(Sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit der Revision - Fortgeltung eines Bescheides über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht - Auslegung des Befreiungsbescheides - keine Ausführungen des beklagten Rentenversicherungsträgers in der Revisionsbegründung zu den §§ 133, 157 BGB)
Gesetze: § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 39 SGB 10, § 133 BGB, § 157 BGB, § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 6 Abs 5 S 1 SGB 6, § 231 Abs 2 SGB 6, § 231 Abs 5 S 1 SGB 6
Instanzenzug: SG Gelsenkirchen Az: S 39 R 43/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 18 R 852/16 Urteil
Gründe
1I. Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
2Der 1967 geborene Kläger hat den Beruf des Wasserbauwerkers erlernt und später ein Fachhochschulstudium des (Bau-)Ingenieurwesens erfolgreich abgeschlossen (Abschluss im März 1994: Diplom-Bauingenieur FH). Seine erste Beschäftigung als Bauingenieur übte der Kläger vom bis als Bauleiter/Kalkulator bei der Firma B. GmbH aus. In der Folgezeit war er als Bauleiter bei den Firmen M. GmbH (bis Dezember 1997), (erneut) B. GmbH (Januar 1998 bis Juni 2000), K. GmbH (Juli 2000 bis April 2001), F. GmbH (Mai 2001 bis September 2008) und T. GmbH (Oktober 2008 bis Oktober 2011) beschäftigt. Seit dem arbeitet der Kläger als Bauoberleiter bei der E., einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
3Der Kläger ist seit dem Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (NRW) und seit dem freiwilliges Mitglied der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Ingenieurkammer Bau NRW ist kraft Anschlusssatzung dem Versorgungswerk der Architektenkammer NRW angeschlossen.
4Am beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), mit dem Formblatt "Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht" die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des Versorgungswerks der Architektenkammer NRW. Er gab im Vordruck als Arbeitgeber die Firma B. GmbH in D. und als Beginn des "derzeitigen Beschäftigungsverhältnisses" den an.
8Dem Bescheid als Anlage beigefügt war eine Karte der BfA mit der Überschrift "Bescheinigung" über die erteilte Befreiung (Größe etwa DIN A6), die zusätzlich den folgenden Hinweis enthält: "Diese Karte ist dem jeweiligen Arbeitgeber für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen. Sie ist [...] bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitnehmer zurückzugeben."
9Anlässlich einer Höhergruppierung beantragte der Kläger im Januar 2015 auf Anraten seines derzeitigen Arbeitgebers erneut die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und gab an, dass er seit November 2011 bei der E. angestellt und als Ingenieur Bautechnik berufsspezifisch beschäftigt sei. Er beantrage die Befreiung aufgrund seiner Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk der Architektenkammer NRW.
10Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger eine - ebenfalls erforderliche - Pflichtmitgliedschaft in der Ingenieurkammer NRW nicht nachgewiesen habe. Die mit Bescheid vom ab erfolgte Befreiung sei auf die damals ausgeübte Beschäftigung beschränkt gewesen. Eine Weitergeltung scheide aus (Bescheid vom ). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ).
