Bin ich ersetzbar?
Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? Ich weiß, es ist keine Frage, mit der man sich gerne beschäftigt. Denn wenn Sie sie ehrlich beantworten, kann es eigentlich nur eine Antwort geben: Ja, ich bin ersetzbar. Die Antwort gilt für Sie als Berater ebenso wie für mich als Redakteur. Zugegebenermaßen schmerzt diese Erkenntnis etwas, denn wir denken doch alle, dass es ohne uns nicht geht oder zumindest nur unter erschwerten Bedingungen. Und wir können uns das vor allem auch nicht vorstellen, wie es ohne uns laufen würde.
Wenn Sie die Größe haben, sich Ihre Ersetzbarkeit einzugestehen, haben Sie vielen Senior-Unternehmern aus dem Mittelstand schon einiges voraus. Dass diese etwas anders ticken als viele von uns, ist aber auch durchaus nachzuvollziehen. Zum einen identifizieren sie sich durch den jahrzehntelangen Aufbau des Unternehmens so stark mit ihrer Tätigkeit, dass ein Loslassen im Alter undenkbar erscheint. Privat- und Berufsleben verschwimmen oft, und die Firma wird nicht selten zum Zufluchtsort, um einem Leerlauf in der Freizeit zu entfliehen. Zum anderen beanspruchen viele Senior-Unternehmer ihr Wissen und einige Tätigkeiten aus Gewohnheit für sich alleine. Sie versäumen es, rechtzeitig Nachfolge- und Vertretungsregelungen sowie Notfallpläne einzurichten (z. B. durch einen Notfallkoffer, vgl. hierzu das Mandanten-Merkblatt „Notfallkoffer für Unternehmer“ in der NWB Datenbank unter NWB NAAAG-35030), so dass sie auf den ersten Blick tatsächlich unersetzbar scheinen – eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Als Berater können Sie den Senior-Unternehmer dabei unterstützen, loszulassen und einen passenden Ersatz zu finden. Das erfordert auf der einen Seite viel Fingerspitzengefühl, denn Sie befinden sich in einer gefährlichen Gemengelage aus Emotionen, fehlender betrieblicher und persönlicher Perspektive, nachlassender Energie und Innovationsmüdigkeit des Seniors. Anderseits bietet das Thema enormes Beratungspotenzial: Nach einer aktuellen Untersuchung der KfW Förderbank haben 100.000 von 236.000 kleinen und mittleren Unternehmen, die 2018 und 2019 die Nachfolgefrage regeln wollen, bisher keinen Kandidaten gefunden oder noch gar nicht mit der Suche angefangen.
Wichtig ist, dass Sie Ihre Mandanten rechtzeitig ansprechen, idealerweise weit vor deren 60. Lebensjahr. Ansonsten rennt die Zeit davon, und es drohen unbefriedigende Notlösungen. Wie Sie dabei vorgehen können, schildern Georg-W. Moeller und Bernd Friedrich in ihrem Beitrag ab .
Beste Grüße
Heiko Lucius
Fundstelle(n):
NWB-BB 3/2018 Seite 65
VAAAG-72640