BGH Beschluss v. - XII ZB 122/17

Nachehelicher Unterhalt: Ausgleich ehebedingter Nachteile durch Versorgungsausgleich und Altersvorsorgeunterhalt

Leitsatz

1. Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB können nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (im Anschluss an Senatsurteil vom , XII ZR 179/09, FamRZ 2012, 772).

2. Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 301/12, FamRZ 2014, 1276).

Gesetze: § 1578b Abs 1 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: II-10 UF 141/15vorgehend AG Eschweiler Az: 13 F 188/14nachgehend Az: XII ZB 122/17 Beschluss

Gründe

1Der Verfahrenskostenhilfeantrag ist zurückzuweisen, weil die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

I.

2Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) wendet sich mit der bereits eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde gegen die Befristung ihres Elementarunterhalts bis einschließlich März 2021.

3Die Rechtsbeschwerde greift insbesondere die Annahme des Oberlandesgerichts an, wonach die Ehefrau hinsichtlich des Bezugs ihrer Altersrente keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.

4Nach den von der Rechtsbeschwerde unbeanstandeten Feststellungen des Oberlandesgerichts hätte die Ehefrau ohne Ehe bei einer unterstellten Tätigkeit bis zum Eintritt ihrer Erwerbsunfähigkeit eine fiktive Altersrente von 1.303,75 € ab April 2021 erlangen können. Weiter ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass sie eine solche Rente aufgrund ihrer eigenen Rentenanwartschaften, der ihr von der Ärzteversorgung des Ehemanns im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften und des ihr zugesprochenen Zugewinnausgleichs auch tatsächlich erzielen könnte. Insoweit rügt die Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe bei seiner Entscheidung nicht die zusätzliche Zahlung aus dem Zugewinnausgleich von 41.164,72 € berücksichtigen dürfen, da nicht sicher sei, dass die Ehefrau tatsächlich einen Anspruch hierauf habe. Schließlich habe das Oberlandesgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) nicht hinreichend konkret festgestellt.

II.

5Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Sie ist auch im Ergebnis rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

61. Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile i.S.d. Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben, § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB (Senatsbeschluss vom - XII ZB 214/13 - FamRZ 2014, 1007 Rn. 17 mwN).

7Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, bemisst sich dabei nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit lediglich Einkünfte, die den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578 b BGB nicht erreichen, scheidet eine Befristung des Unterhaltsanspruchs regelmäßig aus. Auch dann kann der Unterhalt nach einer Übergangszeit aber bis auf den ehebedingten Nachteil herabgesetzt werden, der sich aus der Differenz zwischen angemessenem Unterhaltsbedarf und dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen ergibt, was freilich voraussetzt, dass der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen den eigenen angemessenen Lebensbedarf übersteigt. Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt den ehebedingten Nachteil (Senatsbeschluss vom - XII ZB 214/13 - FamRZ 2014, 1007 Rn. 18 mwN).

8Der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge ist vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden. Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB können also nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (Senatsurteil vom - XII ZR 179/09 - FamRZ 2012, 772 Rn. 24 mwN). Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 301/12 - FamRZ 2014, 1276 Rn. 46 f.).

92. Gemessen hieran fehlt es mit Erreichen der Regelaltersgrenze an einem nach § 1578 b BGB zu berücksichtigenden ehebedingten Nachteil aufseiten der Ehefrau.

10a) Der Senat hat in einem von den Beteiligten geführten Parallelverfahren zum Zugewinnausgleich ausgeführt, dass die Feststellungen des Oberlandesgerichts schon nicht die Annahme tragen, dass aufseiten der Ehefrau überhaupt ehebedingte (und nicht anderweitig kompensierte) Nachteile beim Aufbau einer Altersversorgung entstanden sind (Senatsbeschluss vom - XII ZB 84/17 - zur Veröffentlichung bestimmt).

