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Online-Nachricht - Montag, 05.02.2018

Erbrecht | Enkel kann Pflichtteil zustehen (OLG)

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen (; rechtskräftig).

Sachverhalt: Im Oktober 2011 verstarb der Erblasser, der zwei Söhne hatte. Der Ältere verstarb kinderlos im Jahre 1990. Der Jüngere ist – nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde - der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem im Jahre 1989 errichteten Testament enterbt. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten. Nach dem Tode des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Im Jahre 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, so dass ihm als - allein verbliebenen - gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben haben u.a. die Vaterschaft des enterbten Sohnes bestritten und allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis gehalten. Außerdem haben sie geltend gemacht, dass sie den Nachlass verbraucht bzw. weitergegeben hätten.

Das OLG Hamm führte hierzu u.a. aus:

  • Der Kläger ist pflichtteilsberechtigt. Er hat nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel ist.

  • Grundlage der Pflichtteilsberechtigung ist die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Diese hat der Kläger durch die vorgelegte Geburtsurkunde nachgewiesen.

  • Nach dem Inhalt dieser Urkunde ist der Kläger das Kind des jüngeren Sohns des Erblassers. Dass der Kläger ein nichteheliches Kind ist, ist rechtlich unerheblich.

  • Eine Unrichtigkeit dieser Geburtsurkunde hat der Beklagte zu beweisen, was ihm nicht gelungen ist. Ob der Kläger auch biologisch vom Sohn des Erblassers abstammt, ist aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft nicht von Bedeutung.

  • Das vom Erblasser errichtete Testament hat den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Als entfernterer Abkömmling des Erblassers ist der Kläger nunmehr pflichtteilsberechtigt.

  • Eine dem Kläger vorgehende Pflichtteilsberechtigung seines Vaters ist nicht gegeben. Diesem hat der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Das folgt aus der testamentarisch verfügten Enterbung, die aufgrund der seinerzeit vorliegenden Entziehungsgründe auch wirksam ist.

  • Im Gegensatz zu seinem Vater hat der Kläger sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Der Erblasser hat in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Bezogen auf die Person des Klägers ist zudem kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich und vom Erblasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch testamentarisch nicht verfügt worden.

  • Da der Beklagte - neben der Lebensgefährtin des Erblassers - dem Kläger gegenüber den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch als Gesamtschuldner schuldet, ist er in Höhe des gesamten Anspruchs zur Zahlung zu verurteilen. Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden ist, kann sich der Beklagte nicht berufen.

  • Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft hat er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 05.02.2018 (Ls)

Fundstelle(n):
JAAAG-71779