Gründe
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind als Tierarzt bzw. als Lehrerin tätig. Sie bewohnen mit ihren drei minderjährigen Kindern ein eigenes Einfamilienhaus, das eine Wohnfläche von 138 qm hat. Im Kellergeschoss des Hauses befinden sich die Praxisräume des Klägers.
In ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 machten beide Kläger jeweils Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Der von der Klägerin als Arbeitszimmer genutzte Raum, der in der Bauzeichnung als Garderobe bezeichnet ist, hat eine Größe von 5,5 qm. Er bildet den Zugang zu einem Gebäudeteil, in dem sich das Arbeitszimmer des Klägers, das Elternschlafzimmer und das hinter diesem gelegene Badezimmer befinden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin ab, weil dieses als Durchgangszimmer in nicht nur untergeordneter Weise auch privat genutzt werde.
Mit ihren dagegen erhobenen Klagen brachten die Kläger vor, die private Mitbenutzung des Arbeitszimmers sei von untergeordneter Bedeutung, da es lediglich morgens und abends bei Verlassen und Betreten des Schlafbereiches sowie vom Kläger zum Erreichen seines Arbeitsbereiches durchquert werden müsse. Tagsüber werde das Elternbad kaum genutzt, weil das zweite Bad (zwischen den Kinderzimmern) wesentlich näher am Wohntrakt der Familie liege.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen mit gleichlautenden Entscheidungen statt. Es führte aus, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer würden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten anerkannt, wenn dieses Zimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt werde. Aus den objektiven Umständen müssten Schlüsse auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit gezogen werden. Von den Kriterien, die der , BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) als Beweisanzeichen für eine berufliche oder betriebliche Nutzung eines Raumes aufgestellt habe, sei vorliegend nur der Umstand fraglich, dass das Arbeitszimmer der Klägerin durchquert werden müsse, um private Räumlichkeiten zu erreichen. Das Zimmer diene aber nur als Durchgang zu einem privaten Raum, nämlich dem elterlichen Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. In einem solchen Fall sei nach den Umständen des Einzelfalls zu gewichten, ob der Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt werde. Im Verhältnis zur intensiven beruflichen Nutzung des Arbeitszimmers durch die im Lehrberuf tätige Klägerin sei das Durchqueren des Arbeitszimmers, um das Schlafzimmer und Bad aufzusuchen, von untergeordneter Bedeutung. Dem stehe nicht entgegen, dass die Kläger drei minderjährige Kinder haben. Daraus ergebe sich keine derartige Steigerung der privaten Mitbenutzung des Arbeitszimmers, dass die Annahme einer nicht nur geringfügigen Mitbenutzung gerechtfertigt erscheine. Eine steuerschädliche Mitbenutzung sei auch nicht darin zu sehen, dass der Kläger das Arbeitszimmer der Klägerin durchqueren müsse, um sein eigenes Arbeitszimmer zu erreichen. Da er im Kellergeschoss eine freiberufliche Praxis habe, in der er hauptberuflich tätig sei, werde ihm für eine intensive Nutzung des Arbeitszimmers nur eine geringe Zeit verbleiben und sich die private Nutzung des Arbeitszimmers der Klägerin im bloßen Durchgehen erschöpfen.
Mit den —vom FG zugelassenen— Revisionen rügt das FA jeweils die Verletzung des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe den in dem (BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110) aufgestellten Grundsatz nicht beachtet, dass bei einem Arbeitszimmer eine schädliche private Mitbenutzung dann anzunehmen sei, wenn es sich um ein Durchgangszimmer handele, das die einzige Verbindung zu anderen privat genutzten Räumen der Wohnung darstelle. Danach sei die private Mitbenutzung des Arbeitszimmers der Klägerin nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Das Zimmer sei —einem Flur ähnlich— der einzige Zugang zu drei in einem separaten Gebäudeflügel liegenden Räumen der Wohnung. Es sei davon auszugehen, dass die drei Kinder das Elternschlafzimmer und das Badezimmer häufiger aufgesucht und dazu das Arbeitszimmer ihrer Mutter durchquert haben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.
Die Revisionen des FA sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG ist zwar von den Grundsätzen ausgegangen, welche die Rechtsprechung für die Anerkennung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten aufgestellt hat. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um zu entscheiden, ob der von der Klägerin genutzte Raum als häusliches Arbeitszimmer anzuerkennen ist.
1. Nach der bis einschließlich 1995 geltenden Rechtslage werden Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in ständiger Rechtsprechung als Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt, wenn feststeht, dass dieses Zimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird; eine private Mitbenutzung ist nur dann unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Bei der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellung, ob ein Raum der Wohnung beruflich oder (auch) privat genutzt wird, kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an. Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden Nutzung nicht mehr unmittelbar festgestellt werden kann, müssen aus den objektiven Gegebenheiten des Falles auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit entsprechende Schlüsse gezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16).
2. Das FG ist zwar von den Grundsätzen ausgegangen, welche die Rechtsprechung für die Anerkennung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten aufgestellt hat. Es hat jedoch zu Unrecht von den Beweisanzeichen, die zur Ermittlung der tatsächlichen Nutzung eines Arbeitszimmers herangezogen werden können, lediglich den Umstand gewürdigt, dass der fragliche Raum als sog. Durchgangszimmer möglicherweise nicht ausreichend von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb eine private Mitbenutzung von nicht nur untergeordneter Bedeutung in Betracht kommt. Dagegen hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, wie der Raum in den Streitjahren eingerichtet war und in welcher Weise darin gearbeitet werden konnte. Zu einer entsprechenden Sachverhaltsaufklärung, ggf. auch durch Beweiserhebung sonderlich in Form einer Ortsbesichtigung, bestand jedoch Anlass, weil die Vorinstanz (ohne weitere Erläuterung) eine intensive berufliche Nutzung des Arbeitszimmers durch die im Lehrberuf tätige Klägerin angenommen hat, andererseits aber die räumlichen Verhältnisse eine funktionale Ausstattung als Büroraum kaum zulassen. Denn das Zimmer ist lediglich 2,00 mal 2,75 Meter groß, wobei wegen der Lage als Durchgang auf drei Seiten Türen abgehen und sich in der vierten Wand ein Fenster befindet. Infolge dieses Grundrisses dürfte es z.B. kaum möglich sein, einen Schreibtisch von ausreichender Größe in dem Arbeitszimmer aufzustellen. Um auf eine so gut wie ausschließlich berufliche Nutzung des Raumes schließen zu können, wäre es erforderlich gewesen, Informationen über die Möblierung und die damit tatsächlich möglichen Arbeitsabläufe zu gewinnen. Die geschilderte Aufklärung drängt sich auch deshalb auf, weil den Eheleuten noch das geräumigere Arbeitszimmer des Klägers zur Verfügung stand, das nach deren Einlassung vom Kläger selbst nur vergleichsweise kurze Zeit genutzt wurde. Angesichts dessen erscheint es nicht ohne weiteres plausibel, dass die Klägerin ihr —wie sie vorträgt— zeitaufwendig zuhause zu absolvierendes berufliches Arbeitspensum in dem beschriebenen beengten Verhältnissen erledigt haben könnte. Die entsprechenden Feststellungen und Würdigungen wird das FG im zweiten Rechtsgang zu treffen haben.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 150
BFH/NV 2003 S. 150 Nr. 2
DStRE 2003 S. 265 Nr. 5
MAAAA-70853