11b) Selbst wenn die tatsächliche Altersrente der Ehefrau, die sie im Jahr 2021 unter Einschluss des Versorgungsausgleichs und des Vermögenszuflusses aus dem Zugewinnausgleich erreichen könnte, hinter der vom Oberlandesgericht berechneten Rente ohne Ehe und Kindererziehung zurückbliebe, wäre darin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein ehebedingter Nachteil zu erblicken. Denn wenn ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat, sind die Nachteile in der Versorgungsbilanz in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen.

12aa) Ein Versorgungsausgleich ist durchgeführt worden. Hierzu hat der Senat im Parallelverfahren ausgeführt: "Der Antragsteller hat durch seine Beitragszahlung in der Ehezeit ein Versorgungsanrecht in monatlicher Höhe von 708,95 € erworben. Angesichts dieser Größenordnung konnte das geteilte Versorgungsvermögen beim Ärzteversorgungswerk - auch in Relation zu der rund siebzehnjährigen Ehezeit - durchaus die den primären Versorgungssystemen obliegende Funktion erfüllen, dem Versorgungsberechtigten eine selbständige (Basis-) Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten" (Senatsbeschluss vom - XII ZB 84/17 - zur Veröffentlichung bestimmt).

13bb) Hinzu kommt, dass die Ehefrau über den Zugewinnausgleich einen weiteren Vermögenszufluss erhalten hat, den sie nach den von der Rechtsbeschwerde auch insoweit unbeanstandeten Feststellungen des Oberlandesgerichts ohne die Ehe nicht erlangt hätte. Dabei handelt es sich um den der Ehefrau bereits seinerzeit rechtskräftig zugesprochenen Betrag von 50.000 € sowie mindestens weitere 7.218,23 €, die ihr nach der teilweisen Zurückweisung der Rechtsbeschwerde in dem Parallelverfahren rechtskräftig zugesprochen sind (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 84/17 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dieser ehebedingte Vorteil wäre daher auch im Übrigen geeignet, einen etwaigen ehebedingten Nachteil zu kompensieren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 26 mwN).

14cc) Freilich ist zu beachten, dass für die Entstehung eines ehebedingten Nachteils i.S.d. § 1578 b BGB auch der nach der – für den Zugewinnausgleich maßgeblichen – Zustellung des Scheidungsantrags am liegende Zeitraum entscheidend sein kann, namentlich wenn es darum geht, dass die Ehefrau wegen ihres ehebedingt reduzierten Einkommens ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags keine bzw. nur noch geringere Rentenanwartschaften bilden kann (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 77. Aufl. § 1578 Rn. 63, 65).

15Aber auch dieser Aspekt führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Ehefrau hat einen bis einschließlich Juli 2017 titulierten Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt. Damit kann sie die ehebedingt geringeren Rentenanwartschaften ohne weiteres ausgleichen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 301/12 - FamRZ 2014, 1276 Rn. 47), zumal sie den Feststellungen des Oberlandesgerichts zufolge bereits im Jahr 2008 erwerbsunfähig geworden ist und deshalb – auch ohne Ehe – seither keine weitere Altersvorsorge mehr hätte betreiben können.

16c) Schließlich verfangen auch die weiteren Angriffe der Rechtsbeschwerde nicht. Das Oberlandesgericht hat in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise den Unterhalt der Ehefrau gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt, was die Rechtsbeschwerde im Übrigen als vertretbar hingenommen hat. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (Senatsbeschluss vom - XII ZB 214/13 - FamRZ 2014, 1007 Rn. 18 mwN).

17Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind für die Bemessung des angemessenen Lebensbedarfs und den damit möglicherweise einhergehenden ehebedingten Nachteilen die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehemanns ohne Belang. Ist festgestellt, dass es an einem ehebedingten Nachteil fehlt, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die unterhaltsberechtigte Ehefrau aus dem Zugewinnausgleich einen weiteren Vermögenszufluss erlangen wird (offen sind nach dem Senatsbeschluss vom - XII ZB 84/17 - zur Veröffentlichung bestimmt, noch 33.946,49 €).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:040718BXIIZB122.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 2636 Nr. 36
NJW 2018 S. 8 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2018 S. 2605
DAAAG-92047