NWB Nr. 31 vom Seite 2225

Eine Frage der Perspektive

Claudia Kehrein | Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Vertrauen ist gut – auch beim Vorsteuerabzug?

Nicht nur in Branchen mit langen Produktions- und Fertigungszeiten, wie zum Beispiel in der Bauwirtschaft, ist die Vereinbarung von Anzahlungen bei einer Auftragserteilung gängige Praxis. Auch zahlreiche Unternehmen in der Dienstleistungs- oder sogar Gastronomiebranche verlangen mittlerweile von ihren Kunden einen Vertrauensvorschuss in Form einer Anzahlungsleistung. Was aber, wenn nicht der Kunde, sondern der Unternehmer das Vertrauen enttäuscht? Nicht selten tritt in der Praxis der Fall ein, dass eine Vorauszahlung auf eine vereinbarte Lieferung geleistet wurde, diese jedoch – zum Beispiel wegen späterer Insolvenz des Unternehmers oder gar in Betrugsabsicht – ausbleibt. Welche Auswirkung hat dies auf den Vorsteuerabzug? Im Jahr 2016 hatte der Bundesfinanzhof in zwei Fällen den Europäischen Gerichtshof angerufen, damit dieser über die Frage des Vorsteuerabzugs aus einer Anzahlung, die an einen Betrüger gezahlt wurde, der gar nicht vorhatte, die Ware – im konkreten Fall ein Blockheizkraftwerk – zu liefern, entscheidet. Grundsätzlich gilt: Ist im Zeitpunkt der Anzahlung unsicher, ob die Leistung durch den Lieferanten erbracht wird, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Bislang nicht zweifelsfrei geklärt war allerdings, ob diese Unsicherheit objektiv feststehen muss oder ob es hierfür auf die Perspektive des anzahlenden Unternehmers ankommt. Während der XI. Senat die Frage der Unsicherheit der Leistungserbringung rein objektiv beurteilt, tendiert der V. Senat dazu, diese aus Sicht des Anzahlenden nach den für ihn erkennbaren Umständen zu bestimmen. Nach den BFH-Vorlagen hatte nun der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache „Kollroß/Wirtl“ zu entscheiden. Mit den praktischen Konsequenzen dieses Urteils setzt sich Hartman auf auseinander.

Unklar und derzeit beim Bundesfinanzhof anhängig ist die Frage, ob der Gewinn aus dem Verkauf einer privaten Immobilie, der anteilig auf ein häusliches Arbeitszimmer entfällt, zu besteuern ist. Gegen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum hat das eine Steuerpflicht verneint und in seiner Begründung maßgeblich darauf abgestellt, dass das häusliche Arbeitszimmer nicht als selbständiges Wirtschaftsgut in Betracht komme. Die Entscheidung nimmt Kanzler auf zum Anlass, die auf häusliche Arbeitszimmer bezogene Veräußerungsgewinnbesteuerung zu untersuchen und dabei insbesondere auch der Frage nachzugehen, ob, und wenn ja, welche Auswirkungen die Erwägungen des Finanzgerichts auf die Erfassung der stillen Reserven von Arbeitszimmern im Betriebsvermögen haben könnte.

Beste Grüße

Claudia Kehrein

Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 2225
AAAAG-89849