Ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Erhebung von Säumniszuschlägen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des
Steuerpflichtigen ab 2015
Leitsatz
1. Nach dem Zweck der Ermächtigung zur Inanspruchnahme des Haftenden durch einen Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO hat
die Finanzbehörde bei der Ausübung des Entschließungsermessens auch zu berücksichtigen, ob die Steuer, für die gehaftet wird,
in Zukunft erlassen werden kann oder muss.
2. Wird die Geschäftsführerin einer GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH für Umsatzsteuerverbindlichkeiten
der GmbH und darauf entfallende Säumniszuschläge durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen, so bestehen ernstliche
verfassungsrechtliche Zweifel an der Inanspruchnahme für den Teil der Säumniszuschläge, die nach der Stellung des Antrags
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind und vom FA nicht erlassen worden sind.
3. Ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO) ist grundsätzlich
verfassungsgemäß; daran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes bei den sog.
Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO jedenfalls ab dem Verzinsungszeitraum 2015 schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel
bestehen (zu Letzterem: ). Die Anwendung des § 240 AO begegnet jedoch dann schwerwiegenden
verfassungsrechtlichen Zweifeln, wenn die Säumniszuschläge wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen
teilweise zu erlassen sind; in diesem Fall sind sie sowohl ihrem verbleibenden Zweck nach als auch der Höhe nach mit einer
Verzinsung vergleichbar.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): AO-StB 2018 S. 346 Nr. 11 BB 2018 S. 2390 Nr. 41 EFG 2018 S. 1608 Nr. 19 KÖSDI 2018 S. 20936 Nr. 10 PStR 2018 S. 240 Nr. 10 StB 2018 S. 327 Nr. 11 IAAAG-93548
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