Gründe
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) erhob durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage gegen den Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt —FA—) mit dem Antrag, das FA zu verpflichten, dem Kläger die bestehenden Steuerschulden gegen Zahlung eines Betrages von monatlich 143 DM über sieben Jahre zu erlassen. Zugleich beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Der Berichterstatter forderte den Kläger auf, den angefochtenen Verwaltungsakt, die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf und den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, ferner einen bestimmten Klageantrag zu stellen. Weiterhin führte der Berichterstatter aus, zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens sei es erforderlich, die zu erlassenden Steuern und sonstigen Abgaben eindeutig zu bezeichnen, und zwar nach Steuerart, Veranlagungszeitraum und Höhe. Der amtliche Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sei zwar unterschrieben, aber weder ausgefüllt noch durch Beweismittel belegt.
Der Kläger teilte daraufhin mit, seines Erachtens bedürfe es keiner weiteren Spezifizierung des Klageantrags, weil sich der Antrag auf sämtliche Steuerschulden beziehe. Seinem Schreiben beigefügt war eine Kopie des Kontoauszuges des FA vom und die Einspruchsentscheidung vom . Den amtlichen Vordruck zur Gewährung der PKH habe er nicht weiter ausgefüllt, weil er Sozialhilfe erhalte.
Der Berichterstatter setzte dem Kläger eine Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des Klagebegehrens. Als Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnete daraufhin der Kläger den Erlass sämtlicher Steuerschulden, insbesondere Einkommensteuer 1986 bis 1999 einschließlich Kirchensteuer gegen Zahlung eines Betrages von monatlich 143 DM über sieben Jahre. Gleichzeitig lehnte er den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Berichterstatter habe ihm Auflagen gemacht, die dem Gesetz nicht entsprächen. Die Verpflichtung, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu bezeichnen, bestehe nur bei Anfechtungsklagen, hier handle es sich jedoch um eine Verpflichtungsklage. Ferner sei die Auflage, einen bestimmten Klageantrag zu stellen, nicht gerechtfertigt gewesen, da der Klageantrag eindeutig formuliert gewesen sei. Auch der Gegenstand des Klagebegehrens gehe eindeutig aus der Klageschrift vom 17. April hervor. Deshalb sei auch das Schreiben vom , mit dem ihm eine Frist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzt worden sei, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, nicht berechtigt. Die ungerechtfertigte Fristsetzung begründe für die Prozesspartei die Besorgnis, dass diese Fristsetzung nur geschehe, um die Prozesspartei einzuschüchtern, sie unter Fristendruck zu setzen und ggf. unter Ausnutzung einer bestimmten prozessualen Situation gegen die Prozesspartei entscheiden zu können.
Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich zu diesem Ablehnungsgesuch geäußert. Die beanstandeten Auflagen seien ausschließlich aus sachlichen Gründen erfolgt und beruhten auf den Vorschriften der §§ 65 und 79 FGO, die dem Zweck dienten, im Interesse einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung mögliche Mängel der Klage rechtzeitig zu beseitigen.
Das Finanzgericht (FG) lehnte das Ablehnungsgesuch als nicht begründet ab. Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters seien —selbst wenn sie objektiv vorlägen— grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Zwar weise der Kläger zutreffend darauf hin, dass die Bezeichnung des Verwaltungsaktes und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nach dem Gesetzeswortlaut bei Verpflichtungsklagen nicht gefordert werden könnten, im Übrigen entsprächen aber die Schreiben des Berichterstatters den gesetzlichen Regelungen.
Der Kläger hat gegen den Beschluss des FG Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde. Zu Unrecht habe ihn der Berichterstatter aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, denn dieser sei bereits in der Klageschrift enthalten gewesen. Außerdem habe er sein Begehren darin begründet. Er habe die Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen aufgezeigt, die ihn zahlungsunfähig gemacht und die zu seiner Sozialhilfebedürftigkeit geführt hätten. Er habe zudem seine Rechtsansicht, warum er einen Anspruch auf Erlass habe, aufgezeigt. Trotzdem habe ihm der abgelehnte Berichterstatter eine Ausschlussfrist gesetzt, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen.
