BFH Beschluss v. - I B 123/02

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache; Erfordernis einer BFH-Entsch. zur Rechtsfortbildung

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegenüber wirksam geworden sind.

Die Klägerin ist eine inzwischen in Liquidation befindliche GmbH. Ihre Geschäftsanteile wurden seit Mai 1996 von zwei Gesellschaftern gehalten, die jeweils als Treuhänder für Frau X handelten. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin war seit dem Herr Y. Dieser hatte —ebenfalls am — Frau X Vollmacht erteilt, ihn bei der Führung der Geschäfte der Klägerin zu vertreten und die in diesem Rahmen erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Mit Schreiben vom an das zuständige Amtsgericht (AG) beantragte Y die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Klägerin. Das AG erließ am zunächst einen Sicherungsbeschluss. Mit Beschluss vom eröffnete es sodann das Gesamtvollstreckungsverfahren, das am mangels kostendeckender Masse aufgehoben wurde.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ unter dem Datum vom gegen die Klägerin gerichtete Steuerbescheide, die inhaltlich auf Schätzungen beruhten. Da der vom AG bestellte Sequester zuvor in einem Gutachten festgestellt hatte, dass die Klägerin keine eigenen Geschäftsräume mehr hatte, stellte das FA die Bescheide am Frau X zu. Diese sandte die Bescheide unter dem mit dem Hinweis zurück, sie sei nur bis Oktober 1997 bei der Klägerin angestellt gewesen.

Am übersandte das FA die Bescheide erneut an Frau X, wobei es u.a. auf die Vollmacht vom hinwies. Daraufhin machte Frau X mit Schreiben vom (Eingang beim FA: ) geltend, dass die Bescheide nicht wirksam zugestellt worden seien; hilfsweise werde gegen alle Bescheide Einspruch eingelegt. Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig und führte zur Begründung aus, die Bescheide seien durch die Zustellung an Frau Y wirksam bekannt gegeben und der Rechtsbehelf deshalb verspätet eingelegt worden.

Das Finanzgericht (FG) hat die deshalb erhobene Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat Gründe für eine Zulassung der Revision nicht in der gebotenen Weise dargelegt.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist, wenn im Einzelfall zumindest einer der in der Vorschrift genannten Gründe vorliegt, die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen. Wird hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Beschwerdeführer das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Geschieht dies nicht, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.

2. Im Streitfall genügt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den hiernach zu stellenden Anforderungen nicht:

a) Wird eine Nichtzulassungbeschwerde auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützt, so muss der Beschwerdeführer eine abstrakte Rechtsfrage formulieren und sodann erläutern, weshalb diese Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im konkreten Einzelfall klärungsfähig ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 157/00, BFH/NV 2002, 344; vom II B 107/00, BFH/NV 2002, 500; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32, m.w.N.). Das ist im Streitfall nicht geschehen. In der Beschwerdebegründung wird zwar unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 der Gesamtvollstreckungsordnung ausgeführt, es ”erscheine von grundsätzlicher Bedeutung,…ob die Zustellung eines Steuerbescheides trotz Vollstreckungsverbots…möglich ist”. Damit wird die grundsätzliche Bedeutung jedoch lediglich behauptet, was für eine ”Darlegung” i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht ausreicht (BFH-Beschlüsse vom III B 87/98, BFH/NV 2000, 437; vom I B 8/99, BFH/NV 2000, 752; vom II B 122/01, BFH/NV 2003, 64). Soweit die Klägerin zu diesem Punkt in einem weiteren Schriftsatz ergänzende Ausführungen gemacht hat, können diese bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden, da der Schriftsatz nach Ablauf der Begründungsfrist beim BFH eingegangen ist (, BFH/NV 2000, 465).

b) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, es müsse zwecks Rechtsfortbildung höchstrichterlich entschieden werden, ob eine ihrem Wortlaut nach zur ”Abgabe von Erklärungen” erteilte Vollmacht grundsätzlich auch die Entgegennahme von Erklärungen umfasse. Die in der Beschwerdebegründung enthaltene Formulierung, eine Entscheidung über die genannte Frage ”erscheine zur Rechtsfortbildung von Bedeutung”, ist keine ”Darlegung” dieses Zulassungsgrundes. Abgesehen davon wendet sich die Klägerin im Kern gegen die Auslegung der im Streitfall zu beurteilenden Vollmacht durch das FG. Damit macht sie letztlich nur einen inhaltlichen Mangel des angefochtenen Urteils geltend, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

c) Die Sachaufklärungsrügen der Klägerin sind ebenfalls nicht in statthafter Form erhoben worden. Dazu hätte die Klägerin u.a. genau angeben müssen, mit welchem Schriftsatz oder bei welcher anderen Gelegenheit sie die nunmehr vermisste Beweiserhebung beantragt oder weshalb das FG auch ohne einen solchen Antrag zu einer weiteren Aufklärung verpflichtet war sowie wann sie das Unterbleiben der Aufklärung gerügt hat bzw. weshalb ihr eine solche Rüge nicht möglich oder nicht zumutbar war (BFH-Beschlüsse vom V B 107/01, BFH/NV 2003, 49; vom III B 51/02, BFH/NV 2003, 640; vom XI B 186/01, BFH/NV 2003, 794, jeweils m.w.N.). Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen. Die Erläuterung in dem ergänzenden Schriftsatz der Klägerin hat auch insoweit keine heilende Wirkung.

Fundstelle(n):
VAAAA-69856