BGH Beschluss v. - 5 StR 438/17

Strafverfahren: Fehlerhaft unterbliebener Teilfreispruch; Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers bei der Schmerzensgeldbemessung im Adhäsionsausspruch

Gesetze: § 260 StPO, § 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 253 Abs 2 BGB, § 22 StGB, § 23 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 224 StGB, § 240 StGB, § 255 StGB

Instanzenzug: LG Neuruppin Az: 11 KLs 15/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Nebenklägers eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen, soweit dem Angeklagten mit der Anklage tatmehrheitlich eine versuchte Nötigung zur Last gelegt worden war. Dem war das Landgericht im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Da es hinsichtlich dieses Tatvorwurfs keine eine Verurteilung tragenden Feststellungen hat treffen können (UA S. 19), hätte es den Angeklagten teilweise freisprechen müssen, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen. Insofern kam der dem Urteil nunmehr zugrundegelegten geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung der vom Angeklagten begangenen Körperverletzungen, nach der bei einem Tatnachweis das Nötigungsdelikt in Tateinheit mit der späteren Körperverletzung gestanden hätte, keine Bedeutung zu (vgl. , BGHSt 44, 196, 202; Beschlüsse vom - 2 StR 174/08, NStZ-RR 2008, 287, und vom - 5 StR 135/17 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 260 Rn. 13).

32. Der Gesamtstrafenausspruch bedarf einer Ergänzung, soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der im Urteil des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom gewährten Strafaussetzung zur Bewährung unterblieben ist.

4Nach den Feststellungen war die Vollstreckung der bei Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe einbezogenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt worden. Die dem Angeklagten hierbei auferlegten Bewährungsauflagen in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit hatte er umfassend erfüllt. Danach hätte sich die Strafkammer gedrängt sehen müssen, die Voraussetzungen für eine Anrechnung auf Bewährungsauflagen erbrachter Leistungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern. Nach dieser Regelung sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, nicht - wie vorliegend geschehen - bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, sondern durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 382 f., und vom - 1 StR 489/13 mwN).

5Der Senat holt die versäumte Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach und setzt die Anrechnungsdauer auf zwei Monate fest (vgl. , NStZ-RR 2014, 138 mwN).

63. Gegen den Adhäsionsausspruch bestehen keine Bedenken. Insbesondere durfte das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die begrenzten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigen.

7Wie die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs in ihrer Entscheidung vom klargestellt haben, können bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das Gesetz sieht in § 253 Abs. 2 BGB für den Ausgleich immaterieller Schäden mithin keine starre Regelung, sondern eine billige Entschädigung vor, ohne dem Tatgericht hinsichtlich der zu berücksichtigenden oder berücksichtigungsfähigen Umstände Vorgaben zu machen (vgl. , BGHZ 212, 48, 55, 60 f.; siehe auch schon BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151 f.).

8Geboten sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung danach nur, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben (vgl. , aaO, S. 69 f.). Aus diesem Gebot für Ausnahmefallgestaltungen, das die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs auf die Frage formuliert haben, ob im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schädigers oder des Geschädigten getroffen und Erörterungen zu ihrem Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung vorgenommen werden m ü s s e n  (, aaO, S. 69), lässt sich kein zur Annahme eines Rechtsfehlers führendes Verbot ableiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zu berücksichtigen, selbst wenn sie dem Fall noch kein besonderes Gepräge geben (zutr. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 231/17, und vom - 4 StR 255/17, gegen ). Eine solche Schlussfolgerung liefe geradezu dem Ergebnis der Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB zuwider, wonach das Tatgericht bei der Bemessung der billigen Entschädigung  a l l e  Umstände des Einzelfalls soll berücksichtigen dürfen (, aaO, S. 61).

9Die Berücksichtigung der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Strafkammer hat daher ungeachtet des Umstands, dass sie sich nicht zu seinem Nachteil auswirkte, den Bestand des Adhäsionsausspruchs nicht gefährdet.

104. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt keine Kostenteilung gemäß § 473 Abs. 4 StPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:281117B5STR438.17.0

Fundstelle(n):
RAAAG-71613