Diese weitere ungerechtfertigte Fristsetzung, obendrein unter einer Ausschlussfrist, könne für eine unbefangene Prozesspartei nur dahin gewertet werden, dass man sie einschüchtern, unter Fristendruck setzen und ggf. gegen sie entscheiden wolle. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese Fristsetzung vor dem Hintergrund einer bereits erfolgten negativen Entscheidungsfindung zu Lasten der Prozesspartei ergangen sei. Soweit das FG meine, in Erlasssachen sei Gegenstand des Klagebegehrens auch eine Auseinandersetzung mit der vom FA verneinten Frage der Erlasswürdigkeit, hierzu habe der Kläger aber nichts vorgetragen, könne er sich dem nicht anschließen. Das FG übersehe hierbei, dass der abgelehnte Richter keine Ausschlussfrist gesetzt habe, zur Frage der Erlasswürdigkeit vorzutragen, sondern zur Bezeichnung des Klagebegehrens.
Der Kläger beantragt unter Hinweis auf seine bei den Akten befindliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, ihm für das Beschwerdeverfahren PKH zu bewilligen.
Das Klageverfahren hat sich während des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache erledigt. Der Kläger hat daraufhin auch die Beschwerde in der Hauptsache für erledigt erklärt, den Antrag auf Gewährung von PKH hält er aber aufrecht.
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren III B 71/00 wegen Richterablehnung hat keinen Erfolg. Dies folgt nicht bereits daraus, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht mehr gegeben ist, weil sich das Klageverfahren erledigt hat (, BFH/NV 1992, 518), denn der Kläger hat vor dem erledigenden Ereignis einen formgerechten Antrag gestellt und zudem das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 142 Rz. 24, m.w.N.).
Dem Antrag auf Bewilligung von PKH kann aber deshalb nicht entsprochen werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Eine Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (, BFH/NV 1991, 724). Danach hat das FG das Ablehnungsgesuch aber zu Recht zurückgewiesen.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 1998, 34, m.w.N.).
Wird die Befangenheit aus Verfahrensfehlern hergeleitet, so müssen zusätzliche Anhaltspunkte vorliegen, die dafür sprechen, dass das Fehlverhalten aus der Sicht des Beteiligten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters beruht. Die Besorgnis der Befangenheit kann deshalb nur dann gerechtfertigt sein, wenn die verfahrensrechtlichen Entscheidungen unter Berücksichtigung der Prozesslage bei einer Gesamtschau der für das Ablehnungsgesuch vorgetragenen Gründe (Verfahrensverstöße und sonstige Verhaltensweisen) auch für einen objektiven Dritten nicht nachvollziehbar sind (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 34).
Die dem Kläger gesetzte Ausschlussfrist und die zuvor ergangene Verfügung sind bei summarischer Prüfung nicht geeignet, den Vorwurf der Voreingenommenheit zu rechtfertigen.
Das Institut der Richterablehnung ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, um gegen (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung vorzugehen. Das vom Kläger beanstandete Verhalten des Berichterstatters am FG kann bei objektiver Beurteilung nicht Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Berichterstatters zu zweifeln. Dies gilt auch dann, wenn die Setzung einer Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens rechtsfehlerhaft gewesen sein sollte. Der Kläger bezeichnet keine Verhaltensweise des Berichterstatters, die den Eindruck nahe legen könnte, dass die aus Sicht des Klägers fehlerhafte Aufforderung, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, nicht auf einem Rechtsirrtum des Berichterstatters beruhe, sondern in einer unsachlichen Einstellung gegenüber dem Kläger begründet sei.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (, BFH/NV 1985, 98, ständige Rechtsprechung).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 495 Nr. 4
BAAAA-68308