BFH Beschluss v. - VIII B 19/02

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), dass es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und U nicht um ein Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) handele und die Geschäfte des U daher nicht als Eigengeschäfte des Klägers zu behandeln seien, beruht nicht auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das angefochtene Urteil ist keine sog. Überraschungsentscheidung, die gegen § 96 Abs. 2 FGO verstoßen würde, und das FG hat entgegen der Rüge der Kläger auch nicht gegen seine Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 FGO verstoßen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. , BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; vom VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375; vom VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383). Dies trifft im Streitfall nicht zu.

Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, dass die Aufklärungsanordnung des Berichterstatters vom ... August 2001 so zu verstehen gewesen sei, dass dieser von einem Treuhandverhältnis ausgegangen sei, konnte jedenfalls aufgrund des Beweisbeschlusses des Vollsenats vom ... Oktober 2001 kein Zweifel mehr bestehen, dass sich der Senat über die Rechtsnatur des Vertrages zwischen dem Kläger und U noch keine abschließende Rechtsauffassung gebildet hatte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte in seinem Schriftsatz vom ... September 2001 die Auffassung vertreten, dass entgegen der Meinung der Kläger kein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis vorliege. Vor diesem Hintergrund konnte der Beschluss des FG, Beweis zu erheben ”über Art und Modalitäten der Geldanlage des Klägers bei Rechtsanwalt X…gemäß Treuhandauftrag vom ...”, von den Beteiligten nur so verstanden werden, dass eine abschließende Entscheidung über den rechtlichen Charakter des Vertragsverhältnisses noch nicht getroffen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig war.

Das Gericht ist grundsätzlich auch weder zu einem umfassenden Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (BFH-Urteil in BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; in BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 10 a, m.w.N.; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, § 93 Rz. 3; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 76 Rz. 41). Selbst wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (, Deutsches Verwaltungsblatt 1995, 34).

2. Ob die in dem Schriftsatz vom erhobene Rüge, der angebotene Beweis, den U als Zeugen zu vernehmen, sei vom FG zu Unrecht übergangen worden und das FG habe gegen seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, ordnungsmäßig erhoben worden ist, kann letztlich schon deshalb offen bleiben, weil die Frist für die Beschwerdebegründung von zwei Monaten (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) bereits am abgelaufen und die Rüge deshalb verspätet war. Im Übrigen gehört das Übergehen eines Beweisantrages zu den gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtbaren Verfahrensrügen (vgl. , BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, unter II. 3. c, bb, m.w.N.). Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren bei der Vernehmung des J als Zeugen in der Sitzung vom anwesend und haben die Sachanträge gestellt, ohne einen Antrag auf Vernehmung des U gestellt zu haben.

3. Soweit die Kläger rügen, das angefochtene Urteil beruhe in verschiedenen Punkten auf der Annahme eines unzutreffenden Sachverhaltes, beanstanden sie die Beweiswürdigung des FG. Da diese aus revisionsrechtlicher Sicht dem materiellen Recht zuzuordnen und im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht überprüfbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 19/99, BFH/NV 1999, 1635; vom X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612; vom VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671), kann dieses Vorbringen nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO rechtfertigen.

4. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Auf der Grundlage der Entscheidung des FG, dass kein Treuhandverhältnis vorliegt und es sich bei den an den Kläger gezahlten Beträgen auch nicht um die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals handelt, ist nicht erkennbar, in Bezug auf welche Rechtsfrage eine Entscheidung des BFH im Streitfall der Fortbildung des Rechts dienen könnte.

Die Kläger haben auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Sie haben nicht behauptet, dass ein anderes FG in einem Verfahren mit einem gleichen Vertragsinhalt eine andere Entscheidung als das FG im Streitfall getroffen hat (vgl. zum Erfordernis der Vergleichbarkeit des Sachverhalts , BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106). Da sie auch nicht geltend gemacht haben, dass bei anderen Senaten desselben FG oder bei anderen FG Verfahren mit einem gleichen Vertragsinhalt anhängig sind, kann der Senat offen lassen, ob dies die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hätte rechtfertigen können.

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Fundstelle(n):
RAAAA-68829