite 1069
WAAAG-97800

1Maßgeblicher Vervielfältiger nach dem Bewertungsgesetz für 15 Jahre

2Jahreswert der Rente (12 × 2.500 €)

3Maßgeblicher Vervielfältiger nach dem Bewertungsgesetz für 15 Jahre

4Jahreswert der Rente (12 × 2.500 €)