11Die vor dem SG Gelsenkirchen erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers ist ebenfalls nicht erfolgreich gewesen (Urteil vom ). Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Kläger den am (Eingang bei der Beklagten) gestellten Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgenommen und nur noch begehrt festzustellen, dass er aufgrund des Bescheides der BfA vom weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Mit diesem Antrag ist der Kläger erfolgreich gewesen (). In der Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
12Die Feststellungsklage sei zulässig und begründet. Der Bescheid vom sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der eine die Beteiligten bindende bestandskräftige Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht des Klägers regele, solange dieser eine die Mitgliedschaft bei dem Beigeladenen vermittelnde Beschäftigung als Bauingenieur ausübe. Die in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung eines Verwaltungsakts bestimme sich nach den in seinen Verfügungssätzen getroffenen Regelungen. Maßstab für die Inhaltsbestimmung dieser Regelungen sei - wie generell bei Willenserklärungen, §§ 133, 157 BGB - die Auslegung der sprachlichen Äußerungen nach dem "Empfängerhorizont" eines verständigen (objektiven) Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtige, die die Behörde nach ihrem wirklichen (oder mutmaßlichen) Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen habe. Der Bescheid vom enthalte zwischen Überschrift und Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich Verfügungssätze. Eine Begründung fehle sowohl nach der äußeren Gestaltung als auch nach den inhaltlichen Ausführungen. Der Bescheid regele in seinem Verfügungsteil erstens die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, zweitens ihren Beginn (zum ) und drittens ihre Dauer dergestalt, dass der Kläger für die gesamte Zeit seiner Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung für jede ausgeübte Beschäftigung im Beruf des Bauingenieurs von der Versicherungspflicht befreit bleibe. Im Einzelnen:
14Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 6 Abs 5 S 1 SGB VI sowie § 231 Abs 2 SGB VI. Der Kläger habe am ausweislich der Feststellungen des LSG die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt. Die entsprechende Prüfung setze schon logisch ein (konkret beschriebenes) Beschäftigungsverhältnis voraus, an dem sie sich zu orientieren habe; der Kläger habe insoweit die Firma B. GmbH in D. als Arbeitgeber benannt und als Beschäftigungsbeginn den angegeben. Mit Bescheid vom sei er antragsgemäß ab dem Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Architektenkammer NRW am von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI befreit worden, wobei ausdrücklich auch auf den "Beginn des Beschäftigungsverhältnisses" am "" abgestellt worden sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Verfügungssatz zum Umfang bzw zur Dauer der Befreiung setze diese(n) nicht in Bezug zu einem - zumindest bestimmbaren - konkreten Einzelbeschäftigungsverhältnis, treffe daher nicht zu. Vielmehr habe in Anbetracht des Umstandes, dass die Befreiung ausdrücklich für die am aufgenommene Beschäftigung des Klägers erteilt worden sei und es sich dabei nach dem zugehörigen Befreiungsantrag um die Beschäftigung bei der B. GmbH handele, der Befreiungsbescheid jedenfalls - spätestens - mit Aufnahme der hier streitgegenständlichen Beschäftigung bei der beigeladenen E. am seine Wirkung verloren. Zur Reichweite der mit Bescheid vom ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI verweise sie, die Beklagte, auf die - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9 und - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5). Das BSG habe in diesen Urteilen an seiner engen am Wortlaut orientierten Auslegung des § 6 SGB VI festgehalten. Aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs 5 S 1 SGB VI ergebe sich danach, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die jeweilig ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht komme, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich wären. Der alleinige Anknüpfungspunkt der Befreiung sei die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit. Mit den oa Entscheidungen habe der 12. Senat des BSG klargestellt, dass ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitglieds eines Versorgungswerks von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Eine einmal erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entfalte keine Wirkung für ein späteres Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber, selbst wenn dabei ebenfalls eine berufsgruppenspezifische Tätigkeit ausgeübt werde. Der Kläger könne nach der Entscheidung des - aaO) auch aus den im Befreiungsbescheid vom enthaltenen formularmäßigen Bescheidtexten insbesondere zum Fortbestehen der Befreiung von der Versicherungspflicht - selbst im Falle einer anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung - keinen Vertrauensschutz herleiten, weil sie den vorliegenden Fall des Wechsels der Beschäftigung nicht beträfen. Die streitgegenständliche Beschäftigung sei eine andere, schon weil der Arbeitgeber ein anderer sei. Zudem hätten der 5. und im Folgenden der 12. Senat des BSG hierzu wiederholt entschieden, dass es sich bei entsprechenden Ausführungen im Befreiungsbescheid lediglich um Hinweise handele, die nicht Teil des Verfügungssatzes des Verwaltungsaktes geworden seien. Auch habe die Beklagte bei ihrer Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.
15Schließlich habe das LSG verkannt, dass Personen nur in der jeweiligen Beschäftigung oder Tätigkeit nach § 231 Abs 2 SGB VI befreit blieben. Nach den Feststellungen des LSG sei der Kläger aber bereits seit dem nicht mehr in dem dieser Befreiung zugrunde liegenden Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen.
18Er macht zunächst geltend, dass nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2017 nicht der 5., sondern der 12. Senat dieses Gerichts für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig sei. Die Revision ist nach der Rechtsauffassung des Klägers mangels formgerechter Begründung unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
19Die Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
20II. 1. Der 5. Senat des BSG ist entgegen der Ansicht des Klägers für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zuständig.
21Nach Teil A Abschnitt I RdNr 5 Nr 3 des maßgeblichen Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2018, der insoweit demjenigen für das Jahr 2017 entspricht, ist der 5. Senat für "Streitigkeiten betreffend die Versicherungsbefreiung, § 6 SGB VI" zuständig. Nach Rücknahme seines Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vom (Eingangsdatum bei der Beklagten) in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am begehrt der Kläger (nur noch) die Feststellung, dass er aufgrund des Bescheides der BfA vom weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Dieser Bescheid beruht auf "§ 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)". Auch wenn der Rechtsstreit nunmehr ausschließlich die Frage des Regelungsgehalts des vorgenannten Bescheides betrifft, ist das Begehren des Klägers auf die Feststellung einer weiterhin bestehenden, durch Verwaltungsakt bereits konkretisierten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach "§ 6 SGB VI" gerichtet.
22Zu Unrecht verweist der Kläger auf den Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2010, der im Wesentlichen dieselbe Regelung der Zuständigkeiten des 5. und 12. Senats in Angelegenheiten der Rentenversicherung enthalten habe und auf dessen Grundlage die Urteile des 12. Senats vom (B 12 R 8/10 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 8 und - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5) zur Auslegung von Befreiungsbescheiden ergangen seien.
23Der Kläger verkennt, dass die Geschäftsverteilung am BSG insoweit zwischenzeitlich geändert worden ist. In dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2014 Teil A Abschnitt I RdNr 5 Nr 3 sind dem 5. Senat "Streitigkeiten betreffend die Versicherungsbefreiung, § 6 SGB VI einschließlich der Bestände des 12. Senats am " zugewiesen worden. Seitdem reicht die Zuständigkeit des 12. Senats für Streitigkeiten betreffend die Versicherungsbefreiung nur, "soweit nicht die Zuständigkeit des 5. Senats gegeben ist" (vgl Geschäftsverteilungspläne des BSG für die Jahre 2014 bis 2018 Teil A Abschnitt I RdNr 12 Nr 1).
242. Die Revision der Beklagten ist mangels formgerechter Begründung unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.
25Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung neben der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7). Diesen Anforderungen ist nicht genügt.
26Das LSG hat in der angefochtenen Entscheidung den Bescheid vom zwecks Bestimmung des Regelungsgehalts seines Verfügungssatzes unter Zugrundelegung des sich aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Maßstabs und damit unter Berücksichtigung seines Wortlauts, Regelungskontextes und des erkennbaren Willens der erklärenden Behörde nach dem Empfängerhorizont eines verständigen (objektiven) Beteiligten ausgelegt.
27Die Beklagte hat keine Verletzung der §§ 133, 157 BGB gerügt, sondern insbesondere eine Verletzung der § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 6 Abs 5 S 1 SGB VI geltend gemacht, auf die sich das Urteil ersichtlich nicht stützt. Darüber hinaus hat sie auch nicht dargelegt, weshalb die vom LSG herangezogenen Normen bezogen auf den festgestellten Sachverhalt nicht richtig angewandt worden sind. Zwar hat die Beklagte den vom LSG festgestellten Text des Bescheides vom in der Revisionsbegründung angegeben. Sie ist jedoch nicht auf die aus diesem Text abgeleiteten rechtlichen Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts ausreichend eingegangen.
28Mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung setzt sich die Beklagte nur insoweit und lediglich teilweise auseinander, als diese auf die Angaben des Klägers zum Arbeitgeber und zum Beginn des dortigen Beschäftigungsverhältnisses (dh einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV) im Antragsformular eingehen. Dass die Prüfung des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht logisch ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis voraussetzt und dies im Zeitpunkt der Antragstellung das mit der Firma B. GmbH in D. bestehende Beschäftigungsverhältnis des Klägers gewesen ist, stellt die angefochtene Entscheidung nicht in Frage. Der maßgebliche Punkt der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung ist vielmehr, dass sich die Wirkung der Befreiung nicht auf dieses Beschäftigungsverhältnis beschränkt, was das LSG mit verschiedenen Erwägungen, ua der in dem Antragsformular enthaltenen Anfrage nach dem "derzeitigen Beschäftigungsverhältnis" begründet. Hierauf geht die Beschwerde nicht ein. Warum insbesondere das vom LSG vertretene Wortverständnis "derzeit" nicht zutreffend sein soll, legt die Revisionsbegründung nicht dar. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, ihr eigenes Verständnis vom Sinn dieses Wortes mitzuteilen (vgl S 8 der Revisionsbegründung). Ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit den Gedanken des Berufungsgerichts zur äußeren Gestaltung des Bescheides, seinen sonstigen Formulierungen, zum mutmaßlichen Willen der erklärenden Behörde und den Angaben in der Versicherungsbescheinigung.
29Die Beklagte verweist vielmehr zur Reichweite der mit Bescheid vom ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf die Urteile des 12. Senats vom (B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9 und - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5). Aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs 5 S 1 SGB VI - so die höchstrichterliche Rechtsprechung - ergebe sich, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die jeweilig ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht komme, selbst wenn sich ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnelten. Alleiniger Anknüpfungspunkt der Befreiung sei die konkrete Beschäftigung.
30Abgesehen davon, dass nicht jeder Bescheid mit den Gesetzen in Einklang steht - ansonsten gäbe es keine rechtswidrigen Verwaltungsakte - und ein mutmaßlicher Wille des an das Gesetz gebundenen Verwaltungsträgers (Art 20 Abs 3 GG), gesetzeskonform zu handeln, nur dann ein Auslegungskriterium sein kann, wenn ein Verwaltungsakt nicht eindeutig und damit auslegungsfähig ist, was sich ausschließlich nach den Verlautbarungen des jeweils betroffenen Verwaltungsakts beurteilt, ersetzt die Bezugnahme auf höchstrichterliche Entscheidungen nicht die gebotene Auseinandersetzung mit den individuellen Gründen einer angefochtenen Entscheidung.
31Da das LSG den Bescheid vom insbesondere unter Berücksichtigung seines Wortlauts und seines Regelungskontextes ausgelegt hat, hätte die Beklagte diesen Gedankengang nachvollziehend darlegen müssen, dass der Bescheid nach den allgemein anerkannten Auslegungskriterien den vom LSG angenommenen Regelungsgehalt nicht aufweist. Dieser Argumentationsnotwendigkeit kann sich die Beklagte auch nicht durch den Hinweis entziehen, mit den genannten höchstrichterlichen Entscheidungen habe der 12. Senat klargestellt, dass ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitglieds eines Versorgungswerks von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine bestimmte konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Dass sämtliche Befreiungsbescheide in Wortlaut und Regelungskontext identisch sind, legt die Beklagte aber nicht dar. Sie zeigt noch nicht einmal auf, dass die Bescheide, die den herangezogenen Urteilen des 12. Senats zugrunde liegen, mit dem hier streitigen Bescheid vom identisch sind. Ebenso wenig hat sie dargetan, dass die den höchstrichterlichen Entscheidungen vorausgegangenen Berufungsurteile die Befreiungsbescheide entsprechend den hiesigen zweitinstanzlichen Gründen gemäß § 133 BGB ausgelegt haben und die Richtigkeit dieser Auslegung Gegenstand der Revisionsurteile gewesen ist.
32Die Ausführungen der Beklagten zum Vertrauensschutz sowie zu Treu und Glauben stellen ebenfalls keine Erwiderung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung unter Auseinandersetzung mit diesen dar. Das LSG hat dem Begehren des Klägers nicht aus Vertrauensschutzgründen oder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben stattgegeben, sondern allein deswegen, weil es in Auslegung des Bescheides vom zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger bestandskräftig von der Rentenversicherungspflicht für Tätigkeiten als Bauingenieur befreit worden ist.
33Ebenso wenig setzt sich die Beklagte ausreichend mit der Rechtsansicht des LSG auseinander, dass sich die Regelungswirkung des Bescheides vom nicht aufgrund der Änderung des § 6 Abs 1 SGB VI mit Wirkung zum durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom (BGBl I 1824) erledigt habe, weil diese Gesetzesänderung nach § 231 Abs 2 SGB VI zuvor erteilte Befreiungen gerade nicht erfasse. Hierzu trägt die Beklagte vor, das LSG habe verkannt, dass die Vorschrift des § 231 Abs 2 SGB VI nur die konkrete Beschäftigung erfasse, für die die Befreiung erteilt worden sei, der Kläger diese aber bereits zum aufgegeben habe.
34Mit diesem Vorbringen ist indes nicht dargelegt, dass die Regelungswirkung des Bescheides vom entfallen ist.
35Die Beklagte lässt unberücksichtigt, dass nach der mit der Revisionsbegründung nicht ausreichend angegriffenen Rechtsauffassung des LSG der Bescheid vom die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht für die Dauer seiner Tätigkeit als Bauingenieur regelt und ein Verwaltungsakt für die Dauer seiner Wirksamkeit unabhängig vom Inhalt formeller Gesetze und damit ungeachtet seiner etwaigen Rechtswidrigkeit die Rechtslage zwischen den Beteiligten verbindlich bestimmt. Ausgehend von dem Regelungsgehalt, den das LSG dem Bescheid vom beimisst, ist dessen Wirksamkeit nicht entfallen. Insbesondere hat er sich nicht durch Zeitablauf oder Wegfall des Regelungsgegenstandes auf andere Weise gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt. Denn der Kläger übt die Tätigkeit eines Bauingenieurs nach wie vor aus. Ein wirksamer Verwaltungsakt, der sich nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hat, verliert seine Regelungswirkung aber gemäß § 39 Abs 2 SGB X nur, wenn er zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben wird. Warum unter Zugrundelegung des § 231 Abs 2 SGB VI etwas anderes gelten, dh das formelle Gesetz eo ipso die Regelungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts beseitigen sollte, ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen.
36Der 5. Senat weicht insoweit nicht von dem Urteil des 12. Senats des - Juris RdNr 24) ab. In diesem hat der 12. Senat über eine Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung entschieden, dabei als Vorfrage das Bestehen von Versicherungspflicht mehrerer Beschäftigter geprüft und diesbezüglich ausgeführt: Liegen die Voraussetzungen des § 231 S 1 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 vom <BGBl I 2261; nachfolgend aF>) aufgrund eines Wechsels der Tätigkeiten nicht mehr vor, so ist Rentenversicherungspflicht in den nunmehr ausgeübten Beschäftigungen kraft Gesetzes eingetreten, ohne dass es einer Aufhebung der Befreiungsbescheide bedurfte. Abgesehen davon, dass sich das LSG im hier anhängigen Verfahren auf § 231 Abs 2 SGB VI stützt, ist der 12. Senat (aaO RdNr 18, 22) davon ausgegangen, dass sich die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Befreiungsbescheide nur auf eine bestimmte konkrete Beschäftigung beschränkt haben. Bei einem solchen Sachverhalt erledigt sich der Befreiungsbescheid auch nach Ansicht des 5. Senats mit der Aufgabe dieser Beschäftigung gemäß § 39 Abs 2 SGB X (insoweit Aufgabe von BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f), sodass ein Aufhebungsakt nicht erforderlich ist, und steht § 231 S 1 SGB VI aF, der dem heutigen § 231 Abs 1 S 1 SGB VI entspricht, dem Eintritt von Rentenversicherungspflicht kraft Gesetzes bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nicht entgegen. Der Bescheid vom hat indes nach der vom LSG vertretenen und mit der Revisionsbegründung nicht ausreichend angegriffenen Rechtsauffassung keinen auf eine konkrete Beschäftigung beschränkten Regelungsgehalt.
37Die Revision war daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
38Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2018:070318BB5RE317R0
Fundstelle(n):
VAAAG-97219