BFH Beschluss v. - II R 63/01

Gründe

I. Durch  GrE wurde die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen Grunderwerbsteuer abgewiesen und die Revision zugelassen. Das Urteil wurde der (damaligen) Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt. Die an das FG adressierte Revision ging dort am ein. Das FG informierte am Tage des Eingangs die Prozessbevollmächtigten per Telefax über die unzutreffende Revisionseinlegung und leitete die Revisionsschrift an den Bundesfinanzhof (BFH) weiter, bei dem sie am eintraf. Mit Telefax vom beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Hinblick auf die Versäumung der Revisionsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und mit Schriftsatz vom begründeten sie die Revision.

Die Klägerin beantragt, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) hat keinen Antrag gestellt.

II. Die Revision ist durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Sie ist verspätet eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

1. Die Revision ist nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO i.d.F. durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) bei dem BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Nachdem das angefochtene Urteil der (damaligen) Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden war, lief die Revisionsfrist gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am ab. Die Revision der Klägerin ging jedoch erst am und damit verspätet beim BFH ein.

2. Die Einlegung der Revision beim FG ist nicht geeignet, die Revisionsfrist zu wahren. Die Vorschrift des § 120 Abs. 1 FGO ist durch Art. 1 2.FGOÄndG mit Wirkung ab dahin gehend geändert worden, dass seither die Revision bei dem BFH einzulegen ist. Der Wortlaut ist klar und zwingend. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann der Einlegung der Revision beim FG keine Rechtswirksamkeit zukommen.

3. Der Klägerin kann wegen der Versäumung der Revisionsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt werden; denn sie war nicht ohne Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten. Sie muss sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen. Der die Revisionsschrift unterzeichnende Prozessbevollmächtigte handelte schuldhaft, indem er entgegen § 120 Abs. 1 FGO und trotz anders lautender Rechtsmittelbelehrung die Revision beim FG einreichte und dadurch bewirkte, dass die Revisionsschrift nicht innerhalb der Revisionsfrist beim BFH einging.

Ein Verschulden i.S. des § 56 Abs. 1 FGO ist, jedenfalls wenn es sich um die Fristversäumnis eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts handelt, nur dann zu verneinen, wenn die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet worden ist (vgl. , BFH/NV 1994, 384, 385). Diese Sorgfaltsanforderungen haben die Prozessbevollmächtigten bei der Einlegung der Revision gegen das FG-Urteil nicht gewahrt. Von Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die als Prozessbevollmächtigte ein Rechtsmittel einlegen, muss erwartet werden, dass sie die Voraussetzungen und die Anforderungen für dieses Rechtsmittel kennen oder sich zumindest davon Kenntnis verschaffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 76/92, BFH/NV 1994, 105; vom VII B 222/97, BFH/NV 1998, 616). Insbesondere aber mussten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die der geänderten Gesetzeslage entsprechende, dem angefochtenen Urteil beigefügte ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung des FG beachten, nach der unmissverständlich die zugelassene Revision beim BFH einzulegen war. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt zudem ausschließlich Angaben zur Postanschrift des BFH und dessen Telefaxnummer (vgl. zum Vorstehenden , BFH/NV 2002, 48). Die Rechtsmittelbelehrung war hinreichender Anlass, die Aktualität des vom Prozessbevollmächtigten verwendeten Gesetzestextes in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen.

Da ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten festzustellen ist, bedarf es keiner Erörterung, ob der Umstand, dass die Benachrichtigung durch das dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten erst am zugeleitet worden ist, auf einem entschuldbaren Büroversehen beruht oder nicht.

4. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter dem Gesichtspunkt einer Mitverantwortung des FG für die verspätete Einlegung des Rechtsmittels (vgl. dazu , BVerfGE 93, 99; , BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125, 126) kommt nicht in Betracht, da das FG noch am Tage des Eingangs der Revisionsschrift per Telefax einen Hinweis an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegeben und den Schriftsatz ohne Verzögerung im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Revisionsgericht weitergeleitet hat.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 658 Nr. 5
FAAAA-68204