Antrag auf Terminverlegung bei Klage gegen die Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
Gesetze: AO § 284 Abs. 3; FGO § 115
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde am vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses aufgefordert und gleichzeitig zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den geladen. Zu diesem Zeitpunkt schuldete der Kläger 54 448,80 DM Steuern. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger vor dem Finanzgericht (FG) Klage. Das FG bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den . Mit Schreiben vom beantragte der Prozessbevollmächtigte unter Vorlage eines Schreibens des Klägers die Verlegung des Termins, weil der Kläger persönlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wolle. Der Kläger hatte mitgeteilt, der Termin sei zu kurzfristig. Da er als…in Berlin tätig sei und seinen Jahresurlaub bereits genommen habe, sei er nicht ohne weiteres abkömmlich, insbesondere, als ihn während der Zeit kein Kollege zwei Tage vertreten könnte. Außerdem befinde sich seine zukünftige Wohnung in Ost-Berlin in der Umbauphase.
Mit Schreiben vom teilte die Einzelrichterin des FG dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, der Termin zur mündlichen Verhandlung vom werde nicht verlegt. Die vom Kläger angeführten Gründe zur Terminverlegung seien für sie nicht nachvollziehbar.
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Prozessbevollmächtigte erneut die Vertagung des Termins. Der Kläger lege Wert darauf, bei der mündlichen Verhandlung anwesend zu sein, habe sich jedoch wegen…nicht freinehmen können. Im Übrigen habe er kein Geld für die Anreise.
Das FA hat einen Kontoauszug vom vorgelegt, wonach die aktuellen Steuerrückstände des Klägers, wegen derer er zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden ist (einschließlich Nebenabgaben), noch 37 124,80 DM betragen haben.
Das FG erließ unter Ablehnung des Vertagungsantrages ein klageabweisendes Urteil. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die geltend gemachten Gründe für eine Terminverlegung seien teilweise nicht erheblich und teilweise trotz Hinweises des Gerichts nicht glaubhaft gemacht worden. Die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei rechtmäßig, weil die Vollstreckungsversuche des FA in das Vermögen des Klägers erfolglos geblieben seien. Das FA habe auch das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt, denn es habe zu Recht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des vom Kläger vorgelegten Vermögensverzeichnisses haben dürfen.
Die gegen das Urteil erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit dem Verfahrensmangel der Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Er rügt, das Gericht habe erst in der schriftlichen Entscheidung überraschend ausgeführt, dass der Kläger es versäumt habe, die Tatsachen für den Antrag auf Terminverlegung glaubhaft zu machen. Die Regelung des § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO), die auch im finanzgerichtlichen Verfahren gelte, sehe dazu vor, dass eine Glaubhaftmachung erst auf Verlangen des Vorsitzenden zu geschehen habe. Ein solches Verlangen sei nicht ergangen, insbesondere enthalte das Schreiben des Gerichts vom keine Aufforderung zur Glaubhaftmachung.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem FG ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht unterlaufen. Weder die Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz des Antrags auf Terminverlegung und des nochmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrags, noch das aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung ergangene Urteil haben den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt. Das FG war im Streitfall zu einer Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht verpflichtet.
Zutreffend hat das FG unter Hinweis auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung zur Terminverlegung nur bestehe, wenn der diese beantragende Prozessbeteiligte hierfür erhebliche Gründe glaubhaft macht. Die Prüfung der Frage, ob erhebliche Gründe für eine Terminverlegung vorliegen, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihrer Prozessbevollmächtigten sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das FG im steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen (, BFH/NV 2001, 1262, 1264). Geht es —wie im Streitfall— um die Frage, ob der Kläger die eidesstattliche Versicherung i.S. des § 284 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) abzugeben hat, ist ihm wegen der mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung i.d.R. verbundenen Gefährdung der beruflichen Existenz ein besonderes Interesse an der Teilnahme der hierzu anberaumten mündlichen Verhandlung zuzubilligen. Zu Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die persönliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für ihn besonders wichtig sei, weil es von einer immensen Bedeutung für ihn sei, keine eidesstattliche Versicherung abgeben zu müssen. Er halte seine Weiterbeschäftigung als…nach Abgabe einer solchen eidesstattlichen Versicherung für ausgeschlossen und fürchte, danach arbeitslos zu sein.
Auch unter Berücksichtigung dieses gesteigerten Interesses an einer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung boten die vom Kläger vorgetragenen Hinderungsgründe jedoch keinen erheblichen Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO für die Aufhebung oder Verlegung des Termins. Die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung kann das rechtliche Gehör eines Beteiligten verletzen, wenn diesem bzw. seinem Prozessbevollmächtigten dadurch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung insgesamt unmöglich gemacht wird. Sofern bei Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten dieser verhindert ist oder der nicht vertretene Kläger den Termin nicht wahrnehmen kann, hat das Gericht den Termin aufzuheben (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 91 Rz. 4 und Rz. 8, sowie Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 91 FGO Rz. 135). Auch bei der Verhinderung eines Klägers, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat und dessen Anwesenheit für die Klärung des Sachverhalts erforderlich ist, ist dem Antrag auf Terminverlegung stattzugeben. Im Streitfall jedoch wurden die Rechte des Klägers durch seinen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung wahrgenommen. Wird der nicht zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Kläger in der mündlichen Verhandlung durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, so muss der Kläger, der sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz Vertretung durch den Bevollmächtigten für erforderlich hält, die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit seiner persönlichen Anwesenheit sprechenden Gründe beantragen (ständige Rechtsprechung, BFH, Beschlüsse vom III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240, und vom IV B 167/94, BFH/NV 1995, 1079, sowie Urteil in BFH/NV 2001, 1262, 1264; ebenso 9 C 1.81, Die öffentliche Verwaltung 1983, 247, und , nicht veröffentlicht; s. auch Zöller, Zivilprozessordnung, § 227 Rz. 6).
Solche Darlegungen fehlen im Streitfall. Der bloße Hinweis des Klägers, er habe in letzter Zeit sogar im Urlaub gearbeitet, um dem FA 10 000 DM überweisen zu können, ist für die Frage der Terminverlegung ohne Bedeutung. Darüber hinaus hätte der Kläger, dem der gesamte Prozessstoff aus der Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und der Einspruchsentscheidung bekannt war, darlegen müssen, dass und weshalb es ihm nicht möglich gewesen ist, seinen Prozessvertreter vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung umfassend über seine Situation, die gewünschte Argumentation und die Gründe, die das FA eventuell hätten veranlassen können, von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung noch abzusehen, zu informieren. Es fehlt auch an dem Vortrag, welche Tatsachen und Umstände der Kläger bei seiner persönlichen Teilnahme und Anhörung in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag Einfluss auf die vom Gericht zu treffende Entscheidung hätte nehmen können. Dass die persönliche Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung zur weiteren Aufklärung des Prozessstoffes erforderlich gewesen wäre, war für das Gericht aus dem bisherigen Vorbringen weder ersichtlich noch kam es darauf nach den objektiven Umständen an, so dass das FG rechtsfehlerfrei einen erheblichen Grund i.S. des § 227 ZPO für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung verneint hat. Durch die Mitteilung vom hat das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers auch darauf hingewiesen, dass es dem Vortrag des Klägers keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung entnehmen kann.
Die Rüge, der Hinweis des Gerichts, dem Kläger wäre bei rechtzeitiger Geltendmachung fehlender finanzieller Mittel zur Anreise zum Gerichtstermin eine Bahnfahrkarte übersandt worden, sei unzutreffend, kann im Verfahren über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision keine Beachtung finden, weil mit der Behauptung der materiellen Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils ein Revisionsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht geltend gemacht werden kann (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24).
Der Senat nimmt die Beschwerde jedoch zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckungsbehörde gemäß § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 auch nach Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung immer noch von deren Abnahme absehen kann. Der Senat sieht eine solche erneute Prüfungspflicht im Rahmen des § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 vor allem dann als geboten an, wenn die der eidesstattlichen Versicherung zugrunde liegenden rückständigen Steuerschulden (ohne Nebenleistungen) der Höhe nach gering geworden sind (dabei denkt der Senat an eine Grenze von 10 000 EUR), der Schuldner in der Vergangenheit kontinuierlich Tilgungsleistungen erbracht hat und zu erwarten ist, dass sich die Rückstände durch regelmäßige Tilgungsleistungen auch weiterhin vermindern werden (vgl. dazu Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 284 AO 1977 Rz. 68; Senatsbeschluss vom VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 797
BFH/NV 2003 S. 797 Nr. 6
AAAAA-70912