OFD Frankfurt/M. - - S 2140 A - 004 - St 213

Sanierungsgewinne

Auswirkungen des

Bezug: BStBl 2017 I, 741

(BStBl 2017 I, 741)

Mit dem am veröffentlichten Beschluss vom (, BStBl 2017 II, 393) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass das (BStBl 2003 I, 240), ergänzt durch das (BStBl 2010 I, 18) – sog. Sanierungserlass (ofix: EStG/3/45) – gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.

Der Bundesrat hat im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen um Prüfung einer gesetzlichen Regelung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen (mit verfassungsrechtlich zulässiger steuerlicher Rückwirkung) gebeten.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der Grundsätze des vorgenannten BFH-Beschlusses aus Gründen des Vertrauensschutzes Folgendes:

I. Schuldenerlass bis zum

In den Fällen, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis (einschließlich) zum (Tag der Veröffentlichung des auf den Internetseiten des BFH) endgültig vollzogen wurde, sind die (a. a. O.) und (a. a. O.) weiterhin uneingeschränkt anzuwenden. Ist der Forderungsverzicht Gegenstand eines Insolvenzplanes, gilt er mit der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichtes über die Bestätigung des Insolvenzplanes als endgültig vollzogen.

II. Vorliegen einer verbindlichen Auskunft oder verbindlichen Zusage

In den Fällen, in denen eine verbindliche Auskunft (§ 89 Absatz 2 AO) oder verbindliche Zusage (§§ 204 ff. AO) zur Anwendung des Sanierungserlasses bis (einschließlich) zum erteilt wurde, ist diese nicht nach § 2 Absatz 3 Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) aufzuheben und nicht nach § 130 Absatz 2 Nummer 4 AO zurückzunehmen, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zur Entscheidung über die Aufhebung oder Rücknahme der verbindlichen Auskunft oder verbindlichen Zusage ganz oder im Wesentlichen vollzogen wurde oder im Einzelfall anderweitige Vertrauensschutzgründe vorliegen (z. B. der Vollzug des in Umsetzung befindlichen Sanierungsplanes/des Forderungsverzichts der an der Sanierung beteiligten Gläubiger kann vom Steuerpflichtigen nicht mehr beeinflusst werden).

In den Fällen, in denen eine verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage zur Anwendung des Sanierungserlasses nach dem erteilt wurde, ist diese nur dann nicht nach § 130 Absatz 2 Nummer 4 AO zurückzunehmen, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zur Entscheidung über die Rücknahme vollzogen wurde.

III. Billigkeitsmaßnahmen unter Widerrufsvorbehalt

In allen übrigen Fällen (kein Forderungsverzicht aller an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum und keine vorliegende verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage) gilt zur Anwendung der (a. a. O.) und (a. a. O.) im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung Folgendes:

Billigkeitsmaßnahmen in Form von abweichenden Steuerfestsetzungen nach § 163 Absatz 1 Satz 2 AO und Stundungen nach § 222 AO sind nur noch unter Widerrufsvorbehalt vorzunehmen. Erlassentscheidungen (§ 227 AO) sind zurückzustellen.

Ein etwaiger Bescheid über die abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 Absatz 1 Satz 2 AO) oder die Stundung (§ 222 AO) ist mit folgendem Widerrufsvorbehalt zu versehen:

„Diese abweichende Festsetzung/Diese Stundung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Die abweichende Festsetzung/Stundung ist zu widerrufen, wenn eine gesetzliche Regelung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungserträgen in Kraft tritt oder bis zum nicht in Kraft getreten ist (vgl. , DOK 2017/0322100 –).”

IV. Verbindliche Auskünfte nach der Veröffentlichung dieses Schreibens

Die Erteilung verbindlicher Auskünfte in Sanierungsfällen ist nach Maßgabe der Nummer 3 grundsätzliche weiterhin möglich.

V. Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall

Die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen aus besonderen, außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegenden sachlichen oder persönlichen Gründen des Einzelfalls bleibt unberührt.

Dieses Schreiben ist im BStBl 2017 I, 741 veröffentlicht

Wird für Altfälle, in denen das Finanzamt die Voraussetzungen des Sanierungserlasses verneint und das angerufene Finanzgericht das Vorliegen der Voraussetzungen unter Verweis auf die Gesetzeswidrigkeit des Sanierungserlasses oder den Beschluss des Großen Senats des nicht geprüft hat, nunmehr ein neuer Antrag gestellt, weist das aus gegebenem Anlass auf Folgendes hin:

I. Verfahrensweise in „Altfällen”

Die Anwendungsregelung zu § 3a EStG sieht vor, dass § 3a EStG (nur) in den Fällen anzuwenden ist, in denen der Schuldenerlass nach dem ausgesprochen wurde. Damit kann und sollte – unabhängig vom Inkrafttreten des § 3a EStG in Altfällen (Schuldenerlass bis zum ) grundsätzlich weiterhin entschieden werden. Wird in diesen Altfällen nach dem ein Antrag auf Anwendung des Sanierungserlasses gestellt oder nach dem über einen solchen Antrag entschieden, hat das zuständige Finanzamt zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Sanierungserlasses ( BStBl 2006 I, 240) i. V. m. der Übergangsregelung ( BStBl 2017 I, 741) erfüllt sind. Dies gilt grds. unabhängig davon, ob es sich um einen erstmaligen Antrag oder in den Fällen, in denen bereits ein Antrag auf Anwendung des Sanierungserlasses gerichtlich abgelehnt wurde, einen „neuen” Antrag handelt. Ein Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen kann wiederholt werden, wenn neue Gründe gegeben sind, die eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen könnten (vgl. Beermann/Gosch, AO/FGO, Stand , § 227 AO, Rz. 119).Wird jedoch ein erneuter Antrag lediglich auf die im ersten Verfahren angeführten Gründe gestützt, ist die Behörde i. d. R. nicht zu einer erneuten Sachprüfung verpflichtet, es sei denn, die Ablehnung des Billigkeitserlasses war offensichtlich und eindeutig ermessensfehlerhaft (vgl. , BFH/NV 1987, 620) Dessen ungeachtet wird in der Literatur vertreten, dass, wenn keine neuen Gründe vorgebracht, werden, die Behörde zu prüfen hat, ob sie die ursprüngliche Ablehnung des Erlasses nachträglich für ungerechtfertigt erachtet und den Erlass nunmehr ausspricht (Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 7/2017, § 227 AO, Rz. 133).

Bei Schuldenerlassen bis zum sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden.

1. Voraussetzungen des Sanierungserlasses sind erfüllt

In diesen Fällen sind Billigkeitsmaßnahmen nach Maßgabe des Sanierungserlasses zu gewähren. Es sind keine Gründe erkennbar, warum die Entscheidung hierüber bis zur Entscheidung des BFH im Verfahren X R 23/13 zurückgestellt werden oder vom Inkrafttreten des § 3a EStG abhängen sollte.

2. Voraussetzungen des Sanierungserlasses sind nicht erfüllt

In diesen Fällen ist die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen nach Maßgabe des Sanierungserlasses erneut abzulehnen. Dem Steuerpflichtigen steht dann der Rechtsweg offen. Auch hier sind keine Gründe erkennbar, warum das Finanzamt über einen solchen Antrag nicht (ablehnend) entscheiden können sollte.

Unabhängig davon, welche Auffassung der BFH zur Zulässigkeit der Übergangsregelung ( a. a. O.) vertreten wird, können diese Fälle weiter ablehnend entschieden werden. Der Steuerpflichtige kann diese Entscheidung mit Einspruch und Klage angreifen. Es obliegt dann den Finanzgerichten, ob sie aufgrund der Übergangsregelung das Vorliegen der Voraussetzungen des Sanierungserlasses prüfen wollen oder ob sie die Entscheidung des BFH im Verfahren X R 23/13 und die dort (oder im Verfahren I R 52/14) ggf. enthaltenen Aussagen zur Übergangsregelung abwarten wollen. In diesen Fällen bestehen keine Bedenken, die diesbezüglichen Rechtsbehelfs- und Klageverfahren ruhend zu stellen.

VI. Antrag auf anderweitige Billigkeitsmaßnahmen

Sind die Voraussetzungen des Sanierungserlasses nicht erfüllt, kann der Steuerpflichtige zudem alternativ einen (neuen) Antrag auf Gewährung von persönlichen oder anderweitigen sachlichen Billigkeitsmaßnamen stellen. Die Entscheidung hierüber ist unabhängig von der Zulässigkeit der Übergangsregelung zum Sanierungserlass zu treffen.

III. Mitteilungsverfahren über gewährte Billigkeitsmaßnahmen

Werden aufgrund der Übergangsregelung vom Billigkeitsmaßnahmen auf Grundlage des Sanierungserlasses gewährt, brauchen diese weiterhin nicht mitgeteilt zu werden.

Werden Billigkeitsmaßnahmen aufgrund persönlicher oder anderweitiger sachlicher Billigkeit in Sanierungsfällen gewährt, sind diese bei Überschreiten der maßgeblichen Betragsgrenzen ( BStBl 2017 I, 283) zur Billigung/Zustimmung vorzulegen.

Der BFH hat mit zwei und  – entschieden, dass auch die im vorgesehene weitere Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf Fälle, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum endgültig vollzogen worden sei (Altfälle), nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar sei. Nur dem Gesetzgeber sei es vorbehalten, eine allgemeine „Übergangsregelung” zu schaffen.

(BStBl 2018 I, 588)

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze der , BStBl 2018 II, 232 und , BStBl 2018 II, 236) nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden.

Begründung

Die Finanzverwaltung sieht sich an die mit (BStBl 2017 I, 741) veröffentlichte Vertrauensschutzregelung im Umgang mit Altfällen (Schuldenerlass bis einschließlich ) durch den Willen des Gesetzgebers weiterhin gebunden. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen wird ausdrücklich auf diese Vertrauensschutzregelung Bezug genommen (vgl.BT-Drs. 18/1218, S. 33). Demnach ist für Schulderlasse bis (einschließlich) zum aus Vertrauensschutzgründen entsprechend dem o. g. BMF-Schreiben weiterhin nach dem (BStBl 2003 I, 240 [sog. Sanierungserlass]) zu verfahren.

Der Deutsche Bundestag hat sich diesem Vorschlag angeschlossen und die Verfahrensweise der Verwaltung gebilligt, für Altfälle den Sanierungserlass weiterhin anzuwenden. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags hat damit im Rahmen seines Berichts die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannte Vertrauensschutzregelung der Verwaltung mittels sog. beredten Schweigens des Gesetzgebers akzeptiert.

OFD Frankfurt/M. v. - - S 2140 A - 004 - St 213

Fundstelle(n):
BAAAG